Der in Nancy geborene Dusapin studierte Kunst und Ästhetik an der Universität Paris IV-Sorbonne und war 1976 Schüler von Messiaen. Als seinen „musikalischen Vater“ bezeichnet er allerdings Iannis Xenakis, seinerseits Messiaen-Schüler. Dessen Seminare besuchte er von 1974 bis 1978. (Als „musikalischer Grossvater“ gilt ihm Edgar Varèse.) Dusapin ist durch vielfältige Kompositionen bekannt geworden, etwa durch seine 2006 unter Michael Boder in Berlin uraufgeführte und in zeitlicher Nähe zum 5. Streichquartett entstandene fünfte Oper Faustus, the last night, Opera in one night and eleven numbers. Seine nächsten Kompositionen werden ein Auftragswerk Simon Rattles und der Berliner Philharmoniker und eine Oper für Aix-en-Provence (geplant für Sommer 2008) sein. Das 5. Streichquartett war bereits vor fast auf den Tag genau zwei Jahren mit dem Arditti Quartet in unseren Konzerten zu hören. Ein Kritiker schrieb damals: „Das Stück ... überrascht mit Violin-Kantilenen und wehmütig-expressiven Harmonien und gipfelt in frenetischen, kräftig akzentuierten Eruptionen.“ Für seine Kompositionen greift Dusapin gerne auf literarische Werke zurück, besonders auf Samuel Beckett. Hier ist es dessen Roman Mercier et Camier, aus dem folgende Passage dem Quartett vorangestellt ist: „Ach ja, sagt Camier. Unsere Devise sei die Langsamkeit mit Ausreissern nach links und rechts und brüske Rückwärtswendungen, den finsteren Strahlen der Eingebung folgend. Wo fangen wir an? sagt Camier. Wir fangen an, antwortet Mercier.“ Noch mehrfach zitiert ihn Dusapin im Verlauf der Partitur, so zur Coda des gesamten Werkes, das mit einem Rückgriff auf den Schluss des ersten Teils endet, mit folgendem Passus: „Wonach suchen wir eigentlich? fragt Mercier. Nach einer seltsamen Form. Was für eine seltsame Form? Ich weiss es nicht, aber das wird uns noch sehr beschäftigen.“ Im ersten Teil dominiert der Gesang der ersten Violine. Später wird das Tempo rascher und es kommt zu heftigen Ausbrüchen, bevor über einer gleichmässigen Bewegung der zweiten Violine die erste wieder auf die Lyrik des ersten Abschnitts zurückgreift. Die Fortsetzung verläuft allerdings anders: Nachdem alle Stimmen die Sechzehntel-bewegung der zweiten Violine aufgenommen haben, kommt es vor der genannten Coda zu einem schattenhaften Intermezzo. (Hinweise zum Bezug auf Beckett in Anlehnung an Martin Demmler, Berlin)
Die drei grossen späten Quartette Beethovens 132, 130 (inkl. op. 133) und 131 - dies die Entstehungsreihenfolge - weisen einige Besonderheiten und Gemeinsamkeiten auf. Als einzige Beethovenquartette gehen sie mit fünf, sechs resp. sieben Sätzen über die Viersätzigkeit hinaus. Zudem sind sie durch Motivverwandtschaft, die von einer Keimzelle aus vier Tönen in zwei gegenläufigen Halbtonschritten (dis - e / c - h) ausgeht, verbunden. Das mag beim Hören unbemerkt bleiben, doch zeigt die Analyse die geheime Klammer auf. Im cis-moll-Quartett tritt das Motiv zu Beginn der Fuge in den Tönen zwei bis fünf (his - cis / a - gis) auf. Hatte die Originalfassung des op. 130 mit einer Fuge geendet, so beginnt op. 131 ebenfalls mit einer solchen, wenn sie auch keine "Grosse" und keine so schwierige ist. Einheitlich geschlossen wirkt das "wohl Schwermütigste, was je in Tönen ausgesagt worden ist", wie sich Richard Wagner ausgedrückt hat. Der 2. Satz im 6/8-Takt übernimmt den Oktavsprung vom Ende der Fuge einen Halbton höher, der improvisationsartig wirkende 3. Satz reduziert ihn auf die Quinte. Mit nur elf Takten, von denen die letzten vier Adagio zu spielen sind, bildet er die Überleitung zum Werkzentrum, der umfangreichen tiefgründigen Variationenfolge. Der fünfteilige 5. Satz ist ein Scherzo mit Trio im Schema ABABA. Er geht nach der teilweise sul ponticello zu spielenden Coda attacca in ein 28-taktiges Adagio über. Es ist zwar selbständig gehalten, bildet aber eine Art langsame Einleitung zum Finale. Hier ist am Beginn mit den Tönen gis - a / cis - his wieder das Grundmotiv fassbar. Mit drei heftigen fortissimo-Akkorden endet das komplexeste der Beethoven-Quartette.