Konzerte Saison 1983-1984

  • 7.2.1984
  • 20:15
  • 58.Saison
  • Zyklus A
Stadtcasino, Festsaal

Takács-Quartett (Boulder, Colorado)

Das Takács Quartett, das bereits 1984 und 1987 bei uns gespielt hat und damals noch in Budapest beheimatet war, hat seither zwei Positionen (1. Geige und gleich zweimal die Bratsche, zuletzt in diesem Jahr) umbesetzt und ist inzwischen zu einem amerikanischen Quartett geworden: Es war aber bereits 1983 zum Quartet in residence nach Boulder berufen worden war. Das Quartett formierte sich 1975 an Musikakademie Liszt Ferenc in Budapest und war 1977 1. Preisträger in Evian; später kamen Preise in Porthsmouth, Bordeaux, Budapest und Bratislava hinzu. Zusätzlich zu seiner Aufgabe an der University of Colorado nimmt es besondere Aufgaben in Aspen, Santa Barbara und London (Guildhall School) wahr. Es zählt heute zu den namhaftesten Quartetten und konzertiert weltweit an den renommiertesten Konzertstätten mit einem klassischen Repertoire, zu dem aber auch neue und neueste Musik hinzukommt. Natürlich sind die Bartók-Quartette noch immer ein Hauptpunkt seiner Interpretationen. Für deren Einspielung erhielt das Quartett 1998 den Gramophone Award und wurde für den Grammy nominiert. Beide Preise erhielt es 2002 für seine Beethoven-Einspielungen (op. 59 und 74). Die Fortsetzung dieser Gesamteinspielung wurde 2004 und 2005 mit weiteren Preisen (2005 mit dem 3. Gramophone Award für die späten Beethoven-Quartette) gewürdigt. Seit der Saison 2005/06 ist das Ensemble, dessen Mitglieder vom Ungarischen Staat für ihre Verdienste ausgezeichnet wurden, Quartet in Association am South Bank Centre in London.

Haydns Quartette op. 76 und 77, 1797 bzw. 1799, sieben und neun Jahre nach Mozarts letzten Beiträgen zur Gattung entstanden, bilden den End- und Höhepunkt der Streichquartettkomposition des 18. Jahrhunderts. Das Opus 76, die letzte Sechserserie Haydns, enthält bedeutende Stücke, ob sie nun einen Namen tragen wie das Quinten-, Kaiser- oder Sonnenaufgang-Quartett oder nicht. Die Nr. 1 ist eines der schönsten und beliebtesten, obwohl es (sieht man von der Bezeichnung Erdödy-Quartette nach dem Widmungsträger Graf Joseph Erdödy für das ganze Opus ab) beinamenlos ist. Es ist dicht und konsequent gearbeitet, und doch lockern kantable und heitere Momente die ernsthaften Partien auf. Als einziges dieser Spätwerke weist es eine – wenn auch knappe – Einleitung auf: drei Forteakkorde. Nach diesem zweitaktigen «Vorhang auf-Motiv» setzt das Thema ein, doch nicht in der ersten Violine, sondern es wird, in g-moll mit dem Cello beginnend, fugenartig auf alle Instrumente verteilt. Die Fugenform wird nicht weitergeführt; eine volkstümliche Melodie bringt ein Seitensatzthema ins Spiel, so dass doch noch ein Sonatensatz zustande kommt. Das mozartnahe Adagio in C-dur, wohl einer der schönsten langsamen Sätze Haydns, verbindet Kantabilität und konzertantes Prinzip. Das Presto-Menuett kann man als Haydns erstes Scherzo im beethovenschen Sinne bezeichnen; das Trio setzt als Kontrast auf ländlerartige, oberstimmenbetonte Volkstümlichkeit. Das Finale, ein Sonatensatz, ist das längste Finale in diesem Opus und wohl auch in Haydns ganzem Quartettschaffen. Es beginnt fortissimo und unisono düster in g-moll, nimmt dann lieblichere Formen an und endet in geradezu gassenhauerhafter Heiterkeit.

Erstaunlicherweise nimmt auch der erste Satz des rund acht Jahre nach dem ersten entstandenen 2. Quartetts zumindest in der Stimmung auf dieses Idealporträt Stefi Geyers Bezug. Zoltán Kodály hat das 2. Quartett "Episoden" genannt und die Sätze mit "Ruhiges Leben - Freude - Leid" bezeichnet, womit autobiographische Bezüge des Werkes deutlich werden. Während der erste Satz im Frühwerk wurzelt, weist der dritte, geradezu pessimistische, auf den Stil der dreissiger Jahre voraus. Die wilde Tanzweise des auf den Ton D zentrierten Mittelsatzes ist Reminiszenz der Nordafrikareise zur Erforschung und Sammlung von Volksliedern im Jahre 1913. Die Ecksätze sind "in sehr vagem a-moll" (P. Griffiths) gehalten. Diese eher unbestimmte Tonart und die Dreisätzigkeit sind neben den autobiographischen Tendenzen und dem Versuch einer Synthese von Volks- und Kunstmusik beiden Quartetten gemeinsam.
Das Opus 59 ist offensichtlich als Zyklus konzipiert. Zu dessen für das damalige Publikum schwierigen Zügen hat sicher der sinfonische Tonfall beigetragen, zu dem, angeregt durch die Qualitäten des Schuppanzigh-Quartetts, weitere Elemente wie spieltechnische Ansprüche, die Harmonik und die Rhythmik hinzutreten. Im Gegensatz zum F-dur-Quartett (Nr. 1) bleibt das zweite der Rasumowsky-Quartette stärker der Tradition verpflichtet. Es wirkt wie die Antithese zum kühnen ersten – das dritte in C-dur würde dann die Synthese bilden. Auf den düsteren Kopfsatz, einen Vorgriff auf op. 95 in f-moll, folgt ein zunächst scheinbar lichter Adagio-Choral – Czerny berichtet, er sei Beethoven beim Anblick des Sternenhimmels eingefallen. Durch Beifügen von Gegenstimmen und rhythmischen Kontrapunkten löst sich der Choral-Charakter immer mehr auf. Im fünfteiligen rhythmisch pointierten Scherzo fällt im Trio das aus Mussorgskys Boris Godunow bekannte Thème russe ins Ohr. Beethoven fand es in einer Sammlung russischer Volkslieder von Iwan Pratsch, die erstmals 1790 in St. Petersburg erschienen war. Das Finale weist, nicht nur mit dem Beginn in C-dur, auf das dritte Quartett, die Synthese des Opus, voraus.

Joseph Haydn 1732-1809

Streichquartett Nr. 75, G-dur, op. 76, Nr. 1, Hob. III:75 (1797)
Allegro con spirito
Adagio sostenuto
Menuetto: Presto – Trio
Finale: Allegro ma non troppo

Béla Bartók 1881-1945

Streichquartett Nr. 2, op. 17, Sz 67 (1915/17)
Moderato
Allegro molto capriccioso
Lento

Ludwig van Beethoven 1770-1827

Streichquartett Nr. 8, e-moll, op. 59, Nr. 2 «2. Rasumovsky-Quartett» (1806)
Allegro
Molto adagio
Allegretto - Maggiore (Thème russe)
Finale: Presto