Konzerte Saison 2016-2017

  • 25.10.2016
  • 19:30
  • 91.Saison
  • Zyklus A
Oekolampad Basel

Asasello Quartett (Köln)

Die aus Russland, der Schweiz, Polen und Finnland stammenden Musiker des Asasello-Quartetts haben sich durch ihre packende Unmittelbarkeit sowie den selbstverständlichen Umgang mit der Musik der Gegenwart, parallel zum klassisch-romantischen Repertoire, einen hervorragenden Ruf erspielt. Das Quartett wurde im Jahr 2000 in der Kammermusikklasse von Walter Levin in Basel gegründet. Nach Abschluss der Studien in Basel wurde es von 2003 bis 2006 in die Meisterklasse des Alban Berg Quartetts in Köln aufgenommen und studierte ausserdem Neue Musik bei David Smeyers. Der 1. Preis beim Wettbewerb des Migros-Kulturprozentes 2003 in Zürich bildete den Auftakt zu einer internationalen Konzerttätigkeit. 2005 und 2007 entstanden zwei CD-Aufnahmen in Eigenproduktion, 2008 fand im Lötschental erstmals das «Musikalische Wochenende Fafleralp» unter künstlerischer Leitung des Quartetts statt, u. a. mit der Uraufführung des vierten Streichquartetts von Rostislav Kozhevnikov. Mit der eigenen Konzertreihe «1:1 – Schon gehört?» profiliert sich das Asasello-Quartett, unterstützt durch die Stadt Köln, seit 2008 als junges und innovatives Ensemble in seiner neuen Heimatstadt. 2009 gewann es den zweiten Preis beim ersten Internationalen Kammermusikwettbewerb in Hamburg.

Höhepunkte der letzten Jahre waren das Italien-Debüt mit der Aufführung sämtlicher Mozart-Quartette in Venedig oder die Einladung zum Festival «Junge Streichquartette 2012» des WDR in Köln. 2014 war das Asasello-Quartett bei prominenten Festivals in Frankreich und der Schweiz zu Gast. 2015 folgten drei Gastspiele beim Internationalen Beethovenfest in Bonn. Zuletzt veröffentlichte das Asasello-Quartett zwei CDs, «Echtzeit» mit Werken von Michael Jarrell, Conlon Nancarrow und Rolf Riehm sowie «Marmarai» mit Werken von Atac Sezer, Matthias Pintscher und Ahmed Adnan Saygun. Bereits 2009 waren Einspielungen mit Werken von Felix Mendelssohn und Fanny Hensel sowie mit Franz Schuberts ‚Der Tod und das Mädchen‘ und Alfred Schnittkes Streichquartett Nr. 3 erschienen.

Mendelssohn war ein komponierendes Wunderkind. Sein erstes Streichquartett in Es-dur entstand 1823 (ohne Opuszahl, veröffentlicht 1879), ein Schulwerk, das sich an Haydn und Mozart orientierte. Das erste vollgültige Quartett (a-moll op. 13) schrieb er von Juli bis Oktober 1827. So ist das Es-dur-Quartett op. 12, am 14. September 1829 in London vollendet, eigentlich die Nummer 3. Dass es die Nummer 1 trägt, beruht auf der Publikation in «falscher» Reihenfolge im Jahr 1830. Mit den Quartetten op. 13 und op. 12 hat Mendelssohn höchstes Niveau erreicht. Gründe für die Steigerung sind die rasche Entwicklung des Komponisten und sein genaues Studium von Beethovens mittleren und späten Streichquartetten, die gerade erst 1826 und 1827 erschienen waren. Im op. 12 hat man Einflüsse von Beethovens op. 74 (1809) und op. 127 (1822/24) festgestellt. Im Formalen und im Satzcharakter allerdings hat Mendelssohn in den vergangenen Jahren den Weg zum eigenen Stil beschritten. Typisch sind das Lyrisch-Cantable sowie rasch bewegte Leichtigkeit. Beides finden wir im op. 12. Der Beginn des Kopfsatzes ist liedhaft; der Hauptteil legt an Bewegung zu, wird aber häufig von lyrischen Phasen unterbrochen. In Durchführung und Coda fügt Mendelssohn geradezu unklassisch ein drittes Thema ein. Am besten erkennbar ist das Abgehen vom Klassischen im «Scherzo-Ersatz», der intermezzoartigen Canzonetta mit einem dahinhuschenden Trio: Der Tanzsatz wird zu einer Art Lied ohne Worte. Das folgende zweiteilige Andante, dominiert von der 1. Violine, ist wieder lyrisch gehalten. Es wirkt wie eine Einleitung zum meist in c-moll gehaltenen Finale, welches denn auch attacca anschliesst. Hier setzt vehement und virtuos ein Feuerwerk von Spielformen ein. Doch auch hier wird die Bewegung von liedhaften Elementen und Rückgriffen auf den Kopfsatz unterbrochen. Zuletzt kommt alles in einem lyrischen Abgesang zur Ruhe – mit einem Zitat vom Ende des ersten Satzes.

Vergleichbar mit Mendelssohn am Beginn der Romantik steht an deren Ende mit Korngold ein weiteres Komponisten-Wunderkind. Er war der zweite Sohn des Juristen und Musik(wissenschaftl)ers Julius Korngold, der seit 1901 als Nachfolger Eduard Hanslicks der renommierte und gefürchtete Kritiker der Neuen Freien Presse war. Er bestimmte in Wien, welche Musik gut sein durfte und welche nicht. Korngold junior feierte mit Aufführungen des Balletts «Der Schneemann» (1910) und der Oper «Violanta» (1914) an der Wiener Hofoper Riesenerfolge. Mahler («Ein Genie! Ein Genie!»), Strauss und Puccini bewunderten ihn. Sein Stil, eine üppige Klanglichkeit mit fortschrittlichen Elementen, ist eine Mischung von Spätestromantik, Modernismen und (Wiener) Jugendstil. Grosse Sensation machte 1920 die Oper «Die tote Stadt», die derzeit am Theater Basel gespielt wird. In den Zwanzigerjahren begann dieser Ruhm zu verblassen. Korngold komponierte einiges an Kammermusik – als Erholung von den grösseren Besetzungen. Die drei Streichquartette sind zwischen 1920 und 1945 jeweils im Abstand von gut zehn Jahren entstanden, das zweite im Sommer 1933 in Gmunden am Traunsee. Im Vergleich zum 1. Quartett (1920-23) mit seiner kühnen Harmonik wirkt es eher verhaltener und zeigt gelegentlich wienerische Melancholie. Im Kopfsatz von klassischer Form stehen sich ein Agitato und ein ruhigeres synkopiertes Thema gegenüber. Heiteres fehlt nicht, wie das humorvolle kurze Intermezzo mit populären Floskeln und rhythmischen Überraschungen beweist. Geheimnisvoll unbestimmt beginnt das Larghetto mit Flageolettklängen, auf die eine klagende Melodie in harmonisch reicher Klanglichkeit folgt. Als wollte er diese Stimmung wegwischen, lässt Korngold, der sich intensiv mit Musik von Johann Strauss auseinandergesetzt hat, als Finale einen Wiener Walzer erklingen, der mehrfach variiert mit ständigen Tempowechseln aufwartet. Ob es die richtige Musik für die Zeit war? Wie bereits das 1., Arnold Rosé gewidmete Streichquartett wurde das zweite vom Rosé-Quartett in Wien uraufgeführt, und zwar am 16. März 1934. Im selben Jahr fuhr Korngold auf Einladung von Max Reinhardt erstmals nach Amerika, um Mendelssohns Sommernachtstraum-Musik für dessen Hollywood-Film zu bearbeiten. Filmmusik brachte ihm grosse Erfolge (Oscars 1936 und 1938). 1938 siedelte er nach Hitlers «Anschluss» Österreichs definitiv nach Amerika über und wurde amerikanischer Staatsbürger.

rs

Jost Meier wurde 1939 in Solothurn geboren. Nach seinen Studien war er zunächst als Cellist im Tonhalleorchester Zürich und in der Camerata Bern tätig. Er war 1969 Mitbegründer der Orchestergesellschaft Biel (heute Sinfonie Orchester Biel Solothurn) und 10 Jahre Leiter dieses Ensembles. Nach einem Engagement als Dirigent am Basler Theater ist Jost Meier seit 1983 freischaffender Komponist und Dirigent. Er lebt in Basel und in Arcegno (TI). Zu Meiers wichtigsten Werken gehören die Opern «Sennentuntschi» (UA Freiburg i. Br. 1983), «Der Drache» (UA Basel 1985), «Augustin» (UA Basel 1988), «Pilger und Fuchs» (UA Biel 1994), «Dreyfus» (UA Deutsche Oper Berlin 1994). 1999 komponierte er die Musik für die alle 25 Jahre stattfindende «Fête des Vignerons» in Vevey. Neben den Oratorien «Vom Ende der Zeit», «Le temps et l’éternité» und «Francesco di Assisi» sind vor allem die Orchesterwerke «Musique concertante» (komponiert für eine Amerika-Tournee des Orchestre de la Suisse Romande), «Ascona», «A l’origine», «Adullam» (UA Biel 2014) und «Scènes fictives» (UA Basel 2014) hervorzuheben. Aus dem reichen Oeuvre für Kammermusik sind 2 Klarinettentrios, ein Klaviertrio über Adolf Wölfli und die «Sonata a cinque» hervorzuheben. Für Streichquartett komponierte Meier «Lamentations», «Cordano» für Horn und Streichquartett und einen 2015 in Basel uraufgeführten Zyklus mit Gedichten von Garcia Lorca für Sopran und Streichquartett. Derzeit ist er mit der Komposition einer neuen Oper beschäftigt – «Marie und Robert» (nach Paul Haller) wird im Herbst 2017 am Theater Biel Solothurn Premiere haben.

Das im Auftrag der Gesellschaft für Kammermusik Basel komponierte «Streichquartett 2015» besteht aus einem Prolog, einem Epilog und drei Hauptsätzen, die durch eigenständige Zwischenspiele verbunden sind. Diese Zwischenspiele sind wichtige Bausteine des Werks, da in ihnen das thematische Material des jeweils folgenden Satzes entwickelt wird. Die Basis zu diesem neuen Quartett bilden die leeren Saiten der Instrumente und deren Obertöne. Der Prolog geht aus von der leeren E-Saite – der Epilog ist eine kurze, gespenstische Farce über die zugrunde liegende Idee. Wie in vielen anderen meiner Kompositionen spielt auch in diesem Werk das Gestische eine grosse Rolle, das sich aber konkreten Vorgaben verweigert. Abrupte Kontraste, schwebende Klänge, hektische Rhythmen, häufige Tempomodifikationen sowie der häufige Wechsel zwischen Solo- und Tutti-Passagen bieten dem Zuhörer mannigfaltige Freiräume für eigene Assoziationen und Emotionen.

Jost Meier

Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847

Streichquartett Nr. 1, Es-dur, op. 12 (1829)
Adagio non troppo – Allegro non tardante
Canzonetta: Allegretto – Più mosso
Andante espressivo –
Molto allegro e vivace

Erich Wolfgang Korngold 1897-1957

Streichquartett Nr. 2, Es-dur, op. 26 (1933)
Allegro
Intermezzo
Larghetto
Waltz

Jost Meier 1939-2022

Streichquartett (Auftragswerk der Gesellschaft für Kammermusik Basel) (2015)
Prolog. Andante con moto – Allegro non troppo
I. Andante non troppo – Allegro con moto – Andante cantabile –
Allegro non troppo
Zwischenspiel 1
II.
Zwischenspiel 2 (Viertel = MM 68)
III. Poco allegro (Achtel = MM 126-128)
Epilog