Konzerte Saison 2013-2014

  • 22.10.2013
  • 19.30
  • 88.Saison
  • Zyklus B
Stadtcasino Basel, Hans Huber-Saal

Armida Quartett (Berlin)

Das Armida Quartett benannte sich nach einer der erfolgreichsten Opern von Joseph Haydn. Dieser Verweis auf den «Vater des Streichquartetts» kommt nicht von Ungefähr, hat der grosse Meister doch selbst einmal gesagt: «Meine Sprache versteht man durch die ganze Welt». Die Sprache des Streichquartetts verständlich zu machen ist dem Armida Quartett ein grosses Anliegen. Das Quartett gründete sich im Sommer 2006 in Berlin und arbeitet seitdem intensiv mit den Mitgliedern des Artemis Quartetts zusammen. Derzeit besucht es deren Meisterklasse an der Universität der Künste. Musikalische Anregungen erhielt das Ensemble von Natalia Prischepenko sowie von Alfred Brendel, Tabea Zimmermann, Eberhard Feltz, Walter Levin, Martin Spangenberg und Heime Müller; zusätzlich nahm es an Meisterkursen des Alban Berg, Guarneri und Arditti Quartetts teil. Im September 2012 gewann das Armida Quartett den 1. Preis sowie den Publikumspreis beim 61. Internationalen Musikwettbewerb der ARD, bei dem es zusätzlich mit Sonderpreisen ausgezeichnet wurde. Bereits 2011 konnte das Armida Quartett beim 66. Concours de Genève den 1. Preis sowie weitere Preise (darunter den Sonderpreis für die Interpretation des Streichquartetts Nr. 1 von György Ligeti) in Empfang nehmen. Das Ensemble konzertierte bereits in zahlreichen Ländern Europas. Seit Oktober 2012 unterrichten die vier jungen Musiker Kammermusik an der Universität der Künste Berlin. Die Debut-CD des Quartetts mit Werken von Bartók, Ligeti und Kurtág erscheint im Herbst 2013.
Schubert war in der Jugend die Komposition von Sinfonien und Quartetten für den Schul- bzw. Hausgebrauch leicht gefallen. Dabei handelte es sich meist um Werke, die eher als Spielmusik denn als tiefgründige Einzelwerke gelten. Was im Liedschaffen schon früh gelang, fehlte im Instrumentalen noch weitgehend. Erst ab 1820 zeigte sich auch hier eine überraschende Entwicklung. Jetzt erscheinen auf einmal in den Gattungen Sinfonie und Streichquartett Werke, deren Anspruch und Klang neuartig sind. Es war ein Suchen, so dass sie nicht zu Ende geführt wurden. Dazu gehören drei Sinfonien: 1820 (oder später) D 708 – hier vor allem das Scherzo, 1821 E-dur D 729 und 1822 D 759 h-moll die «Unvollendete». Der früheste «gescheiterte» Versuch von 1820 ist ein c-moll-Streichquartett, von dem der Kopfsatz ganz und 41 Takte eines leichtgewichtigeren Andante in As-dur vorliegen. In diesem bekannten «Quartettsatz» tritt die Stimmung, wie sie für den späten Schubert so bestimmend wird, erstmals richtig auf. Die Tremoli sind keine Verlegenheit, sondern gestalten bewusst Unheimliches und Unruhe. Das lyrische Seitenthema in As-dur bietet mit seiner Sanglichkeit den Gegenpol, ohne ins Beliebige abzugleiten. Das Stück endet in der Unruhe des Beginns. Kein Wunder, dass Schubert damals noch keine Fortsetzung dafür kannte.

Ligeti und Kurtág, die in Budapest die Lehrer Sándor Veress und Ferenc Farkas gemeinsam hatten, sind wie Bartók in heute zu Rumänien gehörenden Landesteilen geboren. Beide zählen zu den bedeutenden Komponisten des 20. und frühen 21. Jahrhunderts, nicht nur Ungarns. Das 1. Streichquartett hat Ligeti mehr als zehn Jahre zurückgezogen und erst 1970, nach Entstehung des zweiten von 1968, wieder akzeptiert. Dabei handelt es sich um das wichtigste Werk der ungarischen Schaffensphase. Mit dem Bezug auf Bartók (vor allem dessen 4. Quartett) und auf Alban Berg (Lyrische Suite) war an eine Aufführung im damaligen Ungarn nicht zu denken. Erst nachdem Ligeti 1956 Ungarn verlassen hatte, kam es 1958 in Wien (wo Ligeti auch gestorben und begraben ist) zur Uraufführung. Das einsätzige Werk ist in zwölf kurze Unterabschnitte gegliedert, wobei die Wechsel manchmal wie Filmschnitte wirken. Keimzelle sind vier Töne in zwei aufsteigenden Sekundschritten (c – d / cis – dis), die ihrerseits durch eine kleine Sekunde getrennt sind. In dieser typischen Formel Bartóks begegnen sich diatonische und chromatische Tonschritte. Das Motiv taucht mehrfach auf und wird für das gesamte Stück durch dauernde Veränderung und Umformung (métamorphoses) zur Grundlage von «Variationen», die jedoch nichts mit der gängigen Variationenform zu tun haben. Verschiedene Charaktere, sogar ein Tempo di Valse, folgen ohne Unterbruch. Rasche Bewegung bis hin zu Motorik wird viermal von langsamen Teilen aufgehalten. Die Klangsprache wirkt oft orchestral: Cluster und Glissandi und andere Mittel à la Bartók oder Berg prägen das Klangbild. Ligeti äusserte sich später in einem Programmtext, man solle «nicht den Ligeti-Stil erwarten; mein eigentlicher Stil begann ... um 1958, und das Quartett aus den Jahren 1953-54 ist im Stil noch Vor-Ligeti. Bestimmt erscheinen schon einige Merkmale meiner späteren Musik, doch die ganze Faktur ist anders, ‚altmodisch’, es gibt noch deutliche melodische, rhythmische und harmonische Gebilde und Taktmetrik. Es handelt sich nicht um tonale Musik, doch eine radikale Atonalität ist auch nicht vorhanden. Das Stück gehört noch stark zur Bartók-Tradition.»

Für Kurtág waren trotz eigenständiger Tonsprache ebenfalls Bartók sowie Webern Vorbilder. Von Bartók übernahm Kurtág das periodische Denken («Es geschieht etwas – und es wird geantwortet.»), von Webern die Verknappung der Formen, die wie Momentaufnahmen wirken. Schon im ersten seiner inzwischen acht Werke bzw. Stücke für Streichquartett (darunter mehrere «Hommages à...») sind die Sätze auffallend kurz. Dass er gerade diesem Werk die Opuszahl 1 gab, ist kein Zufall, obwohl er bereits 33 Jahre alt war: Hier hatte er seinen Stil und seine Kompositionstechnik gefunden. Der Kopfsatz exponiert knappe Motive, die durch feste Intervalle gekennzeichnet sind (grosse Terz, kleine Sekund, Quinte, Septime); sie definieren jeweils einen Klangmoment. Die sieben Anfangstakte bezeichnete Kurtág als «Fleckerlteppich, aus verschiedenen Farben und Mustern zusammengesetzt» und sieht in ihnen den Ausgangspunkt sowohl für das ganze Quartett als auch für sein weiteres Schaffen. Dem Kopfsatz entspricht das Schluss-Adagio als Epilog. Dazwischen tritt in den Sätzen 2 und 5 die Ostinato-Technik in den Vordergrund; die beiden Mittelsätze enthalten Momente der traditionellen Typen Scherzo und Langsamer Satz. Weberns Technik zeigt sich im Verzicht auf jede Art von Schlusskadenz oder Schlusswendung. Es war die Psychologin Marianne Stein, die den Komponisten 1957/58 in Paris auf den richtigen Weg und zu der für ihn geeigneten Kompositionsform geführt hat. Kein Wunder, dass ihr dieses Schlüsselwerk gewidmet ist.

Die 1782 begonnene Folge von sechs Quartetten schloss Mozart erst zu Beginn des Jahres 1785 ab: Am 10. Januar trug er das A-dur-Quartett, vier Tage später das Dissonanzen-Quartett in sein Werkverzeichnis ein. Bereits am 15. Januar fand die Aufführung vor Freunden, darunter Haydn, statt. Spätestens zu Beginn des Jahres muss Mozart auch den Plan gefasst haben, die Quartette Haydn zu widmen. KV 464 ist wohl das am feinsten gearbeitete Mozart-Quartett. Die Qualität liegt weniger im Reiz der Themen als in ihrer sorgfältigen Verarbeitung und polyphonen Dichte – darüber liegt typisch mozartsche Anmut. Im lyrischen Kopfsatz setzt die 1. Violine mit dem ersten Motiv ein, bevor alle vier Instrumente mit vier Akkorden darauf reagieren; das ebenfalls zweiteilige zweite Thema besteht aus einem aufsteigenden chromatischen Dreitonmotiv, dem die 1. Geige eine Triolenfolge nachschickt. Daraus entsteht ein höchst dichtes polyphones Stück. Das an zweiter Stelle stehende Menuett beginnt mit einem Unisono-Thema, dem die 1. Geige eine melodische Fortsetzung folgen lässt. Im Trio, in sanglicher Heiterkeit, glänzt zu Beginn des zweiten Teiles die 1. Geige mit eleganten Triolenfolgen. Höhepunkt sind die Variationen des Andante. Das Thema ist kein populäres Lied wie bei Haydn oder Schubert, sondern ein höchst klassisches. Originell ist in der 6. Variation das Ostinato-Motiv des Cellos, als ob eine kleine Trommel den Rhythmus angeben wollte; in der Coda wandert es durch die Instrumente. Kurz vor Schluss tritt das Thema in der 1. Geige verkürzt wieder auf, dann beschliesst das «Trommelmotiv» des Cellos den Satz. Meisterhaft auch das Finale, wiederum ein Sonatensatz. Es beginnt mit einem chromatischen Viertonmotiv, das in Halbtonschritten absteigt und den ganzen kunstvollen Satz bestimmt – und damit endet er auch. Beethoven schätzte dieses Quartett beson¬ders und fertigte eigenhändig eine Kopie des Finale an.

Franz Schubert 1797-1828

Streichquartett Nr. 12, c-moll, op. post., D 703 «Quartettsatz» (1820)
Allegro assai

György Ligeti 1923-2006

Streichquartett Nr. 1 «Métamorphoses Nocturnes» (1953/54)
1. Allegro grazioso
2. Vivace, capriccioso
3. Adagio, mesto
4. Presto
5. Prestissimo
6. Andante tranquillo
7. Tempo di Valse, moderato, con eleganza, un poco capriccioso
8. Subito prestissimo
9. Allegretto, un poco gioviale
10. Prestissimo
11. Ad libitum, senza misura
12. Lento

György Kurtág 1926-

Quartetto per archi, a Marianne Stein, op. 1 (1959)
Poco agitato
Con moto
Vivacissimo
Con spirito
Molto ostinato
Adagio

Wolfgang Amadeus Mozart 1756-1791

Streichquartett Nr. 18, A-dur, KV 464 (1784/85)
Allegro
Menuetto – Trio
Andante
Allegro (non troppo)