Concerts Season 1980-1981

  • 31.3.1981
  • 20:15
  • 55.Season
  • Zyklus B
Stadtcasino, Hans Huber-Saal

Franz-Schubert-Quartett (Wien)

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Commentary available in German ▼
Haydns «Kaiserquartett» trägt zwar seinen Beinamen wegen des Variationenthemas (darauf soll für einmal nicht eingegangen werden), darf aber auch in den übrigen Teilen als kaiserlich gelten. Ähnlich wie Beethovens 5. Klavierkonzert («L’Empereur») strahlt es generell Glanz und Monumentalität aus und ist das sinfonischste der sechs Quartette op. 76. Die Themen der drei übrigen Sätze weisen zudem eine gewisse Verwandtschaft mit der Kaiserhymne auf. Der Kopfsatz bereitet so den Variationensatz vor, das robust-simple Menuett ist ein kräftiger Tanz und das Finale führt von unruhigem c-moll über verschiedene Zwischenstationen (u.a. G-dur) «ad astra», d.h. zum kaiserlichen C-dur.
Schubert waren in der Jugend Sinfonien und Streichquartette für den Schul- bzw. Hausgebrauch leicht aus der Feder geflossen. Dabei handelte es sich meist um eher «leichte» Werke, denen es zwar nicht an Ernst fehlte, die aber doch mehr als Spielmusik denn als tiefgründige Einzelwerke zu gelten haben. Was ihm im Liedschaffen damals immer wieder gelungen ist, fehlte im Instrumentalen noch weitgehend. Erst ab 1820 zeigte sich auch im Instrumentalen eine überraschende Entwicklung. Nun treten auf einmal in den Gattungen Streichquartett und Sinfonie Werke hervor, deren Anspruch und Klangbild neuartig sind. Gemeinsam ist ihnen, dass sie alle nicht zu Ende geführt wurden. Drei betreffen die Sinfonie: 1820 oder später, 1821 und 1822 (die «Unvollendete»). Der wohl früheste gescheiterte Versuch von 1820 ist ein c-moll-Streichquartett, von dem der überraschende Kopfsatz ganz und 41 Takte eines weniger gewichtigen Andante in As-dur vorliegen. Jener ist der bekannte «Quartettsatz». Hier tritt die packende Stimmung, wie sie für den späten Schubert typisch wird, erstmals richtig auf. Die Tremoli sind keine Verlegenheit, sondern gestalten bewusst das Unheimliche und die Unruhe. Das lyrische Seitenthema in As-dur bietet mit seiner Sanglichkeit den Gegenpol, ohne ins Beliebige abzugleiten. Das Stück endet in der Unruhe des Beginns. Schubert fand damals keine gültige Fortsetzung. Der Quartettsatz ist zehn Jahre nach Beethovens «Serioso»-Quartett, einem denkbaren Vorbild, entstanden.
Die drei Streichquartette Tschaikowskys, neben dem Klaviertrio und dem Streichsextett seine kammermusikalischen Hauptwerke, sind 1871, 1874 und 1876 entstanden; sie sind alle klassisch viersätzig. Ist das erste noch weitgehend musikantisch gehalten, treten schon beim zweiten bei aller Spielfreudigkeit tiefer empfundene und expressivere Teile auf. Das dritte nun dringt in ganz andere Sphären vor. Man hat von «seelischen Abgründen» (A. Werner-Jensen) gesprochen. Wie das spätere Klaviertrio von 1881/82, das ein Requiem für Nikolaj Rubinstein werden sollte, ist es ein Werk «in memoriam». In typisch slawischem (auto-)biographischem Bezug gedenkt Tschaikowsky hier eines Freundes, des 1875 verstorbenen Geigers Ferdinand Laub. Dieser war der Primgeiger bei der Uraufführung der beiden ersten Quartette gewesen. Jetzt soll die Vorherrschaft der ersten Geige das ausdrucksvolle Spiel des Freundes heraufbeschwören und gleichzeitig der eigenen Trauer über den Verlust Ausdruck geben. Die seltene Tonart es-moll mit sechs ♭ trägt das Ihre dazu bei. Die Klagen der Andante-Einleitung mit ihrem chromatischen Beginn (B – Ces – C – Es – D) werden nach dem ebenfalls emotional geprägten Allegro bedeutungsvoll wiederholt. Dieses Allegro nimmt die Chromatik auch gleich selber auf. Einzig das Seitenthema in B-dur wirkt lichter. Die Episode des kurzen Scherzos, ebenfalls in B-dur und im ungewohnten 2/4-Takt, wirkt wie ein Spuk oder, wie man auch gesagt hat, wie eine «dämonische Vision». Sie wird im Trio leicht aufgehellt, was aber die gedrückte Stimmung kaum unterbricht. Diese wird im trauermarschähnlichen, in der Grundtonart es-moll stehenden langsamen Satz wieder aufgenommen. Neben verbalen Bezeichnungen wie funebre, doloroso, piangendo oder con dolore weisen die Anklänge an die Totenmesse der russisch-orthodoxen Kirche in den Tonwiederholungen der zweiten Geige auf den Charakter eines Trauergesanges hin. Erst das musikantische, wenn auch konventionelle und eher kurze Rondo bricht mit dieser Stimmung und lässt das Werk im dreifachen Forte in Es-dur ausklingen. Das Quartett wurde am 18. März 1876 im Haus von Nikolaj Rubinstein erstmals aufgeführt.

Joseph Haydn 1732-1809

Streichquartett Nr. 77, C-dur, op. 76, Nr. 3, Hob. III:77 «Kaiserquartett» (1797)
Allegro
Poco adagio, cantabile
Menuetto: Allegro
Finale: Presto

Franz Schubert 1797-1828

Streichquartett Nr. 12, c-moll, op. post., D 703 «Quartettsatz» (1820)
Allegro assai

Pjotr Iljitsch Tschaikowsky 1840-1893

Streichquartett Nr. 3, es-moll, op. 30 (1876)
Andante sostenuto – Allegro moderato
Allegretto vivo e scherzando
Andante funebre e doloroso, ma con moto
Finale: Allegro non troppo e risoluto