Konzerte Saison 2002-2003

  • 25.2.2003
  • 20.15
  • 77.Saison
  • Zyklus A
Stadtcasino, Festsaal

Artemis Quartett (Berlin)

Das Artemis Quartett wurde 1989 von Studenten der Musikhochschule Lübeck gegründet und spielt seit 1994 in seiner heutigen Besetzung. Es studierte zunächst bei Walter Levin, mit dem es bis heute eine enge Zusammenarbeit verbindet. Weitere Mentoren waren das Emerson, das Juilliard und das Alban Berg Quartett. Beim letztgenannten legte es 1997–1999 ein Studienjahr in Wien ein, um sein Repertoire zu erweitern und zu vertiefen. Der Gewinn des Deutschen Musikwettbewerbs in Bonn 1995 und zwei weitere bedeutende 1. Preise (ARD-Wettbewerb / Premio Paolo Borciani) 1996/97 machten den Weg frei zu einer Karriere in Europa und in den USA. Trotzdem war dem Quartett die Qualität seiner Arbeit wichtiger als diese schnelle Karriere. Nach dem Studienjahr beim Alban Berg Quartett ging es 1999 zusammen mit Walter Levin ans Wissenschaftskolleg in Berlin, um in Kontakt mit herausragenden Persönlichkeiten (Historikern, Mathematikern, Physikern, Soziologen, Schriftstellern etc.) zu treten.

Heute gastiert das Artemis Quartett bei allen wichtigen Festivals und in den bedeutendsten Konzertreihen. Es führte eigene Konzertzyklen beim WDR in Köln und in Paris und arbeitet mit bekannten Künstlern zusammen. 1996 lud es das Alban Berg Quartett ein, beim Film «Der Tod und das Mädchen» von Bruno Monsaingeon mitzuwirken.

Das demokratische Selbstverständnis des Artemis Quartetts spiegelt sich im Wechsel von 1. und 2. Violine. In seinen Programmen stellt es gerne klassisch-romantische Werke solchen des 20. Jahrhunderts und Uraufführungen gegenüber. Seine Platteneinspielungen erhielten beste Kritiken; die Beethoven-Aufnahme (op. 59/3 und 132) erhielt den «Jahressonderpreis der Deutschen Schallplattenkritik».

Beethoven wollte sein Opus 95 ursprünglich vom breiteren Publikum fernhalten. Obwohl es sein knappstes Streichquartett ist, kommt es keineswegs einfach daher. Es entstand in einer Phase schwerer persönlicher Krisen, die auf Jahre hinaus zu einer Produktionshemmung führten, und kommt düster, introvertiert und schroff in Klang und Thematik (man höre nur das unisono-Eingangsmotiv) zugleich daher. Seine formale und satztechnische Konzentration weist auf die späten Quartette voraus. Es kennt keine Überleitungs- oder Entspannungsabschnitte, so dass die Knappheit nicht nur zu Kürze, sondern auch zu ausserordentlicher Dichte führt. Das Allegretto, das den langsamen Satz vertritt, lässt nicht – wie die Bezeichnung erwarten lässt – behagliche Entspannung aufkommen. Erst recht dem Scherzo spricht Beethoven mit der Zusatzbezeichnung ma serioso jegliche Heiterkeit ab. Kein Wunder, dass er das Werk als Ganzes ausdrücklich als Quartetto serioso bezeichnete und verstanden wissen wollte – als erschütterndes Gegenstück zum so heiter wirkenden, ein Jahr zuvor komponierten «Harfenquartett» op. 74.

György Kurtág darf heute neben Ligeti als der bedeutendste Komponist Ungarns gelten. Er studierte bei Sandor Veress und Ferenc Farkas, sowie – in Kammermusik, die er heute selber gerne unterrichtet – bei Leo Weiner. Der Einfluss von Bartók und des Schönberg-Kreises, speziell Weberns, haben seinen Stil geprägt. Dies gilt besonders für die Mikroludien, die er seinem Budapester Kollegen, dem Dirigenten und Komponisten András Mihály, zum 60. Geburtstag gewidmet hat. Die zwölf Aphorismen mit einer Dauer von zwölf Sekunden bis knapp zwei Minuten zeigen, so eigenständig und eigenwillig sie auch sind, die erwähnten Merkmale: Von Webern stammt die durchstrukturierte Kürze ohne dessen wienerische Expressivität, von Bartók die repetitive Rhythmik und das periodische Denken, das Kurtág selbst einmal so beschrieb: «Es geschieht etwas – und es wird geantwortet.»

Dvorák schrieb das G-dur-Quartett in gut einem Monat Ende 1895, einige Zeit nach seiner Rückkehr aus New York. Zuvor war er nicht zur Arbeit, auch nicht zur Vollendung des As-dur-Quartetts (op. 105), das er in New York begonnen hatte, fähig gewesen. Auf einmal war alles anders: «Ich bin jetzt sehr fleissig. Ich arbeite so leicht und es gelingt mir so wohl, dass ich es mir gar nicht besser wünschen könnte.» Diese «erste Komposition nach der zweiten Rückkehr aus Amerika» (so das Titelblatt) lässt die neue Stimmung erahnen. Zwar ist die Melodien- und Klangseligkeit des «Amerikanischen Quartetts» op. 96 zurückgedrängt und man beobachtet verstärkte motivische Arbeit, doch im Formalen ist trotz dem grossen Umfang des Werks alles konzentriert und durchgearbeitet. Im 1. Satz ist der harmonische Reichtum bemerkenswert. Das Adagio steht in Es-dur mit häufigem Wechsel nach Moll und ist als freier Variationssatz gestaltet. Das Scherzo in h-moll weist zwei Trio-Abschnitte auf: einen kantablen in As-dur und einen ländlerartigen in D-dur. Pentatonische Motive lassen Erinnerungen an «Amerikanisches» wach werden. Höhepunkt ist das Finale, das auch das in der Romantik so schwierige Problem des Schlusssatzes formal klug löst. Nach einer Andante-Einleitung, die in der Mitte des Satzes wiederkehrt, greift es – typisch für die Spätromantik – Motive des Kopfsatzes auf, stellt sie aber in überraschende Zusammenhänge und Gegenüberstellungen.

rs

Ludwig van Beethoven 1770-1827

Streichquartett Nr. 11, f-moll, op. 95 «Serioso» (1810)
Allegro con brio
Allegretto ma non troppo
Allegro assai vivace ma serioso
Larghetto espressivo - Allegretto agitato

György Kurtág 1926-

Hommage à Mihaly András: 12 Mikroludien für Streichquartett op. 13 (1977/78)

Antonín Dvorák 1841-1904

Streichquartett Nr. 13, G-dur, op. 106, B 192 (1895)
Allegro moderato
Adagio ma non troppo
Molto vivace
Finale: Andante sostenuto – Allegro con fuoco