Stimmt nun die These? Da überrascht zunächst, dass in der Literatur ausgerechnet das 4. Quartett, das moll-Quartett der Serie, gelegentlich als das schwächste des Opus angesehen wird. Hat somit Beethoven bei der Revision den Standard der Num-mern 1-3 über den der späteren gehoben? Die Beurteilung dürfte allerdings von der Tonart c-moll beeinflusst sein. Im Jahre 1800 darf man noch kein "Schicksals-Quar-tett" erwarten. Gleichwohl überrascht der Kopfsatz durch sein Pathos. Da liegt leidenschaftliches Drängen über dem 12 Takte langen Hauptthema. Der Seitensatz (Es-dur) ist zwar aus dem Hauptthema abgeleitet, wirkt aber lyrischer. Dieser doch sehr persönlich gehaltene Satz endet in düsterem c-moll. Einen wirklichen langsamen Satz hat das Quartett nicht, denn Beethoven wählt zwei Tanzsatzvarianten, einen mehr durch Staccati scherzhaften Sonatensatz und einen mit seinen zahlreichen Sforzati echt pathetischen c-moll-Satz, der bei der Wiederholung durch die vorgeschriebene Tempoverschärfung an Dramatik gewinnt. Im Finale fühlt man sich trotz heftigen Akzenten wieder an Haydn erinnert.
Für das 5. Quartett in A-dur hat sich Beethoven bis in die Satzbezeichnungen hinein ein eindeutiges Vorbild genommen: Mozarts KV 464 in der gleichen Tonart, dessen Finale er eigenhändig kopiert hat. Beide Male steht das Menuett an zweiter Stelle, beide Male ist der langsame Satz ein Variationen-Andante, welches das Herzstück des Werks bildet. Aber man darf nicht von Nachahmung sprechen. Was Beethoven in diesem hellsten seiner Quartette mit allen Anklängen, übrigens auch an eigene Werke, macht, ist doch auch schon die Entwicklung einer neuen, eigenen Tonsprache.
Die modernste Passage im 6. Quartett ist die langsame Einleitung zum Schlusssatz, welche die Überschrift "La Malinconia" trägt. Die Schwermut wird in einer Weise gemalt, die "harmonisch alles Vergleichbare jener Zeit weit hinter sich lässt" (W. Konold). Im Wechsel mit der Heiterkeit der tänzerischen Allegrettoteile ergibt sich nicht nur ein Kontrast, sondern auch der Versuch, beide Seiten menschlichen Verhaltens als austauschbar nebeneinander zu stellen. Am Schluss setzt sich mit der Prestissimo-Steigerung das Tänzerisch-Lustige durch, wirkt aber, wie so oft bei Beethoven, nicht ganz frei, eher etwas künstlich. Das Werk ist auf diesen Finalsatz hin ausgerichtet: ein musikantischer, nur im Seitenthema etwas ruhigerer Kopfsatz, das melodisch-subtile Adagio in dreiteiliger Liedform und das synkopierte Scherzo mit eigenwilligen Akzenten bilden den Vorspann zum quasi una fantasia des Finales.
rs