Konzerte Saison 2018-2019

  • 26.3.2019
  • 19:30
  • 93.Saison
  • Abo 7
Oekolampad Basel

Dover Quartet (Philadelphia)

Das Dover Quartet gilt als eines der bemerkenswertesten jungen Streichquartette unserer Tage. Die Musiker, die sich bereits mit 19 Jahren zusammenschlossen, gewannen 2010 den Fischoff Wettbewerb, wurden beim Internationalen Wettbewerb in London ausgezeichnet und konnten 2013 den Internationalen Wettbewerb im kanadischen Banff für sich entscheiden. Die folgende Tournee wurde für das Ensemble zu einem phänomenalen Erfolg. Die Mitglieder des Dover Quartets lernten sich 2008 am Curtis Institute of Music in Philadelphia kennen. Die musikalischen Wurzeln des Quartetts sind in der Tradition des Vermeer und des Guarneri Quartetts zu finden. Alle Mitglieder des Quartetts sind auch gefragte Solisten und konzertierten bereits mit renommierten Orchestern. In den vergangenen Saisons gab das Dover Quartet zahlreiche Konzerte in den USA, Kanada und Südamerika. In Europa war das Ensemble in London, Paris, im Beethoven-Haus Bonn, in Köln, im Concertgebouw Amsterdam, in München, Salzburg, Genf, Berlin, Frankfurt, München, Brüssel, auf Schloss Esterházy und bei zahlreichen Musikfestspielen zu erleben.

Im September 2016 erschien die Debut-CD des Quartetts mit Mozarts Quartetten KV 589 und 590 sowie dem Streichquintett nach der Serenade KV 388 – eine Hommage an die erste Aufnahme des Guarneri Quartetts. 2018 folgte eine weitere CD, die unter dem Titel «Voices of Defiance» Kompositionen von Ullmann, Schostakowitsch und Laks aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs gewidmet ist.

Das Dover Quartet arbeitete am Curtis Institute intensiv mit renommierten Kammermusikern wie Shmuel Ashkenasi, Arnold Steinhardt, Joseph Silverstein und Peter Wiley zusammen und ist derzeit das Graduate String Quartet-in-Residence an der Rice University’s Shepherd School of Music in Houston (Texas). 2013 wurde es das allererste Quartet-in-residence am Curtis Institute of Music. Das Quartett ist nach dem Werk «Dover Beach» von Samuel Barber benannt, einem ehemaligen Schüler des Curtis Institute.

Mit 21 Jahren hat der Amerikaner Samuel Barber das Gedicht «Dover Beach» des englischen Dichters Matthew Arnold (1822-1888) für mittlere Stimme und Streichquartett vertont, ihm die Opuszahl 3 gegeben und es als Sänger selber uraufgeführt. Nach dem Titel dieses Gedichts hat sich das heutige Gastensemble benannt – keine Überraschung also, dass es auch Barbers Streichquartett aufführt. Dieses ist fünf Jahre nach dem op. 3 entstanden. Darin findet sich die Urfassung jenes Satzes, dem Barber bis heute seine allgemeine Bekanntheit verdankt: das Adagio for strings, das 1938 Arturo Toscanini uraufgeführt hat. Das Stück wurde und wird häufig anlässlich des Todes oder des Begräbnisses berühmter Personen gespielt, so bei den Präsidenten Roosevelt und Kennedy oder für Albert Einstein. Bekannt wurde es auch durch die Verwendung in Filmen, etwa im Antikriegsfilm «Platoon» von 1986. 1967 hat Barber den Satz für achtstimmigen Chor zu einem «Agnus Dei» umgeformt. Das Quartett op. 11 ist in Rom entstanden, wo sich der Komponist dank einem Stipendium damals aufhielt. Es gliedert sich in zwei Abteilungen. Die erste besteht aus dem Kopfsatz, die zweite umfasst das Adagio und das Finale. Der erste Satz in h-moll, klassisch in Form und Tonsprache, hält sich weitgehend an eine Sonatenform mit drei Themen. Das erste Thema weist ein markantes Kopfmotiv auf, das im ganzen Satz bestimmend bleibt. Das zweite Thema, elegisch in Klang und Duktus, kontrastiert dazu. Ein dritter Gedanke nimmt wieder Bewegung an und spielt mit dem Hauptmotiv, während die Durchführung auf das elegische Material zurückgreift. Eine Überleitung mit dissonanten Reibungen führt zum Hauptthema und zur Reprise zurück. Das Adagio in b-moll ist ein zarter, ruhiger Klagegesang voll Melancholie, der sich nur einmal zu grosser klanglicher Intensität steigert. Der attacca folgende, etwa zweiminütige Schlusssatz greift, wie die Tempobezeichnung andeutet, auf den Kopfsatz zurück und endet in einer Presto-Coda.

Hierzulande wenig bekannt ist der einer jüdischen Familie entstammende, in Warschau geborene Szymon Laks. Zunächst hat er in Wilna und Warschau zwei Jahre Mathematik studiert, sich aber 1921 der Musik zugewandt. 1926 kam er über Wien nach Paris, wo er das Musikstudium 1927 bis 1929 fortführte, u. a. mit Komposition bei Paul Vidal (1863-1931). Die polnische Form des Vornamens wurde in Paris zum französischen Simon. Laks war als Musiklehrer tätig, komponierte und übte eine Reihe verschiedener musikalischer Tätigkeiten aus. 1941 wurde er als nichtfranzösischer Jude im Lager Pithiviers (Dép. Loiret) interniert und im Juli 1942 ins KZ Auschwitz II-Birkenau verbracht. Dort ermöglichte ihm die Musik, das KZ zu überleben, denn er hatte im Lagerorchester verschiedene Funktionen inne (Mitglied, Arrangeur) und wurde auch dessen Leiter. Im Buch «Musique d’un autre monde», das er mit seinem Leidensgenossen René Coudy verfasst und 1948 publiziert hat (ausführlicher die polnische Ausgabe 1978; deutsche Ausgabe «Musik in Auschwitz» 1998, erweitert 2014), schilderte er das schreckliche Leben und sein Überleben in Birkenau. Als die östlichen KZ wegen der nach Westen vorrückenden Roten Armee evakuiert wurden, überführte man Laks nach Dachau, wo es keine Musik mehr gab. Nach der Befreiung kehrte er nach Paris zurück. Das erste Werk war 1945 das 3. Streichquartett «sur des motifs populaires polonais». Es wurde am 25. November 1945 in der Sorbonne in Paris uraufgeführt. (Die beiden ersten Quartette von 1928 und 1932 sind verloren; 1962 und 1964 folgten die Quartette Nr. 4 und 5.) 1967 hat Laks das 3. Quartett auch für Klavierquintett bearbeitet. Nach 1967 gab er das Komponieren weitgehend auf und wandte sich vermehrt dem Schreiben von literarischen und politischen Texten zu. Das 3. Quartett basiert auf etwa 12 polnischen Volksliedern, die sich aber nicht alle identifizieren liessen. Sie stammen aus der Folklore aller Regionen seiner Heimat. Es war Laks offenbar wichtig, nicht nur polnische Musik, sondern möglichst ganz Polen in sein Werk einzubeziehen. Im 2. Satz hat er u. a. das Lied vom hungernden Soldaten, der durch den Wald geht, eingebaut – wohl kein Zufall, wenn man an die Lagererlebnisse denkt, die er in seinem Buch schildert. Der 4. Satz wird mit einer Gaik-Melodie eröffnet, welche Mädchen bei Frühlingsbeginn im Umzug mit einem geschmückten Bäumchen sangen.

Dvořák hat das As-dur-Streichquartett op. 105 am 26. März 1895, kurz bevor er am 16. April Amerika endgültig verliess, in New York begonnen. Er kam aber damals nicht über die Exposition im Kopfsatz hinaus, während er doch das «Amerikanische Quartett» im Juni 1893 in nur sechzehn Tagen komponiert hatte. Vielleicht war es damals die Atmosphäre in Spilville gewesen, wo er mit seinen Landsleuten zusammen war, welche ihm das Komponieren leicht gemacht hat. Nach der Rückkehr in seine Heimat war ihm nicht ums Komponieren zu tun; so schrieb er: «Ich bin ein Faulpelz und rühre die Feder nicht an.» Erst zwischen dem 11. November und 9. Dezember vollendete er ein Quartett – es war aber nicht das in As-dur, sondern ein neues in G-dur. Der Bann war gebrochen, und Dvořák notierte: «Ich bin jetzt sehr fleissig. Ich arbeite so leicht und es gelingt mir so wohl, dass ich es mir gar nicht besser wünschen kann.» Und so wurde am 30. Dezember auch das As-dur-Werk beendet. Es ist reich an kantablen Motiven und Themen und überzeugt durch deren kunstvolle und kontrastreiche Verarbeitung. Der Kopfsatz beginnt mit einer bei Dvořák ungewohnten langsamen Einleitung von 14 Takten in düsterem as-moll (Tonart mit sieben «b»). Sie führt kanonartig einsetzend über verschiedene Schritte von Teilmotiven auf das Hauptthema des Allegro hin, genauer auf dessen erste vier Takte; aus ihnen wird dann das ganze Thema entwickelt. Das zweite Thema des Satzes erinnert mit einem Triolenmotiv an Hornrufe. Der zweite Satz ohne Gattungsbezeichnung – Scherzando wäre wohl passend – ist ein reizvolles Stück in f-moll. Die wechselnde Betonung von 1 auf 3 gleich zu Beginn erinnert an den Furiant, dem der Wechsel von 2/4 zu 3/4-Takt eigen ist. Gleichwohl ist der Satz kein vehementer Furiant, wie man ihn etwa von der Nr. 1 der Slawischen Tänze kennt. Im Des-dur-Trio verwendet Dvořák eine Melodie aus seiner Oper «Der Jakobiner» (1887/88). Liedhaft ist – wie die Satzbezeichnung cantabile nahelegt – der langsame Satz. Dazu tragen nach dem chromatischen Mittelteil vogelstimmenartige melodische Umspielungen in der Wiederholung des Hauptteils bei. Das Finale wird vom Cello eröffnet, das, wenn auch sostenuto, gleich das Anfangsmotiv des Hauptthemas einführt. Nach elf Takten erscheint dieses dann im richtigen Tempo. Die 24 ersten Takte werden wiederholt – so kommt der umfangreiche Schlusssatz (524 Takte im 2/4-Takt) voller Energie in Gang. Eine mitreissende Stretta bringt das Quartett und damit Dvořáks Kammermusikschaffen zum Abschluss.

Samuel Barber 1910-1981

Streichquartett op. 11 (1936)
I. Molto allegro e appassionato
II. Molto adagio –
Molto allegro (come prima) – Presto

Simon Laks 1901-1983

Streichquartett Nr. 3 (1945)
Allegro quasi presto
Poco lento, sostenuto
Vivace non troppo
Allegro moderato, giusto

Antonín Dvorák 1841-1904

Streichquartett Nr. 14, As-dur, op. 105, B 193 (1895)
Adagio ma non troppo – Allegro appassionato
Molto vivace
Lento e molto cantabile
Allegro non tanto