Konzerte Saison 2007-2008

  • 11.3.2008
  • 20:15
  • 82.Saison
  • Zyklus A
Stadtcasino, Hans Huber-Saal

Danel Quartett (Brüssel)

Im Jahre 1991 von vier französischen Musikern in Brüssel gegründet, gewinnt das Quatuor Danel bald das Vertrauen führender Persönlichkeiten der Fachwelt. Gleich zu Beginn wird es zwei Jahre hintereinander zur "Winterresidenz" nach Aldeburgh eingeladen. In den Anfangsjahren arbeiten die Musiker intensiv sowohl mit dem Amadeus-Quartett als auch mit Mitgliedern des Borodin-Quartetts, mit Walter Levin vom LaSalle Quartett und andern. Dank der reichen Lehrjahre geht das Quartett bei den größten Wettbewerben als Sieger hervor. Seither tritt es in den bedeutendsten Kammermusikorten Europas auf (z.B. Badenweiler), wo es ein weitgefächertes Repertoire aufführt: Neben Gängigem wie Beethoven, Schostakowitsch, Haydn oder Prokofjew, stehen Antheil, Dusapin, Gounod, Kurtag, Vainberg, Zemlinsky etc. Lang ist auch die Liste der Auftritte bei Festspielen: Aldeburgh; Schleswig-Holstein, Rheingau; die Festivals de Flandres und de Wallonie; Montpellier; Round Top in Texas/USA usw. Die Mitglieder des Quatuor Danel setzen sich für den Platz der Künste und besonders der Klassischen Musik in unserer modernen Welt ein. So ist es zu verstehen, dass sie im Herbst 1998 symbolisch wichtige Konzertreisen nach Aserbeidschan oder Algerien unternahmen. Für die Jeunesses Musicales Belgien haben sie Tausende junger Leute in die Musik von Beethoven und Schostakowitsch oder aus den "Années Folles" eingeführt. Jeden Sommer organisieren sie im Tal der Loire Kammermusik-Kurse für ambitionierte Amateure und junge Berufsmusiker. Das Quatuor Danel ist seit 2005 "quartet in residence" an der Universität Manchester und beim Kammermusikfestival in Kuhmo/Finnland. Es hat eine große Anzahl an CD-Einspielungen vorgelegt, die jüngsten mit dem gesamten Streichquartettwerk von Schostakowitsch sowie den vier Streichquartetten von Ahmet Adnan Saygun. Für das Label CPO arbeiten die Musiker an der Gesamteinspielung der 17 Streichquartette von Mieczyslaw Weinberg. Das Quartett wird vom Flämischen Kultusministerium und der Communauté Française in Belgien unterstützt.
Sechs Jahre waren vergangen, seitdem Haydn das Epochenwerk der Streichquartette, das op. 33, geschrieben und Anfang 1782 bei Artaria veröffentlicht hatte. Inzwischen hatte Mozart 1782 bis 1785 seine sechs Haydn gewidmeten Quartette komponiert und sie im Frühjahr Haydn in einer Privataufführung vorgespielt. Haydn selbst hatte in dieser Zeit ein einziges Quartett geschrieben (d-moll op. 42). Jetzt war für ihn die Zeit reif geworden, auf Mozart zu reagieren. Bereits 1784 scheint er eine neue Serie geplant zu haben, wie ein Brief an Artaria vom 5. April belegt, doch dann ruhte die Sache. Erst am 11. Februar 1787 versprach er dem Verleger die Übersendung eines Quartetts; am 16. September folgte die Sendung des letzten, des fünften. Im Dezember erschienen die Werke mit der von Artaria zugeteilten Opuszahl 50 im Druck. Nur vier Tage nach dem Absenden des letzten Quartetts hatte Haydn, geschäftstüchtig wie er war, die Serie auch einem Londoner Verleger verkauft - was zu einigen Differenzen mit Artaria und mit dem diesem eng verbundenen Londoner Verlag Longman & Borderip führte. Bereits im Mai hatte Haydn den Plan erwogen, die sechs Quartette Friedrich Wilhelm II., seit 1786 König von Preussen, zu widmen. Der Cello spielende König hatte sich zuvor über die Zusendung von sechs Sinfonien (wohl die „Pariser“, Nr. 82-87) gefreut und Haydn seine Vorliebe für seine Musik bestätigt. So gibt es auch von Haydn "Preussische Quartette", ohne dass aber darin wie bei Mozart in der Bedeutung des Celloparts auf den Widmungsträger Rücksicht genommen wurde. Worin liegt nun Haydns Reaktion auf die ihm gewidmeten Quartette Mozarts? Zunächst ist es vor allem die Harmonik, die reicher und kühner wird. Gewisse Modulationen lassen Schubert vorausahnen. Im Melodischen fällt die verstärkte Chromatik auf. Dazu kommen die Intensivierung des Ausdrucks und eine neue Klanglichkeit, die Ausgewogenheit der vier Stimmen und eine Aufwertung der Finali. Aber ebenso wenig wie Mozart Haydns op. 33 imitiert hatte, ahmt nun Haydn Mozart nach. Das op. 50 bleibt Haydn durch und durch. Gerade in der relativ konsequenten Monothematik, gut erkennbar im Kopfsatz des 1. Quartetts, geht Haydn eigene Wege. Wohl selten in der Musikgeschichte ist auf so hohem Niveau ein gegenseitiges Geben und Nehmen bei so viel Eigenständigkeit zu beobachten wie bei diesen Quartetten.

Der in Nancy geborene Dusapin studierte Kunst und Ästhetik an der Universität Paris IV-Sorbonne und war 1976 Schüler von Messiaen. Als seinen „musikalischen Vater“ bezeichnet er allerdings Iannis Xenakis, seinerseits Messiaen-Schüler. Dessen Seminare besuchte er von 1974 bis 1978. (Als „musikalischer Grossvater“ gilt ihm Edgar Varèse.) Dusapin ist durch vielfältige Kompositionen bekannt geworden, etwa durch seine 2006 unter Michael Boder in Berlin uraufgeführte und in zeitlicher Nähe zum 5. Streichquartett entstandene fünfte Oper Faustus, the last night,
Opera in one night and eleven numbers. Seine nächsten Kompositionen werden ein Auftragswerk Simon Rattles und der Berliner Philharmoniker und eine Oper für Aix-en-Provence (geplant für Sommer 2008) sein. Das 5. Streichquartett war bereits vor fast auf den Tag genau zwei Jahren mit dem Arditti Quartet in unseren Konzerten zu hören. Ein Kritiker schrieb damals: „Das Stück ... überrascht mit Violin-Kantilenen und wehmütig-expressiven Harmonien und gipfelt in frenetischen, kräftig akzentuierten Eruptionen.“ Für seine Kompositionen greift Dusapin gerne auf literarische Werke zurück, besonders auf Samuel Beckett. Hier ist es dessen Roman Mercier et Camier, aus dem folgende Passage dem Quartett vorangestellt ist: „Ach ja, sagt Camier. Unsere Devise sei die Langsamkeit mit Ausreissern nach links und rechts und brüske Rückwärtswendungen, den finsteren Strahlen der Eingebung folgend. Wo fangen wir an? sagt Camier. Wir fangen an, antwortet Mercier.“ Noch mehrfach zitiert ihn Dusapin im Verlauf der Partitur, so zur Coda des gesamten Werkes, das mit einem Rückgriff auf den Schluss des ersten Teils endet, mit folgendem Passus: „Wonach suchen wir eigentlich? fragt Mercier. Nach einer seltsamen Form. Was für eine seltsame Form? Ich weiss es nicht, aber das wird uns noch sehr beschäftigen.“ Im ersten Teil dominiert der Gesang der ersten Violine. Später wird das Tempo rascher und es kommt zu heftigen Ausbrüchen, bevor über einer gleichmässigen Bewegung der zweiten Violine die erste wieder auf die Lyrik des ersten Abschnitts zurückgreift. Die Fortsetzung verläuft allerdings anders: Nachdem alle Stimmen die Sechzehntel-bewegung der zweiten Violine aufgenommen haben, kommt es vor der genannten Coda zu einem schattenhaften Intermezzo. (Hinweise zum Bezug auf Beckett in Anlehnung an Martin Demmler, Berlin)

Die drei grossen späten Quartette Beethovens 132, 130 (inkl. op. 133) und 131 - dies die Entstehungsreihenfolge - weisen einige Besonderheiten und Gemeinsamkeiten auf. Als einzige Beethovenquartette gehen sie mit fünf, sechs resp. sieben Sätzen über die Viersätzigkeit hinaus. Zudem sind sie durch Motivverwandtschaft, die von einer Keimzelle aus vier Tönen in zwei gegenläufigen Halbtonschritten (dis - e / c - h) ausgeht, verbunden. Das mag beim Hören unbemerkt bleiben, doch zeigt die Analyse die geheime Klammer auf. Im cis-moll-Quartett tritt das Motiv zu Beginn der Fuge in den Tönen zwei bis fünf (his - cis / a - gis) auf. Hatte die Originalfassung des op. 130 mit einer Fuge geendet, so beginnt op. 131 ebenfalls mit einer solchen, wenn sie auch keine "Grosse" und keine so schwierige ist. Einheitlich geschlossen wirkt das "wohl Schwermütigste, was je in Tönen ausgesagt worden ist", wie sich Richard Wagner ausgedrückt hat. Der 2. Satz im 6/8-Takt übernimmt den Oktavsprung vom Ende der Fuge einen Halbton höher, der improvisationsartig wirkende 3. Satz reduziert ihn auf die Quinte. Mit nur elf Takten, von denen die letzten vier Adagio zu spielen sind, bildet er die Überleitung zum Werkzentrum, der umfangreichen tiefgründigen Variationenfolge. Der fünfteilige 5. Satz ist ein Scherzo mit Trio im Schema ABABA. Er geht nach der teilweise sul ponticello zu spielenden Coda attacca in ein 28-taktiges Adagio über. Es ist zwar selbständig gehalten, bildet aber eine Art langsame Einleitung zum Finale. Hier ist am Beginn mit den Tönen gis - a / cis - his wieder das Grundmotiv fassbar. Mit drei heftigen fortissimo-Akkorden endet das komplexeste der Beethoven-Quartette.

Joseph Haydn 1732-1809

Streichquartett Nr. 44, B-dur, op. 50, Nr. 1, Hob. III:44 (1787)
Allegro
Adagio non lento
Menuetto (Poco Allegretto) – Trio
Finale: Vivace

Pascal Dusapin 1955-

Streichquartett Nr. 5 (2004/05)
In einem Satz

Ludwig van Beethoven 1770-1827

Streichquartett Nr. 14, cis-moll, op. 131 (1826)
Adagio ma non troppo e molto espressivo
Allegro molto vivace –
Allegro moderato / Adagio / Più vivace –
Andante ma non troppo e molto cantabile –
Presto –
Adagio quasi un poco andante –
Allegro