Im September 2016 erschien die Debut-CD des Quartetts mit Mozarts Quartetten KV 589 und 590 sowie dem Streichquintett nach der Serenade KV 388 – eine Hommage an die erste Aufnahme des Guarneri Quartetts. 2018 folgte eine weitere CD, die unter dem Titel «Voices of Defiance» Kompositionen von Ullmann, Schostakowitsch und Laks aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs gewidmet ist.
Das Dover Quartet arbeitete am Curtis Institute intensiv mit renommierten Kammermusikern wie Shmuel Ashkenasi, Arnold Steinhardt, Joseph Silverstein und Peter Wiley zusammen und ist derzeit das Graduate String Quartet-in-Residence an der Rice University’s Shepherd School of Music in Houston (Texas). 2013 wurde es das allererste Quartet-in-residence am Curtis Institute of Music. Das Quartett ist nach dem Werk «Dover Beach» von Samuel Barber benannt, einem ehemaligen Schüler des Curtis Institute.
Hierzulande wenig bekannt ist der einer jüdischen Familie entstammende, in Warschau geborene Szymon Laks. Zunächst hat er in Wilna und Warschau zwei Jahre Mathematik studiert, sich aber 1921 der Musik zugewandt. 1926 kam er über Wien nach Paris, wo er das Musikstudium 1927 bis 1929 fortführte, u. a. mit Komposition bei Paul Vidal (1863-1931). Die polnische Form des Vornamens wurde in Paris zum französischen Simon. Laks war als Musiklehrer tätig, komponierte und übte eine Reihe verschiedener musikalischer Tätigkeiten aus. 1941 wurde er als nichtfranzösischer Jude im Lager Pithiviers (Dép. Loiret) interniert und im Juli 1942 ins KZ Auschwitz II-Birkenau verbracht. Dort ermöglichte ihm die Musik, das KZ zu überleben, denn er hatte im Lagerorchester verschiedene Funktionen inne (Mitglied, Arrangeur) und wurde auch dessen Leiter. Im Buch «Musique d’un autre monde», das er mit seinem Leidensgenossen René Coudy verfasst und 1948 publiziert hat (ausführlicher die polnische Ausgabe 1978; deutsche Ausgabe «Musik in Auschwitz» 1998, erweitert 2014), schilderte er das schreckliche Leben und sein Überleben in Birkenau. Als die östlichen KZ wegen der nach Westen vorrückenden Roten Armee evakuiert wurden, überführte man Laks nach Dachau, wo es keine Musik mehr gab. Nach der Befreiung kehrte er nach Paris zurück. Das erste Werk war 1945 das 3. Streichquartett «sur des motifs populaires polonais». Es wurde am 25. November 1945 in der Sorbonne in Paris uraufgeführt. (Die beiden ersten Quartette von 1928 und 1932 sind verloren; 1962 und 1964 folgten die Quartette Nr. 4 und 5.) 1967 hat Laks das 3. Quartett auch für Klavierquintett bearbeitet. Nach 1967 gab er das Komponieren weitgehend auf und wandte sich vermehrt dem Schreiben von literarischen und politischen Texten zu. Das 3. Quartett basiert auf etwa 12 polnischen Volksliedern, die sich aber nicht alle identifizieren liessen. Sie stammen aus der Folklore aller Regionen seiner Heimat. Es war Laks offenbar wichtig, nicht nur polnische Musik, sondern möglichst ganz Polen in sein Werk einzubeziehen. Im 2. Satz hat er u. a. das Lied vom hungernden Soldaten, der durch den Wald geht, eingebaut – wohl kein Zufall, wenn man an die Lagererlebnisse denkt, die er in seinem Buch schildert. Der 4. Satz wird mit einer Gaik-Melodie eröffnet, welche Mädchen bei Frühlingsbeginn im Umzug mit einem geschmückten Bäumchen sangen.
Dvořák hat das As-dur-Streichquartett op. 105 am 26. März 1895, kurz bevor er am 16. April Amerika endgültig verliess, in New York begonnen. Er kam aber damals nicht über die Exposition im Kopfsatz hinaus, während er doch das «Amerikanische Quartett» im Juni 1893 in nur sechzehn Tagen komponiert hatte. Vielleicht war es damals die Atmosphäre in Spilville gewesen, wo er mit seinen Landsleuten zusammen war, welche ihm das Komponieren leicht gemacht hat. Nach der Rückkehr in seine Heimat war ihm nicht ums Komponieren zu tun; so schrieb er: «Ich bin ein Faulpelz und rühre die Feder nicht an.» Erst zwischen dem 11. November und 9. Dezember vollendete er ein Quartett – es war aber nicht das in As-dur, sondern ein neues in G-dur. Der Bann war gebrochen, und Dvořák notierte: «Ich bin jetzt sehr fleissig. Ich arbeite so leicht und es gelingt mir so wohl, dass ich es mir gar nicht besser wünschen kann.» Und so wurde am 30. Dezember auch das As-dur-Werk beendet. Es ist reich an kantablen Motiven und Themen und überzeugt durch deren kunstvolle und kontrastreiche Verarbeitung. Der Kopfsatz beginnt mit einer bei Dvořák ungewohnten langsamen Einleitung von 14 Takten in düsterem as-moll (Tonart mit sieben «b»). Sie führt kanonartig einsetzend über verschiedene Schritte von Teilmotiven auf das Hauptthema des Allegro hin, genauer auf dessen erste vier Takte; aus ihnen wird dann das ganze Thema entwickelt. Das zweite Thema des Satzes erinnert mit einem Triolenmotiv an Hornrufe. Der zweite Satz ohne Gattungsbezeichnung – Scherzando wäre wohl passend – ist ein reizvolles Stück in f-moll. Die wechselnde Betonung von 1 auf 3 gleich zu Beginn erinnert an den Furiant, dem der Wechsel von 2/4 zu 3/4-Takt eigen ist. Gleichwohl ist der Satz kein vehementer Furiant, wie man ihn etwa von der Nr. 1 der Slawischen Tänze kennt. Im Des-dur-Trio verwendet Dvořák eine Melodie aus seiner Oper «Der Jakobiner» (1887/88). Liedhaft ist – wie die Satzbezeichnung cantabile nahelegt – der langsame Satz. Dazu tragen nach dem chromatischen Mittelteil vogelstimmenartige melodische Umspielungen in der Wiederholung des Hauptteils bei. Das Finale wird vom Cello eröffnet, das, wenn auch sostenuto, gleich das Anfangsmotiv des Hauptthemas einführt. Nach elf Takten erscheint dieses dann im richtigen Tempo. Die 24 ersten Takte werden wiederholt – so kommt der umfangreiche Schlusssatz (524 Takte im 2/4-Takt) voller Energie in Gang. Eine mitreissende Stretta bringt das Quartett und damit Dvořáks Kammermusikschaffen zum Abschluss.