Konzerte Saison 2024-2025

  • 29.10.2024
  • 19:30
  • 99.Saison
  • Abo 8
Stadtcasino Basel, Hans Huber-Saal

Gringolts Quartett (Zürich) Sarah Wegener, Sopran

Das Gringolts Quartett mit Sitz in Zürich hat sich einen Namen in den bedeutenden Konzertsälen und an den grossen internationalen Festivals gemacht. In den vergangenen Spielzeiten war das Quartett unter anderem bei den Salzburger Festspielen, dem Lucerne Festival, dem Edinburgh Festival, dem Verbier Festival und dem Gstaad Menuhin Festival zu Gast; ausserdem tritt es regelmässig in international bedeutenden Konzertsälen wie dem Concertgebouw Amsterdam, der Elbphilharmonie Hamburg, der Wigmore Hall London, der Philharmonie Luxembourg, dem Stockholm Konserthuset, dem Festspielhaus Baden-Baden, der Sankt Petersburger Philharmonie, am L’Auditori Barcelona, bei der Sociedad Filarmónica de Bilbao, bei Lugano Musica und bei der Società di Concerti in Mailand auf. Neben dem klassischen Repertoire widmet es sich auch der zeitgenössischen Musik, darunter Streichquartette von Marc-André Dalbavie, Jörg Widmann, Jens Joneleit und Lotta Wennäkoski. Zahlreiche Einspielungen des Quartetts, u.a. mit Werken von Schumann, Brahms, Braunfels, Glazunov und Tanejev, wurden mit Preisen ausgezeichnet. 2017 erschien seine Aufnahme von Schönbergs Streichquartetten Nr. 2 und 4, die von der Kritik begeistert aufgenommen wurde, gefolgt 2022 von der Aufnahme des ersten und dritten Quartetts, die mit einem Diapason d’Or ausgezeichnet wurde.

Die deutsch-britische Sopranistin Sarah Wegener ist eine der gefragtesten Sängerinnen des klassisch-romantischen sowie zeitgenössischen Repertoires. Ein Höhepunkt der vergangenen Spielzeit war ihr erfolgreiches Rollendebüt als Sieglinde; in konzertanten Vorstellungen von Wagners Walküre mit dem Dresdner Festspielorchester und Concerto Köln unter der Leitung von Kent Nagano war sie in Prag, Amsterdam, Köln, Hamburg, Dresden und am KKL (Luzern) zu erleben. Seit dem Herbstsemester 2024 ist Sarah Wegener zudem Dozentin für Gesang an der Zürcher Hochschule der Künste.

Haydns Streichquartette op. 17 (1771) nehmen eine Mittelstellung ein zwischen den Quartetten op. 9 (1769/70), die Haydn als seine ersten eigentlichen Quartette bezeichnet haben soll, und den ein Jahr darauf entstandenen, in ihrem zugespitzten musikalischen Affekt, der verstärkten thematischen Arbeit, der ausgedehnteren Sätze und der Aufwertung der Finalsätze als «krisenhaft» zukunftsweisend gedeuteten Quartetten op. 20. Etliche der Züge, die letzterem Opus zugeschrieben werden, lassen sich indessen auch im ersten Quartett des op. 17 beobachten, so die zunehmende Gleichwertigkeit der Stimmen, verstärkte kontrapunktische Arbeit (vor allem im berückenden Trio des zweiten Satzes), Gewicht und Ausarbeitung der einzelnen Sätze, insbesondere des ersten Satzes mit seiner eindrücklichen Durchführung (samt einer berühmten Scheinreprise) und des Schlusssatzes mit seiner überraschenden Konstellation von Durchführung (als Quasi-Wiederholung der Exposition) und modifizierter Reprise.

Heinz Holligers Increschantüm basiert auf Gedichten von Luisa Famos in rätoromanischer Sprache. Das seiner verstorbenen Frau Ursula gewidmete Werk erforscht die enge Verbindung zwischen Musik und Poesie und thematisiert Heimweh und Vergänglichkeit. Sopran und Streichquartett "sprechen" eine gemeinsame, vielschichtige Stimme, wobei die Streicher wie solistische Virtuosen agieren. Trotz der kontrastreichen Einzelstimmen verschmelzen sie zu einer orchestralen Einheit, die die emotionalen Wellen der Dichtung intensiviert.

Warum hat Schuberts grösstes Quartett nicht die Beliebtheit der beiden anderen späten Quartette erreicht? Ist es das Fehlen des populären Beinamens? Gibt es kein beliebtes Thema, das man auf Anhieb wiedererkennt? Ist es die Länge? Oder ist es die Zerrissenheit, die man so lange beim «Schwammerl» Schubert nicht hat in ihrer Bedeutung wahrnehmen wollen, weil sie dem Bild vom «eigentlich schubertschen» Schubert, dem Liedersänger und Melodienerfinder widersprach? In nur elf Tagen, fast gleichzeitig mit Beethovens Abschluss des op. 131 entstanden und jenem gleichrangig, stellt es nicht nur einen Gipfel der Quartettkunst dar, sondern gehört zum Schwierigsten – in der Ausführung wie im Erfassen. Kein populäres Liedthema, keine behäbige Biedermeierseligkeit täuscht über die Ansprüche hinweg. In geradezu sinfonischen Zügen werden im Kopfsatz dramatische, in unruhigem Tremolo aufbrausende Blöcke mit lyrisch kantablen verzahnt, als eine Art «einander ablösender Varianten. Variierte Reihung kennzeichnet auch den zweiten Satz, dessen ausgedehnt singende Cello-Melodien wohl Beruhigung, gar Frieden auszustrahlen vermöchten, wäre ihnen nicht der Affekt der Ruhelosigkeit in den Oberstimmenfiguren beigegeben» (Arnold Feil). Dazu kommt generell das Provokative, welches in verschiedenen Details erkennbar wird, das aber immer Teil des gestalterischen Willens, nicht Unvermögen darstellt. Ein leicht erkennbares sind die genannten immer wieder auftretenden Tremoli. Sie sind mehr als nur eine Form klanglicher Gestaltung, enthalten sie doch ein wichtiges emotionales Potential. Sie haben zudem die Tendenz, die Tonalität zu verschleiern – kein Wunder, dass sie in der Spätromantik so beliebt sind. Dass sich Schubert im Kopfsatz, aber auch im Finale nicht für Dur oder Moll entscheiden kann bzw. will, hat die Hörer ebenfalls irritiert, obwohl es sich dabei um ein typisches Stilmittel Schuberts handelt. Gerade diese angebliche Unentschiedenheit, die sich in den thematisch nicht immer leicht fassbaren Tremoli und im Verunklaren der Tonart äussert, trägt dazu bei, dass das Werk eben nicht so formal klar abläuft wie ein Haydn-Quartett. Dadurch verliert man irgendwie das Zeitgefühl, und dieser Verlust führt auch zu den von Schumann in der grossen C-dur-Sinfonie festgestellten «himmlischen Längen». Schubert hat – wie in dieser Sinfonie, im Streichquintett und in den letzten Klaviersonaten – im G-dur-Quartett, das ausdrücklich keine Sinfonie sein will, mit modernsten und ganz eigenen Mitteln nicht nur zur grossen Form gefunden, sondern in den Ein- und Ausbrüchen auch Grenzen erreicht, an die er ebenso in der Lyrik der Winterreise oder in Heines Atlas («unendlich glücklich oder unendlich elend») gestossen ist.