Seit nunmehr 35 Jahren spielt das Guarneri Quartet in unveränderter Besetzung. Die Wahl des Namens beruhte auf einem Zufall, da der Cellist damals ein Cello von Guarneri spielte. Inzwischen tritt David Soyer mit einem Instrument von Giuseppe Gagliano (Neapel 1778) auf, Steinhardt spielt eine Lorenzo Storioni (Cremona), Dalley eine Nicolas Lupot (Paris 1810), Tree eine Bratsche von Domenico Busan (Venedig 1750). Das Quartett gehört zu den berühmtesten der letzten Jahrzehnte. Zahllos sind die Konzerte in aller Welt, riesig auch das Plattenrepertoire: Vor genau zehn Jahren erfolgte die Einspielung der Quartette von Grieg und Sibelius. Die Jubiläumstournee führt das Quartett u.a. nach Berlin, Freiburg, Zürich, London, Frankfurt, in der zweiten Saisonhälfte nach Kopenhagen, Köln, Bonn, Basel, Tübingen, Stuttgart, Bologna.
Franz Anton Hoffmeister (1754-1812) hatte die Rechte studiert, später aber zur Musik gewechselt. Neben einer grossen Zahl eigener Kompositionen ist er ab 1784 vor allem als Verleger bekannt. Bei ihm erschien 1785 von drei geplanten Klavierquartetten Mozarts das in g-moll (KV 478), das zweite (Es-dur KV 493, vollendet am 3. Juni 1786) 1787 allerdings bei Artaria – und das dritte wurde leider nie komponiert. Die geplante Werkserie für diese neuartige Besetzung – was wohl den Erfolg minderte und auch das Ende der Serie verursachte – gehörte vielleicht zu einer Art «Existenzsicherungsprogramm» für Mozart. Hoffmeister jedenfalls unterstützte den Freund öfters finanziell. Möglicherweise steht das als Hoffmeister-Quartett bekannte KV 499 in diesem Zusammenhang, ob als «Ersatz» für die erfolglosen Klavierquartette oder als Dank für Unterstützung ist unklar. Auffällig ist, dass dieses siebte der zehn späten Quartette ein Einzelopus ist. Mozart trug es am 19. August 1786 in sein Werkverzeichnis ein. Es entstand ein Jahr nach Beginn der Komposition des Figaro und erschien im selben Jahr bei Hoffmeister. Mit dem Figaro hat es die Haupttonart D-dur gemein, dazu die Mischung aus Melancholie und Buffonerie, heiterem Charme und leidvollem Ernst, welche die Oper so unvergleichlich macht. Schon das Thema des Kopfsatzes verbindet Einfaches mit Elegantem im Hauptthema, das in absteigenden Dreiklangtönen beginnt und, eingeleitet von einem punktierten Rhythmus, in eine fünffache Tonwiederholung münden. Die Motive bilden, ständig variiert, das Grundmaterial des Satzes, das zeitweise kontrapunktisch verarbeitet wird oder durch weitere Motive ergänzt und abgelöst wird. Dies macht den Satz vielfältig und doch einheitlich. Ihm folgt, letztmals an zweiter Stelle, das ländlerhafte Menuett und ein bewegtes, intensives Trio in d-moll. Kontrastreich schliesst sich das Adagio in G-dur an, von dem Alfred Einstein gesagt hat, es spreche «in noch niemals gehörter Tiefe von gewesenem Leid». Auch das Finale zeigt in den raschen Triolen, welche das Thema am Beginn in Fragmente zerlegen, als ob sie erst lernen müssten, daraus das Hauptthema zu machen, die seltsame Mischung von Heiterkeit und Melancholie, welche diesen Einzelgänger unter den grossen Quartetten mit dem Figaro verbindet.
Bartók, lange Zeit ein Meister in der Synthese von Kunst- und Volksmusik, wandte sich im sechsten, vom Komponisten als Gast Paul Sachers in Gstaad im August 1939 begonnenen Quartett von diesem Prinzip ab. Die Zeit verlangte wohl anderes, wie die verschiedenen, stetig wachsenden Abhandlungen derselben Mesto-Musik zu Beginn der vier Sätze zeigen. Obwohl parodistisch-groteske Elemente in den Mittelsätzen nicht fehlen, ist es der Trauerton, der den Charakter des Werks bestimmt. Die Rückkehr zur Viersätzigkeit und zur Tonalität sind äussere Zeichen für den neuen Standort in Bartóks Leben und Schaffen. Das Auskosten des Mesto-Charakters bis hin zum Verstummen bedeutet nicht nur den Schluss von Bartóks Quartettschaffen, sondern auch, was der Komponist nicht wissen konnte, des letzten in Europa geschriebenen Werks.
Das Opus 59 ist offensichtlich als Zyklus konzipiert. Zu dessen für das damalige Publikum schwierigen Zügen hat sicher der sinfonische Tonfall beigetragen, zu dem, angeregt durch die Qualitäten des Schuppanzigh-Quartetts, weitere Elemente wie spieltechnische Ansprüche, die Harmonik und die Rhythmik hinzutreten. Im Gegensatz zum F-dur-Quartett (Nr. 1) bleibt das zweite der Rasumowsky-Quartette stärker der Tradition verpflichtet. Es wirkt wie die Antithese zum kühnen ersten – das dritte in C-dur würde dann die Synthese bilden. Auf den düsteren Kopfsatz, einen Vorgriff auf op. 95 in f-moll, folgt ein zunächst scheinbar lichter Adagio-Choral – Czerny berichtet, er sei Beethoven beim Anblick des Sternenhimmels eingefallen. Durch Beifügen von Gegenstimmen und rhythmischen Kontrapunkten löst sich der Choral-Charakter immer mehr auf. Im fünfteiligen rhythmisch pointierten Scherzo fällt im Trio das aus Mussorgskys Boris Godunow bekannte Thème russe ins Ohr. Beethoven fand es in einer Sammlung russischer Volkslieder von Iwan Pratsch, die erstmals 1790 in St. Petersburg erschienen war. Das Finale weist, nicht nur mit dem Beginn in C-dur, auf das dritte Quartett, die Synthese des Opus, voraus.