Konzerte Saison 1996-1997

  • 5.11.1996
  • 20:15
  • 71.Saison
  • Zyklus A
Stadtcasino, Festsaal

Vermeer Quartet (Chicago)

Seit seiner Gründung im Jahre 1969 im Rahmen des Marlboro Festival und nach seiner ersten Eurpotournee von 1972/73 ist das Vermeer Quartett zu einer der namhaftesten Quartettformationen geworden. Regelmässig ist es auch Gast in unseren Konzerten, heute zum neunten Mal. Sein Repertoire umfasst neben den Standardwerken auch weniger Bekanntes, etwa Bridge, und Zeitgenössisches oder Amerikanisches: Elliott Carters 1. Quartett stand auf dem Programm des letzten Auftritts. In diesem Vermeer-Jahr darf man die Frage erneut stellen, ob die Namenswahl nach einem der grössten Meister des Lichts, der mehrfach die Musik thematisiert hat, nicht Programm ist. Jedenfalls liest man in Kritiken immer wieder von der Leuchtkraft und Farbbrillanz im Spiel des Vermeer Quartetts.
Immer wieder hat sich Mozart mit barocker Musik in der Weise auseinandergesetzt, dass er sie für das «moderne» Ohr bearbeitete oder einrichtete. Am bekanntesten dürften die Neuinstrumetnierungen von Händels Messias und Judas Maccabäus sein. Aber auch Bach kam zum Zuge. Den Anlass schilderte Mozart am 10. April 1782 in einem Brief an seinen Vater: Ich gehe alle Sonntage um 12 uhr zum Baron van suiten und da wird nichts gespiellt als Händl und Bach. - ich mach mir eben eine Collection von den bachischen Fugen. Für eine dieser Matineen bei van Swieten hat er auch die fünf Fugen aus dem 2. Teil des Wohltemperierten Klaviers bearbeitet. Ob die Auseinandersetzung mit der Barockmusik und speziell mit Bach ein Auslöser für die kühnen, den damaligen Hörern so unvertrauten Harmonien im einleitenden Adagio des darum so betitelten Dissonanzen-Quartetts waren? Sicher ist nur, dass ihr oft unvermitteltes Auftreten, das sich nicht unbedingt aus einer Struktur wie in einer bachschen Fuge erklären liess, nicht nur Korrekturversuche ausgelöst hat, sondern irritierte Käufer veranlasste, die Noten an den Verleger Artaria zurückzuschicken mit der Bemerkung, sie seien voller Fehler des Stechers. «Der in der Einleitung angeschlagene chromatische Grundton wird zum Kennzeichen der ganzen Komposition, scheint fast an die Stelle kontrapunktischer Kunstfertigkeit zu treten, die wir aus den vorangehenden Quartetten kennen» (A. Werner-Jensen).

Das dritte Quartett dürfte neben dem siebten das beliebteste und eingänglichste Schostakowitschs sein. Er komponierte es in einer wenig ergiebigen Phase seines Schaffens; es ist das einzige vollendete Werk des Jahres 1946. Nach den dramatischen und unruhigen Jahren des Krieges, die der Komponist in seiner 7. und 8. Sinfonie so heroisch-wuchtig und eindrücklich dargestellt hat, verwundert uns dies kaum, jedenfalls weniger als die sowjetischen Zeitgenossen, die von ihm 1945 eine Siegessinfonie erwartet hatten - und heraus kam die spritzig-witzige 9. Sinfonie. So sah Schostakowitsch auch keinen Anlass für ein heroisches Quartett. Hinzu mochte kommen, dass nach den Jahren, in denen er als Komponist geradezu zu einem Volkshelden geworden war, eine Neuorientierung nötig wurde, und zwar eine, die auch der Kritik Stalins und der Partei vor dem Kriege (1935 im Anschluss an die Lady Macbeth von Mzensk) gerecht wurde. Trotz alledem ist das 3. Quartett kein leichtgewichtiges Werk: Scheinbar einfache Melodien durchlaufen alle zwölf Töne, chromatische Themen stehen neben schreiender Bitonalität; das Adagio, als Threnodie bezeichnet, will ernst genommen werden. Und doch wirkt das Groteske, etwa in der Parodie auf einen preussischen Parademarsch im 3. Satz, fast stärker.

Heitere Leichtigkeit bestimmt auch den einzig ausgeführten Satz von Wolfs Serenade; er entstand in nur drei Tagen vom 2. bis 4. Mai 1887. Ein zweiter Satz wurde später skizziert, eine Tarantella war geplant; doch es blieb beim freien Rondo mit seinem Charme und seiner Eleganz. Wolf wird diese Atmosphäre vier Jahre später in einigen Liedern seines «Italienischen Liederbuchs» wieder aufnehmen.