Konzerte Saison 1999-2000

  • 14.12.1999
  • 20:15
  • 74.Saison
  • Zyklus B
Martinskirche Basel

Sonatori de la Gioiosa Marca (Treviso) Giuliano Carmignola, Violine

Das Ensemble der „Spielleute der heiteren Mark“, wobei Marca so viel wie venezianischer Festlandbesitz bedeutet, wurde 1983 in Treviso (seit dem 15. Jahrhundert Teil dieser Marca) gegründet. Es ist heute eines der renommiertesten Ensembles für Barockmusik, das auf historischen Instrumenten musiziert. Seine Mitglieder haben an der Schola Cantorum Basiliensis, am Royal College of Music in London und am Centre de Musique Ancienne in Genf studiert. An vielen Festspielen und in vielen Städten Europas, so auch in Basel, ist es aufgetreten. An Platteneinspielungen sind die Vivaldi-Aufnahmen mit den Jahreszeiten sowie Le Humane Passioni und Concerti per le Solennità erwähnenswert. Sie haben auch mehrfach Auszeichnungen erhalten. Eine CD mit Cecilia Bartoli, Folge einer Tournée durch Europa, hat ebenfalls höchstes Lob gefunden.

Der Geiger Giuliano Carmignola stammt aus Treviso. Er studierte in Venedig, später bei Nathan MIlstein und Henryk Szering. Er ist mit berühmten Dirigenten wie Abbado oder Sinopoli als Solist aufgetreten. Seit einigen Jahren widmet er sich der Interpretation auf historischen Instrumenten, speziell der venezianischen Musik. Regelmässig tritt er mit den Sonatori auf, mit denen er auch die CDs mit Vivaldikonzerten eingespielt hat. Er spielt ein Instrument von Pietro Guarneri von 1733.

Musica Veneziana

Das östliche Oberitalien, insbesondere Venedig und weitere Städte wie Bologna und Modena, zeitweise auch Mantua, sind vom späten 16. bis ins 18. Jahrhundert das Zentrum der Musikentwicklung gewesen. Die Gattungen Oper, Kirchenmusik, Madrigal, Sonate und Konzert wurden hier entweder geschaffen, neu gestaltet oder zumindest in vorbildhafter Weise gepflegt. Für die Zeit um 1600 denkt man natürlich zunächst an Claudio Monteverdi, der ab 1590 am Hof von Mantua, seit 1613 an San Marco in Venedig tätig war. Zu seiner Zeit entwickelt sich das Violinspiel als eigene Gattung, indem es sich in Spieltechnik, Figuration und Motivbildung von dem der Viola absondert. Monteverdi, in Mantua noch Violaspieler, verlangt 1610 in der Marienvesper bereits die 4. Lage für ein e3, M. Uccellini geht 1649 bis in die 6. Lage. Zur Darstellung besonderer Effekte lässt Monteverdi 1624 pizzicato spielen, C. Farina 1627 col legno und sul ponticello. Cremona, Monteverdis Geburtsort, ist im 17. und 18. Jahrhundert das hochangesehene Zentrum des Saiteninstrumentenbaus. Für das „neue“ Instrument wird über die Verwendung im Orchester hinaus reiche Literatur geschaffen. 1610 ist die erste Solosonate für Violine belegt (G.P. Cima). In der Kammermusik ist es vor allem die (Trio-) Sonate, also das „Spielstück“ mit mehreren, häufig drei Melodieinstrumenten über einem Bassfundament. Doch finden wir in der Frühzeit auch andere, nicht selten aus anderen Gattungen, etwa der Vokalmusik, entlehnte Titel wie Canzone oder gar Aria.

Castello lebte in Venedig und war um 1625 unter Monteverdi erster Violinist an San Marco. Seine Sonaten weisen mit der Bezeichnung in Stil Moderno bewusst darauf hin, dass sie zur damaligen „Avantgarde“ gehören. Castellos Vorzüge liegen im Technischen und im Einfallsreichtum. Der Karmelitanermönch Scarani war zuerst Organist in Mantua, ab 1623 Sänger in San Marco. 1641 kehrte er als Organist della Serenissima Altezza Francesco d’Este nach Mantua zurück. Schon Giovanni Rovettas Vater war Instrumentalist an San Marco. Er selber, Schüler Monteverdis, war zunächst als cantor di soprano, später di basso, ab etwa 1615/17 als Instrumentalist, seit 1644 als Nachfolger Monterverdis als maestro di cappella an San Marco tätig. Er hinterliess ein reiches Oeuvre der verschiedensten Gattungen. G.B. Vitali stammte aus Bologna, wo er bis 1674 als Virtuose und Kapellmeister wirkte. Danach ging er an den Hof der Este nach Modena. Er experimentierte mit Satzgestaltung und -verknüpfung und Harmonik und bezog in alle Satzformen auch Tanzrhythmen mit ein. Dabei unterschied er Tänze per ballare und da camera. Uccellini hatte in Assisi studiert, bevor er seit etwa 1639 in Modena wirkte. Er ist einer der bedeutendsten Vertreter der emilianischen Geigerschule und schrieb ausdrücklich für die Violine, deren Spieltechnik und Entwicklung er entscheidend mitprägte.

Vivaldi wuchs in die von der Cappella di San Marco bestimmte grossartige Musikkultur Venedigs hinein – sein Vater, ein rothaariger ehemaliger Barbier, war seit 1685 Mitglied der Cappella –, schlug aber zunächst die geistliche Laufbahn ein. 1703 wurde er zum Priester geweiht. Doch schon im September 1703 begann der prete rosso seine Tätigkeit als Musiker am Ospedale della Pietà. Trotz zeitweiser Hinwendung zu Oper und Kirchenmusik liegt seine Hauptleistung im Instrumentalen, insbesondere in der Entwicklung, vielleicht sogar Erfindung des Solokonzerts. Seine Beliebtheit zeigt sich in der europaweiten Verbreitung seiner Konzertsammlungen und zahlreichen Bearbeitungen, etwa durch J.S. Bach und Pisendel. Das Konzert La Notte, das auch in einer späteren Fassung für Traversflöte (op. 10/2, RV 439) existiert, weist wie viele Konzerte Vivaldis, so auch L’Inverno aus den Jahreszeiten, programmatische bzw. eine Stimmung wiedergebende Sätze auf. Das Konzert Zum Fest der Überführung der Zunge des hl. Antonius führten die beiden rossi am 15. Februar 1712 eigenhändig in Padua auf. Es weist ein Höchstmass an Aufsehen erregender Virtuosität auf. Das später als Weihnachtskonzert bezeichnete Konzert Il Riposo hingegen ist ganz auf Innigkeit, Reinheit und Durchsichtigkeit angelegt.

rs