Konzerte Saison 1993-1994

  • 22.3.1994
  • 20:15
  • 68.Saison
  • Zyklus B
Stadtcasino, Hans Huber-Saal

Cleveland Quartet (Rochester N.Y.)

Im Februar und März 1824 war Schubert in einer Art Schaffensrausch «unmenschlich fleissig» (Schwind). Neben dem am 1. März beendeten Oktett kündigt er drei Streichquartette an. Nur das a-moll-Quartett erlebt am 24. März seine Uraufführung und erscheint im Druck. Doch auch das d-moll-Werk muss damals entstanden sein, wird aber erst 1826 geprobt (Schubert nimmt dabei noch Korrekturen vor) und am 1. Februar erstmals aufgeführt. Hat Schubert das düstere Werk – alle vier Sätze stehen in Moll – wegen seiner Kühnheit zurückbehalten? Denn was er im Harmonischen und mehr noch im Ausdruck erreicht, ist selbst im Vergleich mit Beethovens Spätwerk neuartig. Schon in der Wahl der Variationenvorlage ist Todesnähe erkennbar. Das Todesmotiv tritt in Verbindung mit dem für Schubert so typischen Wanderrhythmus des Daktylus: lang-kurz-kurz. Der Tod kommt als Wanderer, Verkörperung von Fremdsein und Ausgeschlossensein (Denken wir an den wandernden Müllerburschen und an den Wanderer der Winterreise!), daher. Im Lied sanft und friedlich (Bin Freund und komme nicht zu strafen...), lange nicht so traurig wie der Leiermann am Ende der Winterreise, zeigen einige Variationen seine gewalttätige Macht. Noch gewaltsamer ist sein Auftritt in der Reiterhektik des Finale, wo plötzlich des Knaben Frage Siehst Vater du den Erlkönig nicht? aufscheint. So endet das Quartett in einer Art Totentanz und erreicht eine existenzielle Ausdruckskraft, die um 1824/26 ebenso schauerlich wirken musste wie die Lieder der Winterreise.
Die drei Opera 132, 130 (inkl. op. 133) und 131 – dies die Entstehungsreihenfolge – weisen einige Besonderheiten und Gemeinsamkeiten auf. Als einzige Beethovenquartette gehen sie mit fünf, sechs resp. sieben Sätzen über die Viersätzigkeit hinaus. Zudem sind sie durch Motivverwandtschaft, die von einer Keimzelle aus vier Tönen in zwei gegenläufigen Halbtonschritten (dis – e / c – h) ausgeht, verbunden. Das mag beim Hören unbemerkt bleiben, doch zeigt die Analyse die geheime Klammer auf. Im cis-moll-Quartett tritt das Motiv zu Beginn der Fuge in den Tönen zwei bis fünf (his – cis / a – gis) auf. Hatte die Originalfassung des op. 130 mit einer Fuge geendet (so am 19.10.1999 zu hören), so beginnt op. 131 ebenfalls mit einer solchen, wenn sie auch keine „Grosse“ und keine so schwierige ist. Einheitlich geschlossen wirkt das „wohl Schwermütigste, was je in Tönen ausgesagt worden ist“, wie sich Richard Wagner ausgedrückt hat. Der 2. Satz im 6/8-Takt übernimmt den Oktavsprung vom Ende der Fuge einen Halbton höher, der improvisationsartig wirkende 3. Satz reduziert ihn auf die Quinte. Mit nur elf Takten, von denen die letzten vier Adagio zu spielen sind, bildet er die Überleitung zum Werkzentrum, der umfangreichen tiefgründigen Variationenfolge. Der fünfteilige 5. Satz ist ein Scherzo mit Trio im Schema ABABA. Nach der teilweise sul ponticello zu spielenden Coda geht erattacca in ein 28-taktiges Adagio über. Es ist zwar selbständig gehalten, bildet aber eine Art langsame Einleitung zum Finale. Hier ist am Beginn mit den Tönen gis – a / cis – his wieder das Grundmotiv fassbar. Mit drei heftigen fortissimo-Akkorden endet das komplexeste der Beethoven-Quartette.

Franz Schubert 1797-1828

Streichquartett Nr. 14, d-moll, op. post., D 810 «Der Tod und das Mädchen» (1824/26)
Allegro
Andante con moto
Scherzo: Allegro – Trio
Presto

Ludwig van Beethoven 1770-1827

Streichquartett Nr. 14, cis-moll, op. 131 (1826)
Adagio ma non troppo e molto espressivo
Allegro molto vivace –
Allegro moderato / Adagio / Più vivace –
Andante ma non troppo e molto cantabile –
Presto –
Adagio quasi un poco andante –
Allegro