Concerts Season 2006-2007

  • 28.11.2006
  • 20.15
  • 81.Season
  • Zyklus B
Stadtcasino, Hans Huber-Saal

Quatuor Psophos (Paris)

Biography available in German ▼
Das griechische Wort psóphos bedeutet eigentlich «Geräusch, Lärm», kann aber auch «(reiner) Klang, Klangereignis, musikalischer Klang» bedeuten. Die Mitglieder des Quartetts wurden in Japan und in der Schweiz bei Tibor Varga (Ayako Tanaka), bzw. an französischen Konservatorien ausgebildet. 1997 bildete sich das Ensemble am Conservatoire National Supérieur de Lyon, wo es von Gilbert Amy unterstützt wurde. Die Cellistin gehört dem Quartett seit 2002 an. Das Quartett ergänzte seine Ausbildung beim Quatuor Ysaÿe in Paris und bei Walter Levin in Basel und in Lübeck. Rasch erhielt das Quartett an Musikwettbewerben Preise. Die Krönung bildete im September 2001 der 1. Preis im renommierten Internationalen Streichquartett-Wettbewerb von Bordeaux (ex-Evian). Die Folge waren Einladungen in bekannte Konzertreihen (Concertgebouw Amsterdam, Wigmore Hall London) und zu vielen bedeutenden Festivals. Dabei spielten die Musikerinnen mit anderen französischen und internationalen Musikern wie Jean-Claude Pennetier, Renaud und Gautier Capuçon, Paul Meyer sowie Mitgliedern des Trio Wanderer zusammen. Die erste Platteneinspielung widmete das Quartett 2003 Mendelssohn; 2004 erschien die Aufnahme der drei Streichquartette von Maurice Ohana. Sie wurde sowohl in Bezug auf die Werke als auch auf die Interpretation hymnisch besprochen. Inzwischen sind weitere Aufnahmen mit Dvorák und mit sämtlichen Quartetten von Nicolas Bacri erschienen.
Commentary available in German ▼
Debussys Begeisterung für Wagner war bereits am Abklingen (sie betraf vor allem Harmonik und Klanglichkeit; ganz abgelehnt hat Debussy die Leitmotivtechnik), als 1889 anlässlich der Pariser Weltausstellung ein neues Musikerlebnis hinzukam, die Musik des Fernen Ostens, die erstmals in Europa erklang. Wagners Klangwelt verband er mit exotischen Einfärbungen der Gamelan-Musik und mit ungewohnten Ganztonleitern – und schuf gleichwohl gerade im Streichquartett eine vollkommen französische Musik. Die vier Sätze sind alle aus dem Hauptthema des Kopfsatzes entwickelt, das mit den drei Tönen g – f – d beginnt. Dies geschieht aber nicht in Form der klassischen Durchführungstechnik, sondern indem derselbe Gedanke immer wieder mit exotischen Klängen und mit gleitenden Instrumentalfarben umspielt wird. Dazu kommt eine ungewohnte Rhythmik, die das Publikum der ersten Aufführung ebenso irritierte wie die neue Klanglichkeit. Besser erkannte der Komponistenkollege und Freund Paul Dukas die Bedeutung des Werks: «Alles darin ist klar und deutlich gezeichnet, trotz grosser formaler Freiheit. Debussy zeigt eine besondere Vorliebe für Verknüpfungen klangvoller Akkorde und für Dissonanzen, die jedoch nirgends grell, vielmehr in ihren komplexen Verschlingungen fast noch harmonischer als selbst Konsonanzen wirken; die Melodie bewegt sich, als schreite sie über einen luxuriösen, kunstvoll gemusterten Teppich von wundersamer Farbigkeit, aus dem alle schreienden und unstimmigen Töne verbannt sind.»

Mit Ohana tritt ein neuer Komponist in unsere Konzertreihen, der in den sechziger bis achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts sehr wohl seinen Platz in der französischen Musik hatte, heute aber weitgehend in Vergessenheit geraten ist. Umso wichtiger ist der Einsatz des Quatuor Psophos für seine drei Streichquartette (1963 / 1980 / 1989). Ohana war spanischer Herkunft und wurde in Casablanca geboren; er studierte in Paris zunächst Architektur, dann Klavier und Komposition. Er war interessiert an vielfältigen Möglichkeiten der Musik, von Schaeffers Musique concrète über die Alte Musik bis hin zur chinesischen Oper, doch blieben seine anerkannten Orientierungsgrössen letztlich Debussy und de Falla, d.h. Klanglichkeit und Rhythmus. Das 2. Streichquartett, der ehemaligen Schülerin Edith Canat de Chizy gewidmet (ein Werk von ihr wird im 9. Konzert erklingen; sie hat zudem eine Monographie über Ohana veröffentlicht), ergänzt diese Elemente durch den Cante jondo und den Negro spiritual. Der erste liedhafte Satz – allerdings mit manchen mutwilligen und heftigen Akzenten – wird von einer besonderen harmonischen Schönheit beherrscht. Der zweite verbindet in seiner melodischen Inspiration die Welt Andalusiens mit den Klängen der Schwarzen; er wirkt geheimnisvoll, im Charakter eher statisch, doch harmonisch mit seinen Glissandi instabil. Im Morgenständchen, der Alba der Troubadours, mit seinen schillernden Farben setzt sich dieser Stil meist fort, lässt allerdings mancherorts gezügelte Energie erkennen. In der afrikanisierten Atmo-sphäre der heissen Nächte Granadas im Schlusssatz kommen die vielfältigen Vorlieben Ohanas zum Zuge – er trägt denn auch eine typische Ohana-Bezeichnung. Nach einer langsamen Einleitung belebt sich alles, um mit einer kurzen, brillanten Schlussfloskel zu enden. Den Begriff Ngô erklärt der Komponist wie folgt: « On trouve la terminaison Ngô dans un certain nombre de mots désignant des danses d’origine africaine, parfois aussi dans les noms d’instruments accompagnant ces danses. Tels sont, dans l’art populaire andalou, le Tango, le Zongoro, le Fandango, de même que le Bongo, instrument souvent utilisé dans notre percussion. Ce vocable Ngô semble en outre caractériser des danses incantatoires venues d’anciennes cérémonies tribales.»

Dvorák hatte den ersten Satz des As-dur-Quartetts im März 1895 in New York begonnen (bis zum Ende der Exposition). Nach seiner Rückkehr nach Böhmen hatte der sonst so rastlos Tätige keine Lust aufs Komponieren («Die heilige Wahrheit, ich bin ein Faulpelz und rühre die Feder nicht an.»), und als er damit wieder anfing, schrieb er im Spätherbst zuerst ein neues Quartett in G-dur op. 106, welches deshalb auch die niedrigere Nummer 13 trägt. Erst dann verspürte er Lust, auch das angefangene Werk zu vollenden. Vielleicht lässt sich der Grund für die neue Schaffensfreude aus folgender Äusserung erschliessen: «Wir sind gottlob alle gesund und freuen uns, dass es uns nach drei Jahren wieder vergönnt ist, liebe und frohe Weihnachtsfeiertage in Böhmen zu geniessen. Deshalb fühlen wir uns alle so unaussprechlich glücklich.» Jetzt heisst es plötzlich: «Ich bin jetzt sehr fleissig. Ich arbeite so leicht und es gelingt mir so wohl, dass ich es mir gar nicht besser wünschen kann.» Am 30. Dezember war das Werk vollendet. Unter diesen Umständen verwundert nicht, dass die beiden letzten Quartette den Höhepunkt in Dvoráks Quartettschaffen bilden; sie sind anspruchsvoller als das berühmtere «Amerikanische Quartett» von 1893. Über diesem letzten Kammermusikwerk liegt die richtige Mischung zwischen freundlicher Leichtigkeit und formaler Sicherheit, so dass der Wiener Kritiker Eduard Hanslick von «reiner Meisterschaft» sprach.

rs

Claude Debussy 1862-1918

Streichquartett g-moll, op. 10 (1893)
Animé et très décidé
Assez vif et bien rythmé
Andantino, doucement expressif
Très modéré – Très mouvementé et avec passion – Tempo rubato

Maurice Ohana 1914-1992

Streichquartett Nr. 2 (1980)
Sagittaire
Mood
Alborada
Faran–Ngô

Antonín Dvorák 1841-1904

Streichquartett Nr. 14, As-dur, op. 105, B 193 (1895)
Adagio ma non troppo – Allegro appassionato
Molto vivace
Lento e molto cantabile
Allegro non tanto