Concerts Season 2008-2009

  • 13.1.2009
  • 20:15
  • 83.Season
  • Zyklus A
Stadtcasino, Hans Huber-Saal

Julia Kleiter, soprano Michael Gees, piano

Biography available in German ▼
Julia Kleiter, Sopran

Die aus Limburg stammende Sopranistin Julia Kleiter war seit ihrer Kindheit Mitglied des Limburger Domchores. Von 1999 bis 2002 studierte sie an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg, danach an der Hochschule für Musik in Köln. 2004 debütierte sie als Pamina in der Bob Wilson-Produktion «Die Zauberflöte» an der Opéra Bastille in Paris und übernahm 2005 kurzfristig die Pamina in einer Neuproduktion der «Zauberflöte» unter Marc Minkowski in Paris. 2007 und 2008 sang sie wieder in Paris (Lauretta in «Gianni Schicchi» und erneut Pamina). Mit der Pamina, welche sie auch unter Claudio Abbado in Edinburgh gesungen hat, feierte sie in der vom Fernsehen direkt übertragenen Aufführung des Opernhauses Zürich einen grossen Erfolg «Als Pamina setzt Julia Kleiter dem insgesamt bestechenden Ensemble die Krone auf.» (NZZ:). Hier hat sie zudem die Sophie im «Rosenkavalier» und Zdenka in «Arabella» gesungen. Auf Abbados Zauberflöteneinspielung von 2005 ist sie als Papagena zu hören. Heute gehört sie zu den führenden lyrischen Sopranen auf den Opernbühnen der Welt. Daneben gibt sie mit grösstem Erfolg Liederabende in Wien oder Salzburg, manchmal – wie bei den Schubertiaden in Hohenems und Schwarzenberg 2008 und 2009 – zusammen mit ihrem Onkel Christoph Prégardien. 2006 debutierte sie mit Liedern von Haydn, Wolf und Strauss beim Lucerne Festival.

Michael Gees, Klavier

Der 1953 als Sohn zweier Sänger geborene Michael Gees wandte sich bald der subtilen Kunst der Liedbegleitung zu. Als Liedpianist kennt man ihn als Begleiter von Christoph Prégardien, Ingeborg Danz, Juliane Banse, Olaf Bär, Stephan und Christoph Genz oder Thomas Quasthoff. Zudem ist eine Reihe von Einspielungen entstanden, zuletzt die gerühmte Neuaufnahme der «Schönen Müllerin» mit Christoph Prégardien (erschienen 2008). Die Stuttgarter Zeitung schrieb über ein Konzert, bei dem Gees den Klavierpart des erkrankten Irwin Gage übernommen hatte: «Überhaupt, dieser Michael Gees. Gäbe es nur mehr Liedbegleiter wie ihn, dann gäbe es auch mit Sicherheit weniger langweilige Liederabende.”

Commentary available in German ▼
Schumanns Gründe, 1840 sein bisher zumindest in den veröffentlichten Werken einzig dem Klavier geltendes Schaffen zugunsten der Liedkomposition zu erweitern, mögen vielfältig sein. Sicher hat die Beziehung zu Clara Wieck und die von deren Vater lange Zeit verhinderte Verheiratung mit hineingespielt. Wie konkret das für den Zyklus «Frauenliebe und –leben» gilt, ist schwierig auszumachen. Das Frauenbild, welches Chamissos Gedichte zeichnen, macht uns heute Mühe, hat aber für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts noch volle Gültigkeit. Dass Clara ihrem Robert mit der hier gezeichneten hingebungsvollen Liebe zugeneigt war, wird man nicht bestreiten. Liszt schrieb über die Ehe der Schumanns: «Keine glücklichere, keine harmonischere Vereinigung war in der Kunstwelt als die des erfinderischen Mannes mit der ausführenden Gattin, des die Idee repräsentierenden Komponisten mit der ihre Verwirklichung vertretenden Virtuosin.» Dieses Frauenbild ist letztlich dasselbe wie in Chamissos Gedichten. Der französische Adelsspross Louis Charles Adélaïde de Chamissot hatte neunjährig mit seinen Eltern in Folge der Revolution das heimatliche Schloss Boncourt bei Châlons-en-Champagne verlassen und war 1796 nach Berlin gelangt. Hier besuchte er das Französische Gymnasium. 1814 erschien Peter Schlemihl, 1830 der neunteilige Gedichtzyklus «Frauenliebe und –leben». Er schildert monodramatisch das Leben einer Frau vom jungen Mädchen über Hochzeit, Mutterschaft und Witwentum bis hin zum Alter. Das letzte Gedicht, den Rückblick der alten Frau für ihre Enkelin, hat Schumann nicht vertont. Schumanns Einfühlen in diese traditionelle Rolle der Frau ist bemerkenswert und macht aus dem Zyklus ein Meisterwerk, das hinter anderen Liederzyklen des Jahres 1840 nicht zurücksteht. Dass der Zyklus die ihm im 19. Jahrhundert zufliessende Beliebtheit heute eingebüsst hat, hängt mit dem Frauenbild zusammen, musikalisch kann man daran nichts bemängeln. Schumann hat das Werk als echten Zyklus aufgefasst und greift im letzten Lied nach der Klage der jungen Witwe im Klaviernachspiel das erste («Tempo wie das erste Lied») wieder auf und schliesst den Kreis. Von den drei neben op. 42 dargebotenen Liedern verdient die Lenau-Vertonung aus dem Todesjahr des Dichters besondere Beachtung. Die Ablösung zwischen Klavier und Gesang mit seinen Tonartenwechseln ist in diesem Nocturne auffällig, besonders schön der Mittelteil in Ges-dur.

«Zu seinem kompositorischen Glück hatte Wolf unter Schumanns Einfluss angefangen und verlagerte wie dieser die wesentlichen musikalischen Funktionen in den Klavierpart. Er begegnete damit der Gefahr rein rezitativischer Ausdeutung des Gedichts durch harmonische Kühnheit und satztechnischen Fortschritt.» Dies schreibt Dietrich Fischer-Dieskau in seinem Handbuch «Texte deutscher Lieder». Hugo Wolf, wie Mahler ein ergebener Bruckner-Schüler, gilt, obwohl er sinfonische Werke, Kammermusik und eine Oper geschrieben hat, wie kaum ein anderer als Liedkomponist. Die Lieder seiner Reife sind meist in geschlossenen Gruppen entstanden, die Mörike-, Eichendorff-, Heine-, Goethe-, Keller-Lieder sowie das spanische und italienische Liederbuch in den Jahren 1888–1892. «Mörike verdankt die musikalische Rezitation Unvergleichliches», schreibt Fischer-Dieskau. «Er war es, der Hugo Wolf zu einem gesanglichen Deklamationsstil inspirierte. (...) Er erschloss dem Interpreten Bereiche des Eindringens in die Sprache, von denen bis dahin nicht geträumt wurde.» Die Gesänge nach Gedichten des 1875 verstorbenen Pfarrers und Dichters Mörike (insgesamt 53) sind wohl seine beliebtesten und bekanntesten. Da sind wunderbare Perlen darunter, und es gelingt Wolf vielleicht gerade bei den Mörike-Gedichten noch mehr als sonst, den richtigen Ton zu treffen. Es wird, obwohl ein Grossteil der musikalischen Aussage ins Klavier verlegt und dieses manchmal virtuos behandelt wird, nicht etwa eins draufgesetzt. Die Musik kommt vom Text her und entwickelt diesen weiter. Trotz der Anlehnung an die Behandlung der Singstimme Wagners findet Wolf seine eigene Deklamation. «Wolfs Lieder sind Stücke aus Stimme und Klavier, das kann man nicht trennen; das ist eine Einheit, [...] das ist wahrscheinlich das Geheimnis» (Elisabeth Schwarzkopf, Opernwelt 2003/8).

Vor allem der junge Strauss hat sich für seine rund 200 Lieder weniger als Wolf an die «Grossen» unter den Dichtern gehalten. Seine Vorlieben liegen vielfach bei Bierbaum, Dahn, Dehmel, Gilm, Henckell oder Schack, auch wenn hie und da Goethe, Schiller, Heine, Hölderlin und zuallerletzt 1948 sogar ein Eichendorff-Gedicht (dessen Texte immerhin schon 1928 die Grundlage für den Chorzyklus «Tageszeiten» bildeten) auftauchen. Seine Lieder sind nicht für das musikalische Zuhause, sondern für den grossen Konzertsaal gedacht, wie auch die Orchestrierungen zeigen, z.B. von «Morgen». Darum kommen die kompositorischen Mittel von Strauss, wie man sie aus den Musikdramen und sinfonischen Werken kennt, stark zur Geltung. Gleichwohl stimmt Strauss oft lyrische Töne mit grossen Melodiebögen und feinen Abstufungen an. Das wohl bekannteste Lied im heutigen Programm und auch das bedeutendste aus den vier Liedern op. 27, die Strauss seiner Frau Pauline, einer bedeutenden Interpretin seiner Lieder, zum Hochzeitstag gewidmet hat, ist «Morgen», in dem das Klavier die eigentliche Melodie trägt. Die sechs Brentano-Lieder op. 68 sind nach einer Liedpause von fast fünfzehn Jahren entstanden. In ihr widmete sich Strauss den grossen Hofmannsthal-Opern (Elektra, Rosenkavalier, Ariadne, Frau ohne Schatten). Um 1919 Strauss entdeckt die Romantik, kommt aber gerade in den beiden hier vorgetragenen Liedern nicht um eine gewisse Künstlichkeit herum, die doch recht weit von Schumanns Romantikempfinden entfernt ist. Dies liegt auch daran, dass sie für Koloratursopran komponiert wurden, nämlich für Elisabeth Schumann (1888–1952), seine Nachbarin in Garmisch, welche er 1919 an die Wiener Staatsoper holte und bei Liederabenden begleitete. Vermutlich hat Strauss erst in den «Vier letzten Liedern» wirklich (wieder) zur Romantik gefunden, zu einem Zeitpunkt also, als diese längst Vergangenheit und endgültig vorbei war. Die Vertonung von Dehmels «Waldseligkeit» hat Strauss wieder seiner «lieben Frau» gewidmet und 1918 orchestriert. Dehmel (1863–1920) hat den Komponisten zu einer Reihe eindrücklicher Lieder angeregt, darunter sogar sozial gefärbte wie «Der Arbeitsmann» (op. 39/3). «Waldseligkeit» setzt wie viele der schönsten Strauss-Lieder auf die Ruhe langer lyrischer Melodiebögen. «Glückes genug» ist wie Liliencrons Text eine Art Idylle. Filigran gearbeitet ist auch Henckells «Ich schwebe»; es nimmt die Lyrismen des jungen Strauss wieder auf. Der erste grosse Erfolg des jungen Strauss war Schacks geheimnisvoll vibrierendes «Ständchen», doch mochte Strauss diesen bald nicht mehr, und die «unausrottbare Beliebtheit erpresste ihm später manchen Seufzer».

rs