Konzerte Saison 2002-2003

  • 29.10.2002
  • 20.15
  • 77.Saison
  • Zyklus B
Stadtcasino, Hans Huber-Saal

Carmina Quartett (Zürich) Rolf Lislevand, Gitarre

Stilistische Werktreue, technische Perfektion und musikalische Intensität prägen den konsequent beschrittenen Weg des 1984 gegründeten Carmina Quartetts in die Riege der führenden Streichquartette der Gegenwart. Begleitet wurde das Quartett dabei von so bedeutenden Lehrern und Mentoren wie Sandor Végh und Nicolaus Harnoncourt. Frühe spektakuläre Wettbewerbserfolge sicherten dem Carmina Quartett höchste Aufmerksamkeit der internationalen Fachpresse und führten es auf die wichtigsten Konzertpodien in alle Welt. Neben ihrer vielfältigen Konzerttätigkeit, welche regelmässige Auftritte mit Musikerpersönlichkeiten wie Olaf Bär und Mitsuko Uchida einschliesst, widmet sich das Ensemble intensiv der Realisierung ihres Repertoires auf CD. Die bisher bei Denon erschienenen Aufnahmen lösten bei Kritik und Publikum aussergewöhnlichen Erfolg aus und erreichten hohe Auszeichnungen wie den Gramophone Award oder den Diapason d’Or. Nach der intensiven Zusammenarbeit mit Nicolaus Harnoncourt orientiert sich das Ensemble an historischer Spielweise und mit dem entsprechenden Instrumentarium (Violinen: Christian Sager, Zürich, 2002, Viola: Julia van der Waerden, 1998, Violoncello: erminio Farina, Cremona, 18. Jahrhundert). Seit 1995 unterrichtet das Carmina Quartett als Quartet in Residence an der Musikhochschule Zürich/Winterthur. Das Quartett ist regelmässig bei uns zu Gast, heute zum zehnten Mal.

Rolf Lislevand, Gitarre

Der Gitarrist und Lautenist Rolf Lislevand studierte, nachdem ihm zunächst eher die Rockmusik zugesagt hatte, in seiner Heimatstadt Oslo klassische Gitarre. 1984 kam er an die Schola Cantorum Basiliensis, wo er mit Hopkinson Smith und Eugène Dombois arbeitete. In Basel kam auch die Begegnung mit Jordi Savall zustande, in dessen Ensembles Lislevand immer wieder mitwirkt. Seit 1987 lebt er in Verona, wo er sich intensiv mit der Erforschung der frühen italienischen Barockmusik beschäftigt. Er gibt viele Konzerte und macht Aufnahmen als Solist. Daneben unterrichtet er und entwickelt neue didaktische Methoden für die Instrumente der Lautenfamilie, etwa am Conservatoire National de Toulouse. Seit 1993 ist er Professor an der Staatlichen Hochschule für Musik im deutschen Trossingen.

Spanische Klänge

Den spanischen Mozart oder Schubert hat man ihn genannt, den keine zwanzig Jahre alt gewordenen Juan Crisóstomo Jacobo Antonio de Arriaga y Balzola aus Bilbao, der keine Gelegenheit hatte, über den Status des Wunderkinds hinauszutreten. Mit Mozart verbindet Arriaga sein Geburtstag: Auf den Tag genau 50 Jahre nach ihm wurde er am 27. Januar 1806 geboren. Und seine drei Quartette kann man, auch in der Qualität, mit den nur wenig zuvor und in vergleichbarem Alter entstandenen frühen Quartetten Schuberts vergleichen, mögen sie stilistisch auch nicht der Wiener Klassik angehören. Arriaga hatte bereits mit elf Jahren in Bilbao «begonnen, Quartette zu komponieren», wie sein Vater berichtet. Die drei bekannten Quartette entstanden in Paris, wo sich der junge Komponist seit Herbst 1821 aufhielt – und einer wahren Quartettmode begegnete. Trotz einer gewissen Bevorzugung der 1. Violine wenden sich seine Quartette vom Pariser Typus des Quatuor concertant ab, schon allein in ihrer Viersätzigkeit. Modern ist Arriaga weniger äusserlich (er belässt trotz der Bezeichnung Scherzo das Menuett), als im Verschleiern der Übergänge und in der Tonsprache. So ist er einer der ersten, der eine rein im Pizzicato zu spielende Passage wagt. Weitere Qualitäten der drei Werke sind harmonische Überraschungen, der sorgfältige Aufbau und die Schönheit der Melodik.

Haydns g-moll-Quartett gehört zu jener Sechsergruppe (je 3 in op. 71 und 74), die zwar dem Grafen Apponyi, einem Freimaurerfreund und alten Gönner, gewidmet, aber letztlich für Londons Konzertsäle und den dortigen Konzertmanager Salomon geschrieben wurde. Dies zeigt sich an der «Verknüpfung von quasi-symphonischer Eingängigkeit und raffinierter Detailarbeit» (W. Konold). Dazu gehört die neuartige «sinfonische» Introduktion des Kopfsatzes. Doch als einziges der sechs Quartette hat gerade das «Reiter-Quartett» keine solche, sondern geht direkt in medias res. Dies ist bei dem so sehr auf rhythmische Prägnanz setzenden Werk nicht verwunderlich. Seinen Beinamen verdient sich das Quartett ja nicht erst im Finale, sondern schon im Kopfsatz. Auch das Menuett findet nach schlichtem Beginn zwischendurch zu robuster Rhythmik. Die Tonart g-moll wirkt, abgesehen vom Trio des Menuetts, weniger im mozartschen Sinne; sie wird denn auch stets rasch vom helleren G-dur abgelöst. So gewinnt das feierlich-pathetische Largo in E-dur in seiner Ernsthaftigkeit besonderes Gewicht.

Der aus Lucca gebürtige Boccherini war über Paris 1769 nach Madrid gekommen. Im 18. Jahrhundert hatte sich – wie an mehreren Unterrichtswerken erkennbar ist – die Gitarre zum Konzertinstrument entwickelt. In den letzten Jahren des Jahrhunderts schrieb der Komponist, dessen finanzielle Situation schlecht war, 12 Klavierquintette (1797 und 1799) sowie 12 (?, teilweise verschollen, mindestens neun) Gitarrenquintette (1798 und 1799), trug aber letztere nicht in sein eigenhändiges Werkverzeichnis ein. Er wandte hier – wie auch sonst häufig – nach guter alter barocker Praxis das Parodieverfahren an und arbeitete bereits bestehende Sätze für die neue Besetzung um. Gleichwohl sind Charakter und Spieltechnik der Gitarre bestens getroffen. Im «Fandango»-Quintett adaptierte er je zwei Sätze aus Streichquintetten von 1771 und 1788. Der damals beliebte Fandango in d-moll bildet den Höhepunkt und wilden Abschluss des 4. Quintetts, auch wenn keine Kastagnetten dazu treten.

rs