Ligeti und Kurtág, die in Budapest die Lehrer Sándor Veress und Ferenc Farkas gemeinsam hatten, sind wie Bartók in heute zu Rumänien gehörenden Landesteilen geboren. Beide zählen zu den bedeutenden Komponisten des 20. und frühen 21. Jahrhunderts, nicht nur Ungarns. Das 1. Streichquartett hat Ligeti mehr als zehn Jahre zurückgezogen und erst 1970, nach Entstehung des zweiten von 1968, wieder akzeptiert. Dabei handelt es sich um das wichtigste Werk der ungarischen Schaffensphase. Mit dem Bezug auf Bartók (vor allem dessen 4. Quartett) und auf Alban Berg (Lyrische Suite) war an eine Aufführung im damaligen Ungarn nicht zu denken. Erst nachdem Ligeti 1956 Ungarn verlassen hatte, kam es 1958 in Wien (wo Ligeti auch gestorben und begraben ist) zur Uraufführung. Das einsätzige Werk ist in zwölf kurze Unterabschnitte gegliedert, wobei die Wechsel manchmal wie Filmschnitte wirken. Keimzelle sind vier Töne in zwei aufsteigenden Sekundschritten (c – d / cis – dis), die ihrerseits durch eine kleine Sekunde getrennt sind. In dieser typischen Formel Bartóks begegnen sich diatonische und chromatische Tonschritte. Das Motiv taucht mehrfach auf und wird für das gesamte Stück durch dauernde Veränderung und Umformung (métamorphoses) zur Grundlage von «Variationen», die jedoch nichts mit der gängigen Variationenform zu tun haben. Verschiedene Charaktere, sogar ein Tempo di Valse, folgen ohne Unterbruch. Rasche Bewegung bis hin zu Motorik wird viermal von langsamen Teilen aufgehalten. Die Klangsprache wirkt oft orchestral: Cluster und Glissandi und andere Mittel à la Bartók oder Berg prägen das Klangbild. Ligeti äusserte sich später in einem Programmtext, man solle «nicht den Ligeti-Stil erwarten; mein eigentlicher Stil begann ... um 1958, und das Quartett aus den Jahren 1953-54 ist im Stil noch Vor-Ligeti. Bestimmt erscheinen schon einige Merkmale meiner späteren Musik, doch die ganze Faktur ist anders, ‚altmodisch’, es gibt noch deutliche melodische, rhythmische und harmonische Gebilde und Taktmetrik. Es handelt sich nicht um tonale Musik, doch eine radikale Atonalität ist auch nicht vorhanden. Das Stück gehört noch stark zur Bartók-Tradition.»
Für Kurtág waren trotz eigenständiger Tonsprache ebenfalls Bartók sowie Webern Vorbilder. Von Bartók übernahm Kurtág das periodische Denken («Es geschieht etwas – und es wird geantwortet.»), von Webern die Verknappung der Formen, die wie Momentaufnahmen wirken. Schon im ersten seiner inzwischen acht Werke bzw. Stücke für Streichquartett (darunter mehrere «Hommages à...») sind die Sätze auffallend kurz. Dass er gerade diesem Werk die Opuszahl 1 gab, ist kein Zufall, obwohl er bereits 33 Jahre alt war: Hier hatte er seinen Stil und seine Kompositionstechnik gefunden. Der Kopfsatz exponiert knappe Motive, die durch feste Intervalle gekennzeichnet sind (grosse Terz, kleine Sekund, Quinte, Septime); sie definieren jeweils einen Klangmoment. Die sieben Anfangstakte bezeichnete Kurtág als «Fleckerlteppich, aus verschiedenen Farben und Mustern zusammengesetzt» und sieht in ihnen den Ausgangspunkt sowohl für das ganze Quartett als auch für sein weiteres Schaffen. Dem Kopfsatz entspricht das Schluss-Adagio als Epilog. Dazwischen tritt in den Sätzen 2 und 5 die Ostinato-Technik in den Vordergrund; die beiden Mittelsätze enthalten Momente der traditionellen Typen Scherzo und Langsamer Satz. Weberns Technik zeigt sich im Verzicht auf jede Art von Schlusskadenz oder Schlusswendung. Es war die Psychologin Marianne Stein, die den Komponisten 1957/58 in Paris auf den richtigen Weg und zu der für ihn geeigneten Kompositionsform geführt hat. Kein Wunder, dass ihr dieses Schlüsselwerk gewidmet ist.
Die 1782 begonnene Folge von sechs Quartetten schloss Mozart erst zu Beginn des Jahres 1785 ab: Am 10. Januar trug er das A-dur-Quartett, vier Tage später das Dissonanzen-Quartett in sein Werkverzeichnis ein. Bereits am 15. Januar fand die Aufführung vor Freunden, darunter Haydn, statt. Spätestens zu Beginn des Jahres muss Mozart auch den Plan gefasst haben, die Quartette Haydn zu widmen. KV 464 ist wohl das am feinsten gearbeitete Mozart-Quartett. Die Qualität liegt weniger im Reiz der Themen als in ihrer sorgfältigen Verarbeitung und polyphonen Dichte – darüber liegt typisch mozartsche Anmut. Im lyrischen Kopfsatz setzt die 1. Violine mit dem ersten Motiv ein, bevor alle vier Instrumente mit vier Akkorden darauf reagieren; das ebenfalls zweiteilige zweite Thema besteht aus einem aufsteigenden chromatischen Dreitonmotiv, dem die 1. Geige eine Triolenfolge nachschickt. Daraus entsteht ein höchst dichtes polyphones Stück. Das an zweiter Stelle stehende Menuett beginnt mit einem Unisono-Thema, dem die 1. Geige eine melodische Fortsetzung folgen lässt. Im Trio, in sanglicher Heiterkeit, glänzt zu Beginn des zweiten Teiles die 1. Geige mit eleganten Triolenfolgen. Höhepunkt sind die Variationen des Andante. Das Thema ist kein populäres Lied wie bei Haydn oder Schubert, sondern ein höchst klassisches. Originell ist in der 6. Variation das Ostinato-Motiv des Cellos, als ob eine kleine Trommel den Rhythmus angeben wollte; in der Coda wandert es durch die Instrumente. Kurz vor Schluss tritt das Thema in der 1. Geige verkürzt wieder auf, dann beschliesst das «Trommelmotiv» des Cellos den Satz. Meisterhaft auch das Finale, wiederum ein Sonatensatz. Es beginnt mit einem chromatischen Viertonmotiv, das in Halbtonschritten absteigt und den ganzen kunstvollen Satz bestimmt – und damit endet er auch. Beethoven schätzte dieses Quartett beson¬ders und fertigte eigenhändig eine Kopie des Finale an.