Konzerte Saison 1943-1944

  • 29.2.1944
  • 20:00
  • 18.Saison
Stadtcasino, Festsaal

Am Vorabend um 20 Uhr im Saale des Kaufmännischen Vereins

Basler Streichquartett [1926-1947] (Basel)

Mit Beethovens Quartetten des Opus 18 endet die Streichquartettkomposition des 18. Jahrhunderts. Sie beziehen sich noch auf die Haydns und Mozarts. Und doch spürt man, dass hier ein Komponist, der sich erstmals der Gattung zuwendet, neue Wege sucht. Für sein A-dur-Quartett hat sich Beethoven dasjenige aus Mozarts «Haydn-Quartetten» (KV 464), das er besonders schätzte, zum Vorbild genommen. Zu Czerny hat er darüber einmal gesagt: «Das ist ein Werk!» Neben der Tonart sind auch die Satzfolge, die Satzgattungen und -bezeichnungen gleich. Beide Male steht das Menuett an zweiter Stelle. Der dritte Satz ist jeweils ein Variationensatz in D-dur, bei Beethoven jedoch mit nur fünf Variationen gegenüber sechs bei Mozart. Man darf dieses Quartett als Hommage an Mozart verstehen. Der Kopfsatz steht im leichten 6/8-Takt. Sein Hauptthema ist zunächst von einer Art Einleitung mit einem Forte-Akkord sowie aus drei jeweils von drei Achteln geformten Motiven gebildet. Das Seitenthema in e-moll beginnt in Takt 25 und weist gut vernehmliche kleine Sekundschritte (meist aufwärts, Achtel zu Viertel) auf, dazu einen einfachen, unverkennbaren Rhythmus. Die Durchführung arbeitet ebenfalls mit diesen Elementen. Das Menuett beginnt als Duett der beiden Geigen; sie werden nach zwölf Takten in der Wiederholung von Bratsche und Cello abgelöst. Der zweite Menuett-Teil ist auffallend lang (56 Takte). Das Trio hält sich an die bewährte Achttakteregel mit acht bzw. 16 Takten. Sein ländlerhaft klingendes Thema spielen 2. Geige und Bratsche im Duett; daneben erklingt eine rhythmisch gleichförmige Begleitung durch die anderen Instrumente, deren Reiz in der Gemeinsamkeit der Sforzati auf dem unbetonten dritten Taktteil liegt.

Die drei Opera 132, 130 (inkl. op. 133) und 131 – dies die Entstehungsreihenfolge – weisen einige Besonderheiten und Gemeinsamkeiten auf. Als einzige Beethovenquartette gehen sie mit fünf, sechs resp. sieben Sätzen über die Viersätzigkeit hinaus. Zudem sind sie durch Motivverwandtschaft, die von einer Keimzelle aus vier Tönen in zwei gegenläufigen Halbtonschritten (dis – e / c – h) ausgeht, verbunden. Das mag beim Hören unbemerkt bleiben, doch zeigt die Analyse die geheime Klammer auf. Im cis-moll-Quartett tritt das Motiv zu Beginn der Fuge in den Tönen zwei bis fünf (his – cis / a – gis) auf. Hatte die Originalfassung des op. 130 mit einer Fuge geendet (so am 19.10.1999 zu hören), so beginnt op. 131 ebenfalls mit einer solchen, wenn sie auch keine „Grosse“ und keine so schwierige ist. Einheitlich geschlossen wirkt das „wohl Schwermütigste, was je in Tönen ausgesagt worden ist“, wie sich Richard Wagner ausgedrückt hat. Der 2. Satz im 6/8-Takt übernimmt den Oktavsprung vom Ende der Fuge einen Halbton höher, der improvisationsartig wirkende 3. Satz reduziert ihn auf die Quinte. Mit nur elf Takten, von denen die letzten vier Adagio zu spielen sind, bildet er die Überleitung zum Werkzentrum, der umfangreichen tiefgründigen Variationenfolge. Der fünfteilige 5. Satz ist ein Scherzo mit Trio im Schema ABABA. Nach der teilweise sul ponticello zu spielenden Coda geht erattacca in ein 28-taktiges Adagio über. Es ist zwar selbständig gehalten, bildet aber eine Art langsame Einleitung zum Finale. Hier ist am Beginn mit den Tönen gis – a / cis – his wieder das Grundmotiv fassbar. Mit drei heftigen fortissimo-Akkorden endet das komplexeste der Beethoven-Quartette.
Mit Beethovens Opus 18 steht die Komposition von Streichquartetten im Moment eines entscheidenden Wandels. Es ist kein Zufall, dass dies genau im Zeitpunkt der Jahrhundertwende geschah: Die Klassik eines Haydn und Mozart, die noch vor nicht allzu langer Zeit im Gewande des Rokoko daher gekommen war, neigte sich ihrem Ende zu, eine neue Klassik, die sich mit romantischen Elementen verbinden sollte, stand am Horizont. 1797 hatte Haydn die Quartette op. 76 komponiert und sie 1799 veröffentlicht; in diesem Jahr entstand auch das unvollständige op. 77. Zur gleichen Zeit arbeitete Beethoven erstmals an Streichquartetten. Zuvor oder gleichzeitig hatte er sich in erstaunlicher Weise fast allen Kammermusikgattungen gewidmet und folgende Werke einer Opuszahl, d.h. der Veröffentlichung gewürdigt: Klaviertrios (op.1; um 1794), Klaviersonaten (op. 2, 7, 10, 13 und 14; 1795-99), Streichquintett (op. 4 nach einem früheren Bläseroktett), Cellosonaten (op. 5; 1796), Streichtrios (op.3, 8 und 9; 1798), Violinsonaten (op.12; 1797), Klavierquintett mit Bläsern (op.16; 1796), Hornsonate (op. 17; 1800). Jetzt war die Zeit reif, fühlte er sich reif für die Komposition und Veröffentlichung von Quartetten - kurz danach sollte die 1. Sinfonie folgen.

Natürlich wurzeln die sechs Quartette noch im 18. Jahrhundert und berufen sich auf Haydn und Mozart. Noch einmal taucht auch jene Sechserzahl für ein Opus auf, die für Haydn die Regel gewesen war. Sie zeigen aber auch die Suche nach dem eigenen Stil. (...)

Im Jahre 1800, nach Abschluss aller sechs Quartette, überarbeitete Beethoven die Nummern 1 bis 3 grundlegend. (...) Die zuerst entstandene Nr. 3 wirkt freundlich-melodiös und endet mit einem Finale in virtuoser Entladung von Spielfreude, schliesst aber ganz überraschend-witzig im Pianissimo. Hier ist Haydn ganz nah. (...)

Ludwig van Beethoven 1770-1827

Streichquartett Nr. 5, A-dur, op. 18, Nr. 5 (1798/99)
Allegro
Menuetto
Andante cantabile
Allegro
Streichquartett Nr. 14, cis-moll, op. 131 (1826)
Adagio ma non troppo e molto espressivo
Allegro molto vivace –
Allegro moderato / Adagio / Più vivace –
Andante ma non troppo e molto cantabile –
Presto –
Adagio quasi un poco andante –
Allegro
Streichquartett Nr. 3, D-dur, op. 18, Nr. 3 (1798/1800)
Allegro
Andante con moto
Allegro – Minore – Maggiore
Presto