Konzerte Saison 2003-2004

  • 13.1.2004
  • 20.15
  • 78.Saison
  • Zyklus A
Stadtcasino, Festsaal

Amar Quartett (Zürich)

Licco Amar hiess der Primgeiger jenes berühmten, 1921–1929 tätigen Quartetts, in dem Paul Hindemith die Bratsche spielte. Aus Anlass des 100. Geburtstages Hindemiths nahm das neue Amar-Quartett diesen Namen an, denn es möchte dem heute zu sehr vernachlässigten Oeuvre Hindemiths besondere Beachtung schenken. Neben Hindemith sucht das Amar Quartett eine gute Mischung zwischen dem traditionellen Repertoire und neuen Werken. Es vergibt dazu Kompositionsaufträge, speziell an Schweizer Kulturschaffende. Als innovatives Streichquartett will das Ensemble auch weitere Zuhörerkreise erschliessen und sucht dazu die Zusammenarbeit mit multimedialem Theater, dem Ballett und mit Jazzmusikern. Das Quartett wurde von den beiden Schwestern Anna Brunner und Maja Weber gegründet und besteht aus vier zwischen 1972 und 1977 geborenen Schweizer Musikern. 1998 erhielt es in Cremona und in Bubenreuth Preise in Streichquartettwettbewerben, zudem gewann es 1999 den Kammermusik-Wettbewerb des Migros Kulturprozents. Für seine Konzerttätigkeit wurden ihm 1999 vier Stradivari-Instrumente der Stiftung Habisreutinger anvertraut. Von Juni 1998 bis Mai 2001 studierte das Quartett beim Alban Berg Quartett in Köln. Das Amar-Quartett war bereits zweimal bei uns zu Gast (Saisons 1999/2000 und 2001/02) und tritt in der laufenden Saison mehrfach in Basel auf, u.a. bei einer Ballettproduktion im Theater Basel (April bis Juni; Janácek Kreutzersonate, Schubert d-moll und ein Auftragswerk von Bettina Skrzypzcak).
Der Tradition und Haydns Vorbild folgend schloss Mozart in seine sechs Quartette, die er Haydn widmen sollte, ein Moll-Werk ein. Das d-moll-Quartett weist in typisch mozartschem Mollcharakter voller Erregung und in der dunklen Klangsprache Neuartiges auf. Im Kopfsatz mit seiner eigenartigen Motivik treten Intervallsprünge (gleich zu Beginn eine Oktave von d’’ zu d’) und herbe Dissonanzen auf; insbesondere die polyphon gestaltete Durchführung ist davon geprägt. Dazu kontrastiert das F-dur-Andante mit seiner schlichten, elegisch gehaltenen Melodie. Ähnlich stehen sich im Menuett die dunkle Färbung des Hauptteils und der heitere, von der Primgeige über den Pizzicati der übrigen Instrumente angestimmte Serenadenton des Trios gegenüber. Das Variationen-Finale greift im Siciliano-Rhythmus und in der Melodik unüber-hörbar auf Haydn selbst zurück: auf die Finalvariationen in op. 33/5. Diese werden aber harmonisch und modulatorisch neu gedeutet. Kurz vor Schluss intoniert die Primgeige wie zu Beginn nochmals den Oktavsprung, diesmal von d’’’ zu d’’.

Unter Hindemiths Quartetten nimmt das 7. (früher Nummer 6, da man das zu Hindemiths Lebzeiten nicht veröffentlichte Quartett op. 2 nicht mitzählte) eine Sonderstellung ein: Zwar war Hindemith meist bei der Uraufführung seiner Quartette als Bratscher beteiligt (ausser in Nr. 6), die Quartette waren aber für professionelle Interpreten gedacht. Sein letztes Quartett hingegen entstand für das häusliche Musizieren mit seiner Frau Gertrud und zwei Musikstudentinnen. Die offizielle Uraufführung (21. März 1946) wurde wie beim 6. Quartett in Washington D.C. vom Budapest String Quartet ausgeführt. Dem Anspruch entsprechend ist das Werk kurz – kaum eine Viertelstunde lang. Als Höhepunkt wird man den 3. Satz bezeichnen dürfen, und zwar nicht nur weil er der längste ist. Aus einem rhapsodischen langsamen Teil wächst in der Primgeige ein rasches Thema heraus, das einem Choral gegenübergestellt wird. Diese Verbindung führt denn auch den Satzschluss herbei. Das Werk endet mit einem für Hindemith typischen Kanon in raffiniertem Kontrapunkt mit einer heiteren pianissimo-Pointe.

Warum hat Schuberts grösstes Quartett nie die Beliebtheit der beiden anderen späten Quartette erreicht? Ist es das Fehlen eines populären Beinamens wie Der Tod und das Mädchen oder Rosamunde? Fehlt ein beliebtes Thema, das man auf Anhieb wiedererkennt? Oder ist es die Zerrissenheit, die man gern überhören möchte? In nur elf Tagen fast gleichzeitig mit Beethovens op. 131 entstanden stellt es nicht nur einen Gipfel der Quartettkunst dar, sondern gehört zum Schwierigsten – in der Ausführung wie im Erfassen. Kein populäres Liedthema also, keine behäbige Biedermeierseligkeit täuscht über die Ansprüche hinweg. In geradezu sinfonischen Zügen werden im Kopfsatz dramatische, in unruhigem Tremolo aufbrausende Blöcke mit lyrisch kantablen verzahnt, als eine Art «einander ablösender Varianten. Variierte Reihung kennzeichnet auch den zweiten Satz, dessen ausgedehnt singende Cello-Melodien wohl Beruhigung, gar Frieden auszustrahlen vermöchten, wäre ihnen nicht der Affekt der Ruhelosigkeit in den Oberstimmenfiguren beigegeben» (Arnold Feil). Schubert hat im G-dur-Quartett wie in der C-dur-Sinfonie, im Streichquartett und in den letzten Klaviersonaten nicht nur zur grossen Form gefunden, sondern in ihren Ein- und Ausbrüchen auch die Grenzen erreicht, an die er in der Lyrik der Winterreise oder in Heines Atlas («unendlich glücklich oder unendlich elend») gestossen ist.

rs

Wolfgang Amadeus Mozart 1756-1791

Streichquartett Nr. 15, d-moll, KV 421 (417b) (1783)
Allegro (moderato)
Andante
Menuetto: Allegretto – Trio
Allegretto, ma non troppo (con variazioni)

Paul Hindemith 1895-1963

Streichquartett Nr. 6 (7), Es-dur (1945)
Schnell
Ruhig, scherzando
Langsam – Schnell
Kanon: Mässig schnell, heiter

Franz Schubert 1797-1828

Streichquartett Nr. 15, G-dur, op. post. 161, D 887 (1826)
Allegro molto moderato
Andante un poco mosso
Scherzo. Allegro vivace – Trio: Allegretto
Allegro assai