Konzerte Saison 2000-2000

  • 11.1.2000
  • 20:15
  • 74Saison
  • Zyklus A
Stadtcasino Basel, Festsaal

Rosamunde-Quartett (München)

1982, keine zwei Jahre nach dem endgültigen Entscheid, sich ausschliesslich dem Quartettspiel zu widmen, gab das Rosamunde Quartett mit sensationellem Erfolg sein Debut. Die Kritik sprach vom „Sprung nach oben“ und von der Zugehörigkeit zur „Elite der hohen Streichquartett-Zunft“. Entscheidende musikalische Einsichten verdankt das Quartett dem Dirigenten Sergiu Celibidache. Der Wiener Andreas Reiner war Schüler von Werner Ehrenhofer und Itzhak Perlman; der Australier Simon Fordham studierte u.a. mit dem Amadeus Quartet. Helmut Nicolai spielte bei den Berliner Philharmonikern und war Solist unter Celibidache, während Anja Lechner, Schülerin u.a. von Heinrich Schiff und Janos Starker, sich auch der freien Improvisation und dem Tango Nuevo verschrieben hat. Konzertauftritte in aller Welt und CD-Einspielungen (Webern, Schostakowitsch, Burian) haben den Namen des Quartetts weithin bekannt gemacht. Wenig Bekanntes und Neues wie Werke von Goldmark, Burian, Górecki, Nono und Astor Piazolla prägen sein Repertoire. 1998 ist eine CD mit dem legendären argentinischen Bandeonisten Dino Saluzzi erschienen.
Literarische Quartette

Luigi Nono hat aus Friedrich Hölderlins Gedichten 47 Fragmente, 12 davon aus Diotima, entnommen und sie an 52 Stellen in die Partitur geschrieben, nicht als „naturalistische programmatische Hinweise“ oder zum verbalen Vortrag bestimmt. Nono versteht sie als „schweigende Gesänge aus anderen Räumen, aus anderen Himmeln, um auf andere Weise die Hoffnung nicht fahren zu lassen. (Die Ausführenden) mögen sie singen nach ihrem Selbstverständnis, nach dem Selbstverständnis von Klängen, die auf die zartesten Töne des inneren Lebens (Hölderlin) hinstreben.“ Ein Zitat, „...das weisst aber du nicht...“ aus Wenn aus der Ferne, kehrt fünfmal wieder und ist immer mit der Vortragsbezeichnung Mit innigster Empfindung aus Beethovens „Dankgesang“ (op. 132) verbunden. Das LaSalle Quartett hat das ihm gewidmete Auftragswerk der Stadt Bonn beim 30. Beethovenfest am 2. Juni 1980 in Bad Godesberg uraufgeführt und 1983 eingespielt, nachdem Nono den Wunsch nach einem Streichquartett in den fünfziger Jahren noch mit dem Versprechen, er wolle es sich überlegen, aufgeschoben hatte. 25 Jahre später ist das Werk entstanden. „Von solch ruhiger Reflexion ist tatsächlich etwas in das Stück selbst eingegangen. Es lässt sich Zeit. Es steht im Zeichen suspendierter Bewegung“ (Walter Levin). Eine Rückkehr des Avantgardisten zur Tradition also, ein Rückschritt des politisch engagierten Linken zur Konvention? Oder nur die von den Traditionalisten begrüsste Hinwendung zur „neuen Innerlichkeit“? Auf keinen Fall, meint Nono: „Ich habe mich keineswegs verändert. ... Ich will die grosse, aufrührerische Aussage mit kleinsten Mitteln.“ Die Klänge und Töne „aus dem Äther“ oder einer „geheimeren Welt“ muss man hören, darum geht es ihm: „Das Ohr aufwecken, die Augen, das menschliche Denken, die Intelligenz, die Exteriorisierung eines Maximums von Interiorisierung. Das ist heute das Entscheidende.“ So ist es wohl auch nicht entscheidend, wenn man das Ockeghem-Zitat nicht erkennt oder nicht merkt, dass Nono seine Material von jener Scala enigmatica ableitet, deren Harmonisierung 1888 eine Mailänder Musikzeitschrift als Aufgabe gestellt und die Verdi im Ave Maria seiner Quattro Pezzi sacri gelöst hat.

Hugo Wolf stellt dem Werk im Untertitel das Motto aus Goethes Faust „Entbehren sollst du, sollst entbehren“ voran. Als Stimmung des 19jährigen findet es im Grave der Einleitung seinen Ausdruck, es beherrscht aber den ganzen ersten Satz, der aus der Einleitung entwickelt wird. Grosse Intervallsprünge – eine Reminiszenz an Beethovens Grosse Fuge? – und starke Anspannung („wütend“ ist eine Vortragsbezeichnung) wechseln nur selten mit der Kantabilität des Seitenthemas ab. Im April 1879 schrieb Wolf, nachdem Scherzo und Kopfsatz entstanden waren, seinem Vater: „Quartett aufgegeben, weil es mir nicht gut genug schien, es zu vollenden.“ Gleichwohl komponierte er im Sommer 1880, als die Symptome der Syphilis, mit der er sich 18jährig angesteckt hatte, abgeklungen waren, in der Sommeridylle von Mayerling das Adagio. Dass dem leidenschaftlichen Wagnerianer das Lohengrinvorspiel und letztlich Beethovens „Heiliger Dankgesang“ aus op. 132 vorschwebten, verwundert kaum. Trotzdem fehlt die leidenschaftliche Unruhe auch hier nicht. Das am 16. Januar 1879 vollendete Scherzo, über dessen Stellung an 3. oder 2. Stelle Wolf schwankte, mit seiner punktierten Rhythmik lässt an Beethovens op. 95 (Serioso) denken, was auch kein Zufall ist. Erst mit dem 1884 nachkomponierten Finale kehren Heiterkeit und Gelöstheit ein. Es ist die Welt der Italienischen Serenade, die hier anklingt.

rs