Konzerte Saison 1998-1999

  • 19.1.1999
  • 20:15
  • 73.Saison
  • Zyklus B
Stadtcasino, Hans Huber-Saal

Quatuor Arpeggione (Paris)

Das Arpeggione Quartett formierte sich 1988. Bereits 1989 war es Preisträger in Evian und gehörte zur Fondation Menuhin. Es folgten Auftritte bei den Salzburger Festspielen, in Lockenhaus, beim City of London Festival u.a.m. sowie ausgedehnte Konzerttourneen in Europa, den USA, in Südamerika und im Nahen Osten. Überall bekam es hervorragende Kritiken und begeisterte Zustimmung anderer Musiker. 1989–93 war es Quatuor en résidence an der Sorbonne und spielte in allen grossen Sälen von Paris. 1996 lud Yehudi Menuhin das Ensemble zu seinem 80. Geburtstag zu einem Rezital ins Palais de l’Élysée ein. Neben dem klassisch-romantischen Repertoire nimmt das 20. Jahrhundert einen wichtigen Platz ein, auch weniger Bekanntes wie das Quartett von Florent Schmitt oder Julius Schloss und das 1. Quartett von Alexander Mossolov. Mehrere zeitgenössische Werke, u.a. von N. Bacri, D. Levaillant, J. Michon, G. Buhr, wurden vom Quatuor Arpeggione zur Uraufführung gebracht.
Von den zahlreichen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts tätigen französischen Komponistinnen ist neben der allzu früh verstorbenen Lili Boulanger (1893–1918) Germaine Tailleferre die bekannteste – auch wenn man ihre Musik kaum kennt. Die Bekanntheit rührt von ihrer Verbindung zum vom Musikjournalisten Henri Collet 1920 so benannten, doch letztlich kaum je geschlossen auftretenden „Groupe des Six“ (mit Auric, Cocteau, Honegger, Milhaud, Poulenc) her. Eigentlich gehörte sie gar nicht in diesen Herrenclub; einige wenige Konzerte zwischen 1919 und 1925 waren die einzigen Gemeinsamkeiten. Ihre Randstellung war typisch für die der anderen Komponistinnen dieser Zeit. Die Radikalität ihres eigenwilligsten Werkes «Image pour huit instruments» (1918) mit seiner Polytonalität gibt sie bereits im folgenden Jahr im Streichquartett wieder auf. Die beiden ersten Sätze basieren zudem auf einer bereits 1917 komponierten «Sonatine pour cordes». Das neue, rhythmisch bestimmte Finale beginnt in ungewohntem Sechs-Sechzehnteltakt und verbindet den expressiven Sologesang der 1. Violine über einem Orgelpunkt mit geräuschhafter Begleitung. Das knappe, gerade elf Minuten dauernde Werk ist dem Pianisten Artur Rubinstein gewidmet, der sich immer wieder für ihr Schaffen eingesetzt hatte.

Das Quatuor wird von zwei kurzen Stücken der französischen Moderne gerahmt. Die aus Paris stammende Betsy Jolas ist unseren Konzertbesuchern bereits durch das Streichtrio «Les heures», das am 17.12.1991 zur Aufführung gelangte, bekannt. Sie war Schülerin von Milhaud und Messiaen und darf als die führende Komponistin Frankreichs der Gegenwart gelten. Sie hat viele Preise erhalten, Opern (u.a. Schliemann, 1989) und vor allem Kammermusik geschrieben.

Der Musik aus dem Frankreich des 20. Jahrhunderts stehen zwei wohlbekannte Meisterwerke Mozarts gegenüber. Sie bilden im Charakter durchaus auch unter sich ein Gegensatzpaar. Einerseits das wohl charakteristischste unter Mozarts Quartetten: Die Tonart d-moll gibt Mozart immer Anlass zu besonderer Intensität, so auch hier. Im Sotto voce-Einsatz wird zuerst die Erregung zurückgedrängt, doch kommt sie bald im Forte zum Ausbruch, und auch die Bewegung steigert sich ständig. Die Schönheit des Andante bringt Beruhigung; es ist aber kleingliedrig und von Pausen durchbrochen. Die Schroffheit des Menuetts kippt im Trio in fast unwirkliche Eleganz und Leichtigkeit, so als hätten wir es mit einer Serenade zu tun. Das Finale orientiert sich zwar an Haydns Finalthema aus op. 33/5, aber Mozarts d-moll ist weit entfernt von Haydns G-dur-Leichtigkeit. Dass auch Mozart das Leichtere, Freundliche beherrscht, zeigt das B-dur-Quartett. Und doch wird die Jagdmotivik im Kopfsatz nicht überbetont. Im Menuett verbinden sich die Ernsthaftigkeit der melodischen Linie im knapperen Hauptteil und tänzerische Heiterkeit imTrio. Zentrum des Werks ist mit seiner Intensität das Adagio, bevor das Finale an die heitere Grundstimmung des Kopfsatzes anknüpft. Auch dieser Satz ist eine Reverenz an Haydn. Mozart hatte den Satz zuerst imitatorisch kanonhaft beginnen wollen, um ihn dann von jeder spürbaren „schweisstreibenden Arbeit“ zu befreien. Vielleicht ist es das, was er mit der lunga e laboriosa fatica meinte: So lange feilen, bis das Schwere nicht mehr spürbar ist.

rs