Elliott Carter, fast auf den Tag ein Altersgenosse von Olivier Messiaen, darf einer der grössten modernen Komponisten der USA genannt werden. Er macht nicht durch spektakuläre, die Publizität suchende Auftritte auf sich aufmerksam, sondern durch seine gediegene, sorgfältige, aber nichtsdestoweniger lebendige Musiksprache. Er will – bei aller Radikalität – nicht aufbegehren, sondern kommunizieren. Er sucht die «fokussierte Freiheit» des Diskurses, nicht die Konfrontation. Mit Basel ist Carter durch eine enge Beziehung zu Heinz Holliger verbunden. Das fünfte seiner Streichquartette (Dauer: gut zwanzig Minuten) will zu den vorangehenden, äusserst kontrastierenden Quartetten Ergänzung und Unterschied zugleich sein. Carter wählte dafür eine neue, eigene Form. Sechs suitenartige Sätze (gerade Satzzahl) werden durch eine Einleitung und fünf Interludien getrennt. Dabei sind die Suitensätze sorgfältig durchgearbeitete Charakterstücke: «ein flüchtiges Giocoso, ein Lento espressivo mit langsam sich verlagernden Akkorden, ein hastiges, scherzoähnliches Presto scorrevole, ein rhetorisch ausdrucksvolles Adagio sereno mit hohen Flageoletttönen und schliesslich eine eigentümliche Pizzicato-Coda mit der Bezeichnung Capriccioso» (B. Northcott). Einleitung und Zwischenspiele dagegen wirken, obwohl sie genau notiert sind, frei, ja zufällig. Wie wenn Musiker während der Pausen einer Probe einzelne Passagen ihres Parts spielen, werden Elemente aus den Suitensätzen aufgenommen. So wird das gleiche musikalische Material «im Zusammenhang der Ordnung und der (scheinbaren) Unordnung hörbar».
Im Februar und März 1824 war Schubert in einer Art Schaffensrausch «unmenschlich fleissig» (Schwind). Neben dem am 1. März beendeten Oktett kündigt er drei Streichquartette an. Nur das a-moll-Quartett erlebt am 24. März seine Uraufführung und erscheint im Druck. Doch auch das d-moll-Werk muss damals entstanden sein, wird aber erst 1826 geprobt (Schubert nimmt dabei noch Korrekturen vor) und am 1. Februar erstmals aufgeführt. Hat Schubert das düstere Werk – alle vier Sätze stehen in Moll – wegen seiner Kühnheit zurückbehalten? Denn was er im Harmonischen und mehr noch im Ausdruck erreicht, ist selbst im Vergleich mit Beethovens Spätwerk neuartig. Schon in der Wahl der Variationenvorlage ist Todesnähe erkennbar. Das Todesmotiv tritt in Verbindung mit dem für Schubert so typischen Wanderrhythmus des Daktylus: lang-kurz-kurz. Der Tod kommt als Wanderer, Verkörperung von Fremdsein und Ausgeschlossensein (Denken wir an den wandernden Müllerburschen und an den Wanderer der Winterreise!), daher. Im Lied sanft und friedlich (Bin Freund und komme nicht zu strafen...), lange nicht so traurig wie der Leiermann am Ende der Winterreise, zeigen einige Variationen seine gewalttätige Macht. Noch gewaltsamer ist sein Auftritt in der Reiterhektik des Finale, wo plötzlich des Knaben Frage Siehst Vater du den Erlkönig nicht? aufscheint. So endet das Quartett in einer Art Totentanz und erreicht eine existenzielle Ausdruckskraft, die um 1824/26 ebenso schauerlich wirken musste wie die Lieder der Winterreise.