Konzerte Saison 2002-2003

  • 15.2.2003
  • 19.30
  • 77.Saison
  • Zyklus A+B
Stadtcasino, Musiksaal

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Vesselina Kasarova, Mezzosopran Charles Spencer, Klavier

Die in Stara Zagora in Bulgarien geborene Mezzosopranistin Vesselina Kasarova studierte in Sofia, zunächst Klavier, später Gesang. Nach dem Abschluss wurde sie 1989 Ensemblemitglied des Opernhauses Zürich und gewann den ersten Preis beim Wettbewerb «Neue Stimmen» in Gütersloh. 1991 debütierte sie bei den Salzburger Festspielen (Annio in Mozarts «Titus»), kurz darauf in Wien als Rosina. Sie sang seither vor allem Rollen von Mozart und Rossini in ganz Europa (Genf, London, Wien, Salzburg, Barcelona, Berlin, München, Paris, Florenz, Rossini-Festival in Pesaro etc.) und in den USA (Chicago, San Francisco). Dabei arbeitete sie mit vielen namhaften Dirigenten zusammen. Noch immer ist sie regelmässig am Opernhaus Zürich zu erleben. Seit 1997 ist sie Schweizer Bürgerin und lebt in Zürich. Sie gilt als eine der bedeutendsten lyrischen Mezzosopranistinnen unserer Zeit, die bei ihren Auftritten überall grössten Erfolg erntet. Neben ihrer Opernkarriere pflegt Vesselina Kasarova seit langem das Lied.

Der in Yorkshire, England, geborene Charles Spencer studierte an der Royal Academy of Music; später setzte er als Stipendiat der österreichischen Regierung sein Studium in Wien fort. Heute zählt Spencer zu den gefragtesten Liedpianisten. Er war zwölf Jahre lang ständiger Liedbegleiter von Christa Ludwig und musizierte mit Peter Schreier, Gundula Janowitz, Jessye Norman, Marjana Lipovsek, Thomas Hampson u.a.m. Zur Zeit arbeitet er mit verschiedenen Sängerinnen und Sängern an einer Gesamtaufnahme der Lieder von Brahms. Er ist Professor für Liedinterpretation an der Hochschule für Musik in Wien und gibt ausserdem Meisterklassen in Deutschland, Japan und Tel Aviv. Im vergangenen Jahr war er als Partner von Thomas Quasthoff bereits in diesem Rahmen zu hören.

Zwischen Lied und Oper

118 Vertonungen des Ariadne-Stoffs, wovon 67 Opern, soll es geben; viele davon gehören zu den frühesten Werken dieser Art überhaupt. Zentral in diesem Handlungsrahmen ist jeweils das Lamento d´Arianna, wie es etwa von Monteverdi (1623) erhalten ist. Haydn beschränkte sich in seiner wohl 1789 entstandenen Kantate (erstmals erwähnt in einem Brief vom 9. Februar 1790 an Frau von Genzinger) auf die in der Besetzung reduzierte Form einer klavierbegleiteten Kantate. Er schildert Ariadne hin und her gerissen zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Dabei erhält in den leidenschaftlichen Rezitativen das Klavier den Hauptanteil am musikalischen Material, während die dramatisch geführte Singstimme ein lebendiges Porträt der unglücklich Liebenden zeichnet. In der Schlussarie steht ein langer langsamer Teil in F-dur einem wild rasenden in f-moll gegenüber. Der Schlussakkord, dem Klavier allein vorbehalten, wechselt überraschend zurück nach F-dur.

Die meisten französischen Komponisten des 19. Jahrhunderts pflegten das Kunstlied. Von Gounod liegen neben fünf Sammlungen mit zwanzig Liedern aus den Jahren 1867 bis 1880 weitere aus der Frühzeit und solche religiösen Charakters (Chants sacrés) vor. Da Gounods Schaffen von der Melodie bestimmt ist, fiel es ihm nicht schwer, «Mélodies» (so der Titel der frühen, in Rom entstandenen Lieder) zu schreiben. Diese frühen Lieder, welche eine Erneuerung der damals zur Banalität herabgesunkenen französischen Romanzen bildeten, sind reich an Gefühlsgehalt. Bereits damals, erst recht aber in den späteren Liedern, wird neben der melodischen Linie ein neuer Deklamationsstil bedeutsam, welcher die musikalische Phrase mit der literarischen verschmilzt. Die musikalisch bekanntlich nicht einfach zu behandelnde französische Sprache gewinnt aus dieser Deklamation ihren natürlichen Fluss. Dies weist bereits auf Debussy (Pelléas et Mélisande) voraus.

Trotz seinem frühen Tod - Gounod hielt bei der Trauerfeier die Totenrede, brach dabei aber zusammen und konnte sie nicht beenden - hat Bizet mehr als vierzig Lieder komponiert. Er ist, etwa in den Pêcheurs de perles, durchaus von der Melodik Gounods geprägt. Diese wirkt sich auch auf seine Lieder aus. Einige der wichtigsten Lieder, so auch die heute gesungenen, sind während der Endphase der Komposition an der Sinfonie Roma entstanden.

Unter den Liedern von Brahms gibt es einige, die in ganz besonderer Weise herausragen. Zu ihnen gehört sicher die eine einzigartige Ruhe ausstrahlende Feldeinsamkeit, ein Mittagstraum in freier Natur. Über einem ostinaten Klavierbass, der von sanften Akkorden überhöht wird, erhebt sich pianissimo in zauberhafter Stimmung eine in grossen Bögen ausschwingende Melodie, nur einmal kurz und leicht im Klavier gebrochen bei der Stelle «mir ist, als ob ich längst gestorben bin». Ebenfalls ruhig, in sanftem Sechsachtelschlag der Wellen, beginnt Heines Meerfahrt, erfährt aber zwischendurch dunkle Akzente und eine unheimliche Steigerung in der 2. Strophe, bevor scheinbar die Anfangsstimmung zurückkehrt. Geradezu populär ist Von ewiger Liebe, wo nach volksliedhaftem Beginn dramatische Zuspitzungen und eine hymnische Schlusssteigerung weit über das im Volkslied Übliche hinausführen.

Schon als sieben-, achtjähriger Junge schrieb Tschaikowsky, dessen Mutter französische Vorfahren hatte, auf Französisch eine dichterische Biographie der Jungfrau von Orléans. Über dreissig Jahre später kehrte er zu diesem Stoff zurück und dichtete nach Schillers Vorlage einen Operntext; er komponierte ihn - ein Jahr nach Eugen Onegin - 1878/79 (Uraufführung 1881 am MarjinskiTheater in St. Petersburg). Im bei uns selten zu hörenden Werk (1998 an der Opéra du Rhin) nimmt gegen Ende des 1. Aktes Jeanne in einer anrührenden Arie, die bei Schiller dem 4. Auftritt des Prologs entspricht, Abschied von ihrem unschuldigen Jugendleben und der ihr vertrauten Landschaft.

Zwischen Lied und Oper steht Rossinis drei Jahre nach seiner letzten Oper Guillaume Tell für Olympe Pélissier, die 1846 seine zweite Frau werden sollte, komponierte Kantate: Der Besetzung nach ein Lied, im Charakter eher eine Opernszene. Jeannes Abschied von ihrer Mutter und die Vision vom Aufbruch in den Kampf für Charles VII ist dramatisch konzipiert: eine gran scena. So umfasst sie ein Vorspiel, rezitativische und lyrischariose Passagen, zuletzt eine krönende Cabaletta mit Stretta. Auch der Gesangsstil wird entsprechend eingesetzt: dramatische Rezitative, lang gesponnene Kantilenen und reiche Fiorituren im Schlussteil charakterisieren einzelne Abschnitte. Olympe Pélissier scheint die Kantate nie gesungen zu haben. Nach einer Revision im Jahre 1852 wurde sie 1859 anlässlich einer jener berühmten Soirées musicales chez Rossini von Marietta Albon erstmals aufgeführt.

rs