Concerts Season 1971-1972

  • 26.10.1971
  • 20:15
  • 46.Season
  • Zyklus B
Stadtcasino, Hans Huber-Saal

Trio der Basler Solisten-Gemeinschaft (Basel)

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Commentary available in German ▼
Schuberts Klaviertrioproduktion fällt, sieht man vom einfachen Sonatensatz D 28 von 1812 ab, in die letzte Schaffensphase. Ob, wie heute öfters angenommen, das im November 1827 begonnene Es-dur-Trio das frühere Werk ist, lässt sich nicht eindeutig klären. Das B-dur-Trio könnte nach dem Erfolg des Es-dur-Werks im Privatkonzert vom 26. März 1828 rasch im April/Mai dieses Jahres entstanden sein, nicht zuletzt, weil Schubert die Möglichkeit hatte, gleich zwei Trios verlegt zu sehen. Leider ist das Autograph verschollen. So lässt sich auch nicht ermitteln, welche Rolle das Adagio (D 897), das sogenannte Notturno dabei gespielt hat. Schubert hat es sicher nicht so benannt. (In Diabellis Erstausgabe heisst es "Nocturne".) War es die erste Fassung des langsamen Satzes? Tonart und manche Indizien sprechen dafür. In jedem Fall ist es ein faszinierendes Stück, zugleich ruhig und doch gespannt, in ständiger Bewegung (erst recht im aufgeregten E-dur-Teil, der später in C-dur/Es-dur wieder aufgenommen wird), aber doch mit langen Melodiebögen. Am besten charakterisiert wird das Stück durch seine erste Vortragsbezeichnung: appassionato.
Rund fünfzehn Jahre liegen zwischen Schuberts erster Komposition für Klaviertrio und seinen grossen und bedeutenden Beiträgen zu dieser Gattung - bei Schubert bedeutet das ein halbes Leben. Und das hört man dem als Sonate bezeichneten Einzelsatz auch an. Da ist in dem manchmal etwas dünn wirkenden, aus-greifenden und in der Durchführung sich kaum entwickelnden Satz auf den ersten Blick noch wenig vom späten Schubert zu finden. Und doch zeigt sich (abgesehen von den schon hier aufscheinenden, allerdings nur beschränkt himmlischen Längen) an ein paar Einzelheiten in nuce das Potenzial Schuberts: Die Gesamtkonzeption des Satzes, die sehr wohl auf die grossformatigen Werke der Spätzeit vorweist, die saubere, am ehesten an Haydn orientierte Schreibweise und eine in sich ge-schlossene Klangsprache. Das Klavier dominiert natürlich, das Cello ist eher stiefmütterlich behandelt - aber das verwundert zu diesem Zeitpunkt der Entstehung nicht.
Das Trio op. 99 - Schubert hat die Opuszahlen der beiden Trios noch selbst vergeben - ist eines der beliebtesten und schönsten Instrumentalwerke Schuberts, obwohl manche das Trio op. 100 vorziehen. Es wirkt scheinbar problemlos, pendelt zwischen Energie (gleich zu Beginn) und melodischer Lyrik (im Andante), zwischen lockerer Heiterkeit (Scherzo) und wienerischem Charme (Finale) hin und her - und passt so gut in eines der zahlreichen Schubert-Klischees: Schubert, der ohne Reflexion und wo möglich ohne völlige Beherrschung der strengen Form naiv-heiter und ohne Schwierigkeiten Meisterwerke schafft, doch am stärksten in der lyrischen Kleinform des Liedes volle Meisterschaft erreicht. Dass Schubert im Spätwerk gerade im Formalen bewusst eigene, andere Wege als die Vorbilder ging, hat die neuere Forschung klar erwiesen. So hat er seine eigene Frage, wer nach Beethoven noch etwas zu machen vermöge, selber beantwortet, gerade in der formalen Vielfalt, der Andersartigkeit der Themengestaltung und deren Verarbeitung, d.h. in der nicht selten bewussten Abkehr vom übermächtigen Vorbild. So wirkt auch das B-dur-Trio äusserlich klassisch, im Detail steckt es aber voller Überraschungen.