Konzerte Saison 2014-2015

  • 3.3.2015
  • 19.30
  • 89.Saison
  • Zyklus A
Stadtcasino Basel, Hans Huber-Saal

Galatea Quartett (Zürich) Ryszard Groblewski, Viola | István Várdai, Violoncello

Das Galatea Quartett wurde im Jahr 2005 gegründet, von Stephan Goerner vom Carmina Quartett und dem Artemis Quartett in Berlin betreut und durch die European Chamber Music Academy gefördert. Rasch folgten Wettbewerbserfolge in Genf, Zürich, Osaka und Bordeaux. Konzerttourneen führten durch Europa, aber auch nach Japan, Argentinien, Kanada und Indien. Das Galatea Quartett war Gast an bedeutenden Festivals. 2011 erschien bei Sony Classical das Debüt-Album «Ernest Bloch: Landscapes-Works for String Quartet», für welches das Ensemble mit einem ECHO-Preis für die beste Kammermusikeinspielung des Jahres (Musik des 20./21. Jh.) ausgezeichnet wurde. 2013 folgte die Ehrung mit dem renommierten Kulturförderpreis des Kantons Zürich. Neben dem klassischen Repertoire hat das Galatea Quartett immer auch ungewohntes Terrain erkundet und innovative, genreübergreifende Konzepte entworfen. Zum eigenständigen Profil des Quartetts trägt auch die Zusammenarbeit mit Isabel Mundry und Helmut Lachenmann bei. Crossover-Projekte sind beinahe alltäglich. Sie führten zur Zusammenarbeit mit Jon Lord (Deep Purple), Tina Turner und dem Schriftsteller Urs Faes sowie zu einer Aufführungsserie der Pink Floyd-Adaptation «To the Dark Side of the Moon».

Ryszard Groblewski wurde 1983 in Warschau geboren und absolvierte sein Studium an der Warschauer Musikakademie. In jüngster Zeit entwickelte er seine musikalischen Fähigkeiten mit Hilfe verschiedener international bekannter Künstler weiter. 2005 gewann er den ersten Preis beim 60. Concours de Genève, 2004 den zweiten beim Internationalen ARD Musikwettbewerb in München. Er tritt regelmässig in ganz Europa als Solist und Kammermusiker auf. Seit 2009 ist Groblewski Solo-Bratschist des Zürcher Kammerorchesters.

István Várdai, 1985 im ungarischen Pécs geboren, studierte seit 1997 an der Budapester Ferencz-Liszt-Akademie und seit 2005 bei Reinhard Latzko an der Wiener Musik-Akademie. Er ist Preisträger zahlreicher internationaler Wettbewerbe wie des 63. Internationalen Musikwettbewerbs von Genf, des Moskauer Tschaikovsky-Wettbewerbs 2007 (3. Preis) oder des Internationalen David-Popper-Musikwettbewerbs Budapest (dreimal 1. Preis). Er gab Konzerte mit zahlreichen Orchestern und interpretierte dabei fast alle wichtigen Konzerte der Cello-Literatur. Seine Debüt-CD erschien im Oktober 2009. Der Genfer Wettbewerbssieg trug ihm zahlreiche Verpflichtungen 2009-2011 in der Schweiz ein.

Blochs Vater, ein Uhrmacher, war aus dem aargauischen Lengnau nach Genf gezogen. Der junge Ernest zeigte musikalische Neigungen und spielte Geige. Vierzehnjährig kam er zu Emile Jaques-Dalcroze ans Konservatorium; der erkannte seine kompositorischen Fähigkeiten. 1896 ging Bloch gegen den Widerstand der Eltern nach Brüssel zu Eugène Ysaÿe. Mit dem dortigen Kompositionslehrer unzufrieden wechselte er 1899 nach Frankfurt, dann nach München zu Ludwig Thuille. Erste Kompositionen eckten, etwa 1903 bei einem Musikfest in Basel, bei Kritikern an. Die Oper «Macbeth» war 1910 in Paris kein Erfolg. So wirkte Bloch als Dirigent, arbeitete für die Eltern und hielt am Genfer Konservatorium musikästhetische Vorlesungen (ein Schüler war Ernest Ansermet). 1916 ging er nach Amerika und wurde 1924 amerikanischer Staatsbürger. Er war als Komponist und Lehrer anerkannt, erhielt Auszeichnungen und Unterstützung. Rückkehrversuche in die Schweiz brach er in den Dreissigerjahren wegen des Antisemitismus in Europa ab. Jüdisch geprägte Kompositionen bilden einen wichtigen Teil des Schaffens. Bekannt ist die Rhapsodie «Schelomo» (1916) für Cello und Orchester; die Sinfonie «Israel» wurde im selben Jahr vollendet. Zeitlebens blieb er fortschrittlich, setzte sich trotz nie ganz verleugneten romantischen Wurzeln mit der Zwölftontechnik auseinander und verwendete in den Fünfzigerjahren atonale Elemente. Sein 1. Streichquartett (von sechs) – ein «Nulltes» von 1896 hat das Galatea Quartett 2011 erstmals eingespielt – brachte 1916 das Flonzaley Quartet in New York erfolgreich zur Uraufführung. In den Zwanzigerjahren schrieb er mehrere kürzere Quartettstücke. Das späteste, das zu den jüdischen Werken gezählte Prélude, entstand am 13. Mai 1925: eine meditative freie Fuge mit einem d-moll-Thema aus kleinen Intervallen und einem von der 1. Geige intonierten lyrischen neuen Element steigert sich zum Fortissimo. Die in vier Tagen komponierten «Landschaften» (Uraufführung zusammen mit «Night» 1924, Flonzaley Quartet) verbinden exotische Eindrücke: Die erste, eine als «North» lokalisierte «study in pianissimo», reflektiert den Besuch eines Inuit-Dokumentarfilms: Klangliche Spielweisen (Sordino, Flageolett) erwecken den Eindruck klirrender Kälte. Das klangvoll-pastorale «Alpestre» lässt an verfremdete Alphornklänge denken. In «Tangataboo» wirkt ein fremdartiger Tanz exotisch-folkloristisch wie der Name der pazifischen Insel. «Night», ebenfalls vom erwähnten Film inspiriert, ist ein melancholisches, sich zuletzt aufhellend nach C-dur wendendes Naturstück.

Kelterborns Streichquartett V war 1988/89 als Auftrag der Kammermusik Basel entstanden (Uraufführung 24. Oktober 1989). Zwölf Jahre danach folgte die Nummer 6, diesmal als Auftragswerk des Musikkollegiums Winterthur. Die Uraufführung spielte am 16. November 2002 das Winterthurer Streichquartett mit Willi Zimmermann, der als 1. Geiger des Amati-Quartetts bereits an der Uraufführung des 5. Quartetts beteiligt war. In der NZZ vom 18.11. schrieb Kristina Ericson: «Obwohl sich Kelterborns Auseinandersetzung mit der Streichquartett-Besetzung auch in gattungstypischen Elementen wie der singenden Stimme der 1. Violine, der inhaltlichen Bündelung im letzten Satz und der Viersätzigkeit spiegelt, ist die Komposition eigenständig und von tiefgründiger Intensität. Zur solistisch exponierten, markanten Gestik der 1. Violine setzen im ersten Satz 2. Violine, Viola und Violoncello allmählich zarte, sich verselbständigende Gegenpole, wobei die 1. Violine im Mittelteil in einen selbstvergessenen, klagend-meditativen Gesang mündet. Der ruhigere zweite Satz ist von beklemmender Dichte. Die vier Instrumente ringen sich in abwechselnder Führungsrolle und im Sichfinden in verharrenden Akkorden ihre entsprechenden Klangfelder mühsam ab. Dagegen breitet sich im zarten, in höchsten Höhen schimmernden dritten Satz eine innere Ruhe aus. Die zu Beginn des vierten Satzes in den Raum gestellten aggressiven Akkorde, die höchste und tiefste Lagen vereinen oder gegenüberstellen, wirken danach fast wie ein Schock, bevor das Werk mitten im leisen Nachsinnen zum Stillstand kommt.» Die vier Sätze haben keine Haupt-Tempovorschriften in Worten, sondern Metronomangaben. In der handschriftlichen Partitur fallen die präzisen, Tongruppen und häufig jeden Ton betreffenden differenzierten Spielanweisungen auf.

Das B-dur-Streichsextett ist die erste reine Streicherkomposition, die Brahms gelten liess. Wie viele Quartette er zuvor entworfen, komponiert, verworfen und vernichtet hat, ist nicht klar. Klar hingegen ist wohl, warum sie kein Quartett war. Die Gattung war um 1860 von grossen Vorbildern belastet und mit hohen Erwartungen verbunden, die es einem vom Klavier herkommenden Komponisten (der in der Jugend allerdings auch Cello spielte) besonders schwer gemacht hat. Das Sextett war damals nicht etabliert, auch wenn es frühere Kompositionen gab (Boccherini, Pleyel, Spohr). Es konnte ihm etwas Divertimentohaftes anhaften, was sich in der gelegentlichen Besetzung mit Kontrabass statt zweitem Cello zeigt. Ab 1860 werden Streichsextette zahlreicher; Brahms selbst hat bereits 1864/65 sein zweites (G-dur, op. 36) geschrieben. Gereizt hat ihn wohl der dunklere Gesamtklang. Ob er die Gattung für leichtgewichtig hielt? Das B-dur-Werk nannte er im Gegenteil ein «langes sentimentales Stück». Es ist voller Emotionalität, aber auch voll von Melodienseligkeit. Und im Widerspruch zu einem allenfalls leichteren Charakter findet sich hier jene Detailarbeit, die Schönberg später als «entwickelnde Variation» bezeichnen wird und für die er den angeblich konservativen Brahms bewunderte. Diese variative Verarbeitung thematischer Motive finden wir im Kopfsatz, wo das Motivmaterial aus dem Themenkopf des Hauptthemas und dem Auftaktmotiv des Seitenthemas stammt. Eine in beinahe schubertscher Formerweiterung zwischen Haupt- und Seitenthema eingeschobene Ländlermelodie in A-dur löst dagegen keine Entwicklung aus. Sie kehrt in der Durchführung in e-moll wieder. Der prächtige langsame Variationensatz (Brahms erstellte eine Klavierfassung davon und schenkte sie Clara Schumann zum 41. Geburtstag) verarbeitet das Thema einfacher. Über gleich bleibendem Bass entsteht eine chaconnehafte Reihe von Veränderungen, die mehr durch die Kontraste im Rhythmischen und im Ausdruck bestimmt wird als durch echte Umarbeitung des Materials. Dies und die dunkle d-moll-Stimmung lässt an Schuberts Vorgehen bei den Tod und das Mädchen-Variationen denken. Spielfreudig heiter gibt sich das Scherzo, während das Rondo zu lyrischer Expressivität zurückkehrt. Der Form entsprechend bleiben die Themen unverändert, in den Verbindungsteilen dagegen werden ihre Motive aktiv variiert und entwickelt. Auffällig ist im ganzen Werk die Spannung zwischen kammermusikalischem Satz und orchestraler Klangfülle – ein Element, welches durch den Beizug der zwei tieferen Streicherstimmen begünstigt wird.

Ernest Bloch 1880-1959

Fünf Stücke für Streichquartett (1923/25)
Prélude (Recueillement). Larghetto (1925)
Landscapes (Paysages) (1923):
North. Moderato molto
Alpestre. Allegretto
Tongataboo. Allegro
Night. Andante moderato (1923)

Rudolf Kelterborn 1931-2021

Streichquartett Nr. 6 (1988/89)
In vier Sätzen

Johannes Brahms 1833-1897

Streichquartett Nr. 1, c-moll, op. 51, Nr. 1 (1873)
Allegro
Romanze: Poco adagio
Allegretto molto moderato e comodo – Un poco più animato
Finale: Allegro