Waren seine beiden ersten Streichquartette (op. 51/1 und 2 in c- und a-moll von 1865 bis 1873), vor denen Brahms laut einer Äusserung einem Freund gegenüber „bereits über 20 Quartette“ komponiert haben soll, durch romantische Expressivität und Leidenschaftlichkeit bestimmt, so kann das dritte als geradezu klassisch oder sogar klassizistisch gelten. Es ist schlichter und weniger von motivischer Arbeit geprägt als die beiden Vorgänger und dazu vorwiegend heiter; es überrascht mit mehr Freiheit und Anspielungen. Brahms dürfte nach dem endlich gelungenen Abschluss der 1. Sinfonie richtig entspannt gewesen sein. Er musste nun weder sich noch der musikalischen Welt beweisen, was er alles beherrscht und was für eine anstrengende Sache anspruchsvolles Komponieren ist. Das Quartett entstand im Sommerurlaub 1875 im hübsch gelegenen Ziegelhausen am Neckar östlich von Heidelberg, wo Brahms auch an der 1. Sinfonie gearbeitet hatte. Im Mai 1876 spielte das Joachim-Quartett das Werk im privaten Rahmen bei Clara Schumann in Berlin, im Herbst öffentlich ebenfalls in Berlin; kurz danach folgte das Hellmesberger-Quar-tett in Wien. Schon der Beginn mit einer (bewussten?) Anspielung auf die Hornrufe von Mozarts Jagdquartett KV 458 oder vielleicht auch als Selbstzitat aus dem Scherzo des Streichsextetts op. 18, beides Werke in B-dur, gibt den Grundton an. Rhythmisch wird das Spielerische durch die Gegenüberstellung und zeitweise Überlagerung von 6/8- und 2/4-Takt geleistet. Das romanzenhafte Andante in F-dur zeigt dreiteilige Liedform, wobei der Mittelteil, meist in d-moll, freier und dramatischer ist. Besonders angetan war Brahms vom dritten Satz, den er als zärtlich und leidenschaftlich zugleich auffasste. Es handelt sich eher um ein Intermezzo als um ein echtes Scherzo, das zudem Elemente aus dem bereits scherzohaften Hauptthema des Kopfsatzes übernimmt. Auffällig ist die führende Rolle der Bratsche, um deretwillen sogar Geigen und Cello mit Dämpfer zu spielen haben. Dafür hat sie am Beginn des a-moll-Trios zu schweigen, als ob Brahms auf die Bezeichnung dieses Teils anspielen wollte. Bald darf sie aber auch hier ihre Führungsrolle wieder übernehmen. Die Klanglichkeit dieser Instrumentation gibt dem Satz etwas Notturnohaftes. Das Finale mit Thema und acht Variationen, in denen Brahms seine Meisterschaft in dieser Form beweist, erhält auch umfangmässig das grösste Gewicht im Quartett. Anspielungen fehlen auch hier nicht: Taucht da nicht in der 7. Variation das Jagdthema aus dem Kopfsatz wieder auf und spielt im Variationenreigen mit?
Dvořáks C-dur-Quartett op. 61 ist eher selten zu hören und wird auch gelegentlich kritisiert. Alec Robertson befindet in seiner Dvořák-Biographie von 1945 (deutsch 1947): «Für das C-dur-Quartett kann man Bewunderung, aber keine Liebe empfinden.» Vielleicht lag es an der Entstehungsgeschichte. Das Quartett war ein Auftrag des Wiener Geigers Joseph Hellmersberger jun. von 1881. Dvořák sah keinen Grund zur Eile, arbeitete er doch gerade an seiner Oper Dimitrij. Da erfuhr er aus der Presse, dass das Hellmersberger-Quartett sein Werk am 15. Dezember in Wien aufführen werde. Er machte sich rasch ans Werk und schrieb das Stück zwischen dem 25. Oktober und 10. November. Das erklärt wohl, warum Dvořák auf frühere, nicht verwendete Sätze zurückgriff. Der Kopfsatz dagegen entstand gleich zweimal; die erste Komposition in F-dur wurde verworfen. Dazu mag ein gewisser Druck gekommen sein, Musik für Wien und Wiener Musiker zu schreiben – wie konnte man da an den Grossen der Wiener Komponisten vorbeikommen? Man hat im Kopfsatz des Quartetts intensive Auseinandersetzung mit dem Beethoven des op. 59 festgestellt, ausserdem im langsamen Satz mit Schubert. So ist es eben kein slawisches Werk geworden, sondern eines auf den Spuren der Wiener Klassik. Dvořák verzichtete bewusst auf den slawischen Tonfall, der das vorangehende op. 51 geprägt und zum Erfolg geführt hatte. So ist der 3. Satz ein reines Scherzo (à la Beethoven) und kein «slawischer Tanz». Einzig im Schlusssatz bringt eine skocna ein böhmisches Element hinein, das befreiend wirkt. Der grandioso-Schluss scheint dann doch wieder mehr sein zu wollen als slawisches Gefühl und Spielfreude. Die Kritik bedauerte den Verzicht auf das Slawische und bewertete das Werk eher ungünstig: Dvořák hatte eben slawisch-natürlich zu komponieren und nicht kunstvoll-gesucht! Er selber war anderer Meinung, nannte er das Werk doch «von meinen Kammermusikstücken das grösste und das vollendetste». – Der Clou der Sache: Wegen des Brandes des Wiener Ringtheaters am 8. Dezember 1881 mit offiziell 384 (oder mehr) Toten hatte Kaiser Franz Joseph Staatstrauer angeordnet; Konzerte durften keine stattfinden. Die Uraufführung erfolgte erst am 2. November 1882 (Veröffentlichung bereits im Februar) durch das Joachim-Quartett – in Berlin! Wie wäre das Quartett herausgekommen, hätte Dvořák dies gewusst? Gut berlinerisch oder doch eher wie das 1879 für Berlin komponierte op. 51 echt böhmisch?