Konzerte Saison 2021-2022

  • 11.1.2022
  • 19.30
  • 96.Saison
  • Abo 8
Stadtcasino Basel, Hans Huber-Saal

Aris Quartett (Frankfurt)

Als das Aris Quartett 2009 an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main auf Initiative des Kammermusikers Hubert Buchberger gegründet wurde, waren die Mitglieder zwischen 15 und 18 Jahre alt. Sie kannten sich damals noch nicht, studierten aber alle an derselben Hochschule in Frankfurt. Der Name des bis heute unveränderten Ensembles setzt sich aus den Endbuchstaben der Vornamen der Mitglieder zusammen. Nach der Betreuung durch H. Buchberger studierte es bei Günter Pichler (Alban Berg Quartett) in Madrid. Die Ausbildung wurde durch Impulse des Artemis Quartetts und durch den Musikpädagogen Eberhard Feltz ergänzt. Es hat zahlreiche Preise und Auszeichnungen gewonnen. Bald gelang dem Aris Quartett der Einstieg in die internationale Karriere. Heute spielt das Ensemble bei internationalen Musikfestivals und in bedeutenden Konzertsälen. Es hat bereits mehrere CDs eingespielt und veröffentlicht, u. a. mit Aufnahmen von Bartók, Beethoven, Brahms, Schostakowitsch, Schubert, Zemlinsky. Es gibt etwa neunzig Konzerte in einer Saison.
Erwin (Ervín) Schulhoff wurde als Sohn eines jüdischen Wollwarenhändlers und der Tochter eines Konzertmeisters in Prag geboren. 1942 starb er im bayerischen Internierungslager Wülzburg an Tuberkulose. Ein befreundeter Journalist charakterisierte ihn 1928: «Schulhoff ist der Zeitgemässe. Vielleicht der Modemusiker von heute. Ein amüsanter, liebenswürdiger, spielerisch veranlagter, hochbegabter Künstler und ein wilder Temperamentmusikant, ein Draufgeher, kein Philosoph». Über den Expressionismus, die Neue Wiener Schule, den Dadaismus und nicht zuletzt über den Jazz fand er zu seinem Stil oder richtiger zu seinen Stilen. Dies erschwerte ihm die Anerkennung bei vielen Kritikern und Verlagen – gleichwohl hatte er Erfolg. Für die Wiener Schule setzte er sich als Pianist und Konzertveranstalter ein. 1921 hatte Schulhoff an Alban Berg geschrieben: «Ich habe eine ausserordentliche Leidenschaft für modische Tänze, und es gibt Zeiten, da gehe ich Nacht für Nacht tanzen […] allein aus Begeisterung für den Rhythmus und aus unterbewusster Sinnlichkeit.» Aus fünf Tänzen besteht denn auch die erste seiner drei Kompositionen für Streichquartett. Er hat sie Darius Milhaud gewidmet. Und es sind nicht bloss, wie eine Rezension vermerkte, «nette und schwungvolle Tanzstücke» und «niedliche Tanzbagatellen», sondern Ausgangsstücke für eine Auseinandersetzung mit vorgegebenen Musikstücken: Schulhoff hat auf Tänze verschiedener Herkunft (Böhmen, Wien, Italien) Bezug genommen und experimentiert in raffinierter Weise mit motivischen, metrischen und harmonischen Spielformen. Die beiden folgenden Streichquartette von 1924 und 1925 zeigen, dass er sein Handwerk beherrschte und seine Originalität bewusst einzusetzen vermochte.

Mit Pavel Haas begegnen wir nicht nur einem Zeitgenossen Schulhoffs, sondern einem, dem ein noch schlimmeres Schicksal widerfahren ist. Er wurde als Sohn eines jüdischen Schuhmachers in Brno (Brünn) geboren. Seit 1913 hatte er Unterricht in der Musikschule und begann zu komponieren. 1917 wurde er als Soldat in die k.u.k. Armee eingezogen, Er konnte zwar in Brünn bleiben, doch erst 1919 am von Leoš Janáček neu gegründeten Brünner Konservatorium die musikalische Ausbildung fortsetzen. Von 1920 bis 1922 studierte er in Janáčeks Meisterklasse. Er gilt als dessen bedeutendster Schüler. Danach komponierte er, u. a. Bühnenmusiken für das Brünner Theater. Nach Janáčeks Tod wurde er dessen Nachfolger als Vorsitzender des Mährischen Komponistenverbands. Der Einmarsch der deutschen Truppen im März 1939 hatte ein Berufsverbot und das Verbot seiner Musik zur Folge. Am 2. Dezember 1941 wurde er ins KZ Theresienstadt deportiert. Hier komponierte er, angeregt vom Pianisten Gideon Klein, nur noch selten. Von acht Kompositionen blieben nur drei erhalten. Am 16. Oktober 1944 wurde er nach Auschwitz verbracht, wo er, wohl am 18., mit vielen anderen vergast wurde. Seine Musik blieb vergessen und wurde erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt. In unseren Konzerten wurde das 2. Streichquartett 1997 und das Bläserquintett 1998 aufgeführt.

Das 3. Streichquartett op. 15 (1937/1938) ist sein erstes Werk, das Spuren dieser düsteren Zeit in sich trägt. Haas verwendet im Quartett motivische Figuren, die den St. Wenzels-Choral zitieren. Die Verwendung des patriotischen Chorals in Verbindung mit jüdischen Elementen wie melodischen Wendungen, die Haas von hebräischen Gesängen ableitete, spiegelt den eigenen Standort des Komponisten wider. Ganz besonders das Finale mit seiner Doppelfuge ist eine grossartige kompositorische Leistung.

Felix Mendelssohn Bartholdys Opus 44 umfasst drei Streichquartette, die 1837/38 wohl in der Reihenfolge 2, 3 und 1 entstanden sind – zehn Jahre nach den beiden ersten gültigen Quartetten op. 13 und 12. Op. 44/1 hat er im April 1838 in Leipzig begonnen und am 24. Juli in Berlin beendet. Vor der Drucklegung hat er alle drei nochmals überarbeitet; erschienen sind sie 1839 mit einer Widmung an den schwedischen Kronprinzen. Wie oft bildet das letzte Werk eines Zyklus die Synthese der vorangehenden Stücke und ist ausgeglichener, konziser in Form und Ausdruck. Dies gilt auch hier. Das D-dur Quartett wird als das eleganteste, brillanteste und virtuoseste, aber auch als das ausgeglichen regelmässigste beurteilt. Am 16. Februar 1839 wurde es in Leipzig von Mitgliedern des Gewandhausorchesters uraufgeführt; Primgeiger war der Konzertmeister Ferdinand David, ein Freund Mendelssohns.

Gleich am Beginn des Kopfsatzes, der Mendelssohn «über die Massen» gefiel, tritt der Charakter im schwungvollen Einsatz der 1. Violine mit dem ersten Thema hervor. Auch später führt die Primgeige häufig, so dass man das Quartett auch ein verkapptes Violinkonzert genannt hat. Das Menuett mit einem pastoralen Thema wirkt altertümlich; der Komponist hat von «Rococogeschmack» gesprochen. Im Trio brilliert wieder die 1. Violine. Das elegische Andante erinnert an ein Lied ohne Worte; hier kommt die zweite Geige stärker zum Zug. Das Finale kehrt durch seinen Impetus und seine Spielfreude das virtuos Brillante noch stärker hervor als der Kopfsatz.

Erwin Schulhoff 1894-1942

Fünf Stücke für Streichquartett (1923)
Alla Valse viennese: Allegro
Alla Serenata: Allegretto con moto
Alla Czeca: Molto allegro
Alla Tango milonga: Andante
Alla Tarantella: Prestissimo con fuoco

Pavel Haas 1899-1944

Streichquartett Nr. 3, op. 15 (1937/38)
Allegro moderato
Lento ma non troppo e poco rubato
Tema con variazioni e fuga con moto

Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847

Streichquartett Nr. 3, D-dur, op. 44, Nr. 1 (1838)
Molto allegro vivace
Menuetto: Un poco Allegretto
Andante espressivo ma con moto
Presto con brio