Über Borodin hört man manchmal die Frage, ob er ein komponierender Wissenschaftler oder ein wissenschaftlicher Komponist gewesen sei. Zweifellos war er eine grosse Doppelbegabung. Hauptamtlich war er (innovativer) Wissenschaftler, Mediziner, dann Chemieprofessor in Petersburg. Komponieren konnte er nur nebenher. Bei seiner Weiterausbildung nach der Promotion in Medizin lernte er in Heidelberg seine Frau kennen (und daneben in Mannheim die Musik Wagners). Sie war eine grosse Musikliebhaberin; ihr hat er das 2. Streichquartett gewidmet – und das hört man dem Werk an. War im 1. Quartett der Ausgangspunkt Beethoven gewesen (mit einem Zitat aus op. 130), so ist im 2. Quartett russische Melodik bestimmend. Dazu trägt das Cello bei, das Borodin selbst ausgezeichnet spielte. So wurde nicht zufällig das ausdrucksstarke Notturno zum beliebtesten Satz des Werkes. Elegant-lyrisch gibt sich der Kopfsatz, das originelle Scherzo in freier Form, das sein gesamtes Material aus den ersten Tönen bezieht, lässt im Trio einen Walzer anklingen. Am ehesten erinnert das Finale an Beethoven. Das einleitende Andante stellt das Material vor (Unisono-Passagen) und unterbricht später den locker dahin fliessenden Ablauf des Hauptteils.
In den 1880er Jahren war Debussy begeistert von Wagners Musik und besuchte Bayreuth. Beeindruckt hat ihn lange der Parsifal, was sich auch in Pelléas et Mélisande niederschlägt. 1889, anlässlich der Pariser Weltausstellung, kam als weiteres Element die Musik des Fernen Ostens hinzu, die erstmals in Europa erklang. Wagners Klangwelt verband er mit exotischen Einfärbungen der Gamelan-Musik und mit ungewohnten Ganztonleitern – und schuf gleichwohl gerade im Streichquartett eine vollkommen französische Musik. Es ist im gleichen Jahr entstanden wie die ersten Skizzen zu Pelléas et Mélisande. Die vier Sätze sind alle aus dem Hauptthema des Kopfsatzes entwickelt, das mit den drei Tönen g–f–d beginnt. Dies geschieht aber nicht in Form der klassischen Durchführungstechnik, sondern indem derselbe Gedanke immer wieder mit exotischen Klängen und mit gleitenden Instrumentalfarben umspielt wird. Dazu kommt eine ungewohnte Rhythmik, die das Publikum der ersten Aufführung ebenso irritierte wie die neue Klanglichkeit. Besser erkannte der Komponistenkollege und Freund Paul Dukas die Bedeutung des Werks: «Alles darin ist klar und deutlich gezeichnet, trotz grosser formaler Freiheit. Debussy zeigt eine besondere Vorliebe für Verknüpfungen klangvoller Akkorde und für Dissonanzen, die jedoch nirgends grell, vielmehr in ihren komplexen Verschlingungen fast noch harmonischer als selbst Konsonanzen wirken; die Melodie bewegt sich, als schreite sie über einen luxuriösen, kunstvoll gemusterten Teppich von wundersamer Farbigkeit, aus dem alle schreienden und unstimmigen Töne verbannt sind. rs