Konzerte Saison 1998-1999

  • 10.11.1998
  • 20:15
  • 73.Saison
  • Zyklus B
Stadtcasino, Hans Huber-Saal

Quatuor Sine Nomine (Lausanne) Philippe Dinkel, Klavier

Am 26. Januar 1988 gastierte das "Namenlose Quartett" als Träger des Pressepreises im Borciani-Wettbewerb erstmals in unseren Konzerten. Seit dem Gewinn des 1. Preises im Kammermusikwettbewerb von Evian waren damals gerade drei Jahre vergangen. Seither hat sich das Quartett, das während seiner Ausbildung vom Melos-Quartett betreut worden war, weltweit einen Namen gemacht. Es vertrat in London das Alban Berg Quartett, führte 1990 in Mailand sämtliche Beethoven-Quartette auf und machte zahlreiche Plattenaufnamen, darunter Schubert (Gesamtwerk für Streichquartett), Mendelssohn, Dvorák und Arriaga. Daneben lässt sich eine Vorliebe für selten gespielte Klavierquintette feststellen: Auf CD liegt eine Einspielung des umfangreichen Quintetts von Wilhelm Furtwängler vor. Man rühmt am Quatuor Sine Nomine Präzision, virtuoses technisches Können, Ausdruckskraft und Tiefe wie auch die Transparenz der Tongebung.

Der Pianist Philippe Dinkel, seit 1992 Direktor des Konservatoriums Genf, ist ein erfahrener Kammermusikpartner, der seit Jahren mit dem Quatuor Sine Nomine zusammenarbeitet.

Zwei unbekannte Klavierquintette des 20. Jahrhunderts folgen in diesem Programm auf je ein klassisches Quartett. Kontrast ist also angesagt, wie er auch im Werk Ginasteras wirksam wird. Dieser stammte aus Buenos Aires; die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er in Genf. In seinem Schaffen sucht er den Kontrast der argentinischen Pampa und der kultivierten Urbanität zu verarbeiten. An Kammermusik liegen von ihm u.a. zwei Streichquartette vor, die1996 und 1974 bei uns aufgeführt wurden, eine Cellosonate für seine Frau Aurora Natola sowie das aus der letzten Schaffensperiode stammende Klavierquintett. Ginastera betont darin die Individualität der Streichinstrumente und gibt ihnen zuweilen an Bartók gemahnende Farbeffekte. Auch das Einschieben von drei Kadenzen von fast ebenso langer Dauer wie die vier eigentlichen Sätze betont die Eigenständigkeit der fünf Instrumente. Noch weniger kennt man bei uns den Kritiker und Komponisten Mario Pilati. Er studierte in seiner Heimatstadt Neapel bei A. Savasta und unterrichtete von 1930–33 in Neapel Kontrapunkt, später in Cagliari, Mailand und Palermo. Vorbild und Leitfigur war ihm lebenslang Ildebrando Pizzetti. Seine reiche, vornehme Inspiration wird durch seine ernsthafte kulturelle Bildung und Bindung kontrolliert. So ergibt sich ein stark von Traditionen geprägter Stil: Elemente des „Impressionismus“ Debussys, der italienischen Volksmusik und der grossen Instrumentalwerke des Barock und des19. Jahrhunderts lassen sich ausmachen. Sein Schaffen umfasst Vokal- und Orchesterwerke, darunter ein Klavierkonzert, in der Kammermusik neben dem Klavierquintett ein Divertimento für 9 Bläser (1932) und eine Flötensonate von 1929.

Mozarts Es-dur-Quartett, als drittes der sechs Haydn-Quartette entstanden und nur ungenau zwischen Juli 1783 und Januar 1784 datiert, ist vielleicht das eigenartigste der Reihe: Ohne die sonst bei Mozart bekannte Es-dur-Festlichkeit beginnt der Kopfsatz harmonisch unbestimmt mit einem Unisono. Erst im zweiten Anlauf tritt er mit überraschenden Dissonanzen harmonisch auf. Das Andante in der Tristan-Tonart As-dur ist harmonisch noch ungewohnter – und in den Takten 15 und 40 kann man tatsächlich eine Vorahnung des Tristanmotivs hören. Das ausgedehnte Menuett beginnt mit vehementer Attacke auftaktig; das Trio versteckt seine eigentliche Tonart B-dur hinter einer langen c-moll-Melodie. Erst das Finale, eine Art Sonatensatz ohne Durchführung, bricht mit der Unbestimmtheit der vorangehenden Sätze und erweist sich in seinem Humor als eine Hommage an Haydn. Dessen C-dur-Werk aus der zweiten Sechserreihe der Tost-Quartette steht durch die aus einem Dreiklang entwickelte Thematik der ersten drei Sätze im Zeichen der Einheitlichkeit. Das Dreiklangmotiv wird dreimal verschieden beleuchtet: Im monothematischen Kopfsatz erscheint es in einem verhaltenen Marschrhythmus, im Menuett leicht melancholisch, was im Trio durch die Tonart c-moll und seufzerartige Motive verstärkt wird. Der für den späten Haydn erstaunlich rasche langsame Satz in F-dur, eine Art Sonatensatz, besteht aus einem Thema und zwei Variationen. Das Dreiklangmotiv erscheint in einem langsamen Marsch. Das Presto-Finale geht thematisch eigene Wege und steigert sich in seinem rhythmischen Drang über ein fugato zu einem Fortissimo-Unisono am Ende der Durchführung, um pianissimo mit dem Hauptthema zu verklingen.

rs

Wolfgang Amadeus Mozart 1756-1791

Streichquartett Nr. 16, Es-dur, KV 428 (421b) (1783)
Allegro ma non troppo
Andante con moto
Menuetto: Allegro – Trio
Allegro vivace

Alberto Ginastera 1916-1983

Klavierquintett, op. 29 (1963)
Introduzione
Cadenza I per viola e violoncello
Scherzo fantastico
Cadenza II per due violini
Piccola musica notturna
Cadenza III per pianoforte
Finale

Joseph Haydn 1732-1809

Streichquartett Nr. 63, C-dur, op. 64, Nr. 1, Hob. III:65 (1790)
Allegro moderato
Menuet: Allegretto ma non troppo – Trio
Allegretto scherzando
Finale: Presto

Mario Pilati 1903-1938

Klavierquintett D-dur (1931)
Mosso e concitato
Vivacissimo, larghissimo
Animato