Mit Ohana tritt ein neuer Komponist in unsere Konzertreihen, der in den sechziger bis achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts sehr wohl seinen Platz in der französischen Musik hatte, heute aber weitgehend in Vergessenheit geraten ist. Umso wichtiger ist der Einsatz des Quatuor Psophos für seine drei Streichquartette (1963 / 1980 / 1989). Ohana war spanischer Herkunft und wurde in Casablanca geboren; er studierte in Paris zunächst Architektur, dann Klavier und Komposition. Er war interessiert an vielfältigen Möglichkeiten der Musik, von Schaeffers Musique concrète über die Alte Musik bis hin zur chinesischen Oper, doch blieben seine anerkannten Orientierungsgrössen letztlich Debussy und de Falla, d.h. Klanglichkeit und Rhythmus. Das 2. Streichquartett, der ehemaligen Schülerin Edith Canat de Chizy gewidmet (ein Werk von ihr wird im 9. Konzert erklingen; sie hat zudem eine Monographie über Ohana veröffentlicht), ergänzt diese Elemente durch den Cante jondo und den Negro spiritual. Der erste liedhafte Satz – allerdings mit manchen mutwilligen und heftigen Akzenten – wird von einer besonderen harmonischen Schönheit beherrscht. Der zweite verbindet in seiner melodischen Inspiration die Welt Andalusiens mit den Klängen der Schwarzen; er wirkt geheimnisvoll, im Charakter eher statisch, doch harmonisch mit seinen Glissandi instabil. Im Morgenständchen, der Alba der Troubadours, mit seinen schillernden Farben setzt sich dieser Stil meist fort, lässt allerdings mancherorts gezügelte Energie erkennen. In der afrikanisierten Atmo-sphäre der heissen Nächte Granadas im Schlusssatz kommen die vielfältigen Vorlieben Ohanas zum Zuge – er trägt denn auch eine typische Ohana-Bezeichnung. Nach einer langsamen Einleitung belebt sich alles, um mit einer kurzen, brillanten Schlussfloskel zu enden. Den Begriff Ngô erklärt der Komponist wie folgt: « On trouve la terminaison Ngô dans un certain nombre de mots désignant des danses d’origine africaine, parfois aussi dans les noms d’instruments accompagnant ces danses. Tels sont, dans l’art populaire andalou, le Tango, le Zongoro, le Fandango, de même que le Bongo, instrument souvent utilisé dans notre percussion. Ce vocable Ngô semble en outre caractériser des danses incantatoires venues d’anciennes cérémonies tribales.»
Dvorák hatte den ersten Satz des As-dur-Quartetts im März 1895 in New York begonnen (bis zum Ende der Exposition). Nach seiner Rückkehr nach Böhmen hatte der sonst so rastlos Tätige keine Lust aufs Komponieren («Die heilige Wahrheit, ich bin ein Faulpelz und rühre die Feder nicht an.»), und als er damit wieder anfing, schrieb er im Spätherbst zuerst ein neues Quartett in G-dur op. 106, welches deshalb auch die niedrigere Nummer 13 trägt. Erst dann verspürte er Lust, auch das angefangene Werk zu vollenden. Vielleicht lässt sich der Grund für die neue Schaffensfreude aus folgender Äusserung erschliessen: «Wir sind gottlob alle gesund und freuen uns, dass es uns nach drei Jahren wieder vergönnt ist, liebe und frohe Weihnachtsfeiertage in Böhmen zu geniessen. Deshalb fühlen wir uns alle so unaussprechlich glücklich.» Jetzt heisst es plötzlich: «Ich bin jetzt sehr fleissig. Ich arbeite so leicht und es gelingt mir so wohl, dass ich es mir gar nicht besser wünschen kann.» Am 30. Dezember war das Werk vollendet. Unter diesen Umständen verwundert nicht, dass die beiden letzten Quartette den Höhepunkt in Dvoráks Quartettschaffen bilden; sie sind anspruchsvoller als das berühmtere «Amerikanische Quartett» von 1893. Über diesem letzten Kammermusikwerk liegt die richtige Mischung zwischen freundlicher Leichtigkeit und formaler Sicherheit, so dass der Wiener Kritiker Eduard Hanslick von «reiner Meisterschaft» sprach.
rs