Konzerte Saison 1986-1987

  • 24.3.1987
  • 20:15
  • 61.Saison
  • Zyklus B
Stadtcasino, Hans Huber-Saal

Hagen Quartett (Salzburg)

Das berühmteste und bedeutendste unter den heute wirkenden Familienquartetten hat seine Ausbildung am Salzburger Mozarteum, später in Basel, Hannover und Philadelphia erhalten. Lehrer und Mentoren waren Hatto Beyerle, Heinrich Schiff und Walter Levin. Die Begegnungen mit Nikolaus Harnoncourt und Gidon Kremer, der das Quartett schon früh nach Lockenhaus eingeladen und immer wieder in seine kammermusikalischen Projekte einbezogen hat, haben den musikalischen Blickwinkel des Ensembles ungemein erweitert. 1981 waren dem Quartett in Lockenhaus der Preis der Künstlerjury und der Publikumspreis zuerkannt worden, 1982 folgte der erste Preis in Portsmouth, 1983 die Auszeichnungen in Evian, Bordeaux und Banff. Seither zählt das Hagen Quartett zu den weltweit etablierten und anerkannten Meisterquartetten. Seine Platteneinspielungen sind besonders sorgfältig ausgewählt und ausgearbeitet. Sie belegen wie die Konzertprogramme das Selbstbewusstsein und Wandlungsvermögen in den unterschiedlichsten Stilen von Bach bis Ligeti und Lutoslawski.
Janáčeks Kammermusik ist, wie die Smetanas, von persönlichem Erleben geprägt. Während er im 2. Quartett das eigene Liebeserlebnis verarbeitet, verwandelt er im ersten eine literarische Liebestragödie in ein subjektives Bekenntniswerk. Die Erregung über Tolstojs Schilderung hatte ihn bereits 1909 zu einem Klaviertrio angeregt, das er vernichtet hat, das unterdessen aber in einer Rekonstruktion vorliegt. «Aus einigen Gedanken daraus entstand das Quartett», schrieb er an Kamila Stösslová, die ihrerseits fünf Jahre später Anlass zum 2. Quartett wurde. Der 1. Satz ist ein Porträt der Frau, der 2. schildert ihr verhängnisvolles Zusammentreffen mit dem Geiger, der 3. enthüllt mit drastischer Deutlichkeit den Widerspruch zwischen der echten Liebe der Frau und der Eifersucht des Mannes, und der 4. Satz vereinigt die Katastrophe mit der Katharsis (nach D. Holland).
Am 6. April 1971 starb Igor Stravinsky knapp 89jährig in New York. Das Londoner Musikmagazin Tempo forderte daraufhin Komponisten auf, Werke zu seinem Andenken zu schreiben und dafür seinen Doppelkanon in memoriam Raoul Dufy (1959) zum Vorbild zu nehmen. Neben Berio, Boulez, Carter und Denissow tat dies auch Alfred Schnittke. Der in Engels an der Wolga geborene jüdische Komponist deutsch-russischer Abstammung ist mit vier Streichquartetten und weiteren Werken (Sonaten, Streichtrio, Klavierquartett und -quintett etc.) wohl derjenige der genannten Komponisten, der am ehesten als Kammermusiker Geltung hat. Beim Kanon «handelt es sich um eine kleine Komposition von strengem und traurigem Charakter. Sein konstruktiver Kern ist eine absteigende, vom Grundton g ausgehende diatonische Melodie, die in verschiedenen Varianten wiederholt wird. Hier bedient sich der Komponist der Technik kanonischer Unisono-Imitationen bei freier rhythmischer Gestaltung. Die asynchrone Führung des Themas in den vier Instrumenten erzeugt ein instabiles, schwankendes Klanggewebe.» So S. Rasorjonow nach der Uraufführung durch das Borodin Quartett 1971 in Moskau. «Kanonische Unisono-Imitation» ist ein von Schnittke verwendeter Begriff.
Zu Smetanas Selbstbiographie in Tönen sei hier wieder einmal das Programm, das der Komponist in einem Brief vom 12. April 1878 beschrieben hat, aufgeführt (gekürzt): I. Satz: Hang zur Kunst in meiner Jugend, romantische Stimmung, unaussprechliche Sehnsucht nach etwas, was ich nicht in Worten ausdrücken konnte. Der II. Satz führt mich in der Erinnerung in das heitere Leben meiner Jugendzeit, in der ich meine Umwelt mit Tanzstücken überschüttete, selbst als leidenschaftlicher Tänzer bekannt war. Der dritte Satz erinnert mich an das Glück der ersten Liebe zu dem jungen Mädchen, das später meine treue Gattin wurde. Der vierte Satz: Die Erkenntnis der elementaren Kraft, die in der nationalen Musik ruht, und die Freude an den Ergebnissen des beschrittenen Weges bis zu jenem Augenblick, da sein weiterer Verlauf durch die ominöse Katastrophe jäh unterbrochen wurde: Beginn der Taubheit, Ausblick in eine freudlose Zukunft.