Am 19. August 1799 schrieb der englische Musikhistoriker Charles Burney (1726–1814) an Haydn: „Ich hatte das grosse Vergnügen, Ihre neuen Quartetti (Opera 76) gut aufgeführt zu hören (...); Instrumentalmusik hat mir noch nie so grosse Freude beschert; sie sind voller Erfindungsgabe, Feuer, gutem Geschmack und neuen Effekten und scheinen das Werk nicht eines sublimen Genius zu sein, der schon so viel und so gut geschrieben hat, sondern eines von höchst kultivierter Begabung, der zuvor nichts von seinem Feuer hergegeben hat.“ Über die Entstehung der letzten Sechserserie von Streichquartetten wissen wir fast nichts. Einem Brief von Haydns schwedischem Freund Silverstolpe vom 14. Juni 1797 ist einzig zu entnehmen, dass damals zumindest ein Teil der Werke vollendet war. Longman & Clementi in London brachte alle sechs in zwei Heften als op. 76 1799 (Nr. 1–3 als erster im April) und 1800 heraus, während Artaria in Wien sie im Juli bzw. Dezember 1799 mit Widmung an Graf Erdödy je zu dritt als op. 75 und 76 (vergleichbar den opp. 71 und 74) veröffentlichte. Haydn hat wieder einmal gleichzeitig die gleichen Werke mehreren Verlegern, zusätzlich auch in Paris, angeboten. Graf Erdödy scheint, wieder laut Silverstolpe, für 100 Dukaten die Rechte zwei Jahre lang für sich erhalten zu haben – das geht aber chronologisch nicht ganz auf. Das vierte Stück der Serie trägt aufgrund des Beginns in England den Beinamen „Sunrise“ (in Frankreich „L’Aurore“), weil man in der piano, ruhig und weich aufsteigenden Violinstimme über einem liegenden B-dur-Akkord der übrigen Streicher das Erscheinen und Aufsteigen der Sonne durch Dunst oder Nebel zu hören glaubte. Erst mit der Zeit steigert sich die Figur, die man kaum als Thema bezeichnen möchte, zum Fortissimo. Einen wahren Sonnenaufgang in strahlendem C-dur-fortissimo hat Haydn zu Beginn der teilweise gleichzeitig entstandenen Schöpfung komponiert. Erstaunlicherweise lässt Haydn anstelle eines zweiten Themas die gleiche Melodielinie absteigend vom Cello vortragen, diesmal unterhalb des Akkords (jetzt in F-dur). Haydn verarbeitet das Thema nicht, was zu dem eher statisch wirkenden, beinahe romantischen Klangbild passt. Auch der „chromatische Hymnus voll der ‚romantischsten’ Harmonien“ (W. Konold) des – so mehrere Musikführer – empfindungstiefen Adagios entspricht dem. Das heitere Menuett überrascht im Trio nach volksliedhaftem Beginn über einem Dudelsack-Bordun mit einer fahlen unisono gestalteten Abwärtsbewegung. Das zunächst bedächtig und rondohaft einsetzende Finale steigert in einer langen Coda das Tempo allmählich über allegro bis hin zur più presto-Stretta.
Der die «Luft von anderem Planeten» als erster gespürt, sie seinen Schülern vermittelt und zudem den George-Text an entscheidender Stelle vertont hat, war Schönberg. Das 2. Streichquartett ist das Werk dieses Übergangs, bei dem sich einerseits Tonartenbindung (fis-moll im Kopfsatz) und andererseits der Verzicht auf die feste Einbindung ins Tonartensystem (im 2. Satz mit dem Volksliedzitat) finden. Merkwürdigerweise ist dieses Quartett wie dasjenige Bergs, wenn auch mit vertauschten Rollen, eng mit der Beziehung zu einer Frau verbunden. Auch Schönberg bedient sich eines unüberhörbaren Zitats, und auch Zemlinsky ist beteiligt, dazu am Rande Webern. Schönberg war nicht nur Schüler Zemlinskys, der sein einziger Lehrer war, er hatte 1901 auch dessen Schwester Mathilde geheiratet. Diese hat ihn 1907 mit dem Maler Richard Gerstl betrogen und verlassen, was Schönberg in eine tiefe Krise stürzte. Es gelang zwar Webern, Mathilde und Schönberg wieder zusammenzubringen – doch da war nichts mehr wie früher. Das Zitat «O du lieber Augustin, alles ist hin...» im 2. Satz gibt dieser Stimmung Ausdruck. Neu an diesem Quartett ist der Einbezug der Singstimme. Was in der Sinfonie seit Beethoven nicht häufig, doch möglich und seit Mahler gängig geworden war, bedeutete in einem Streichquartett beinahe einen Tabubruch. Auch in den beiden «Vokalsätzen», in denen die Singstimme in den Streichersatz eingebaut ist, wird die feste Grundierung auf einer Tonart aufgehoben. Dazu kommt die in Georges Texten ausgedrückte Lösung vom Irdischen ins geradezu Mystische. Die neue Musik Schönbergs, welche damals Skandale auslöste, und die seiner Schüler musste wie «Luft von anderem Planeten» wirken: Neue Welten öffnen sich. Und so ist Schönbergs Wahl gerade dieser Texte und speziell des Gedichts «Entrückung» mehr als nur die Klage über den Verlust, wie es «Litanei» zunächst nahe legen könnte, sondern bedeutet das bewusste Verlassen gewohnter Wege und Suche nach Neuem. 1923 wird sich dies definitiv in der Kompositionstechnik «mit zwölf nur aufeinanderbezogenen Tönen» erfüllen.
Dvořáks berühmtestes Streichquartett ist mit knapp 25 Minuten Dauer sein kürzestes. 1892 hatte der Komponist den Ruf nach New York angenommen und war dort für drei Jahre Direktor des Nationalkonservatoriums geworden. Er unterrichtete zudem Komposition und Orchestrierung. Die neue Umgebung inspirierte ihn zumindest im ersten Jahr 1893 stark, denn er komponierte einige seiner bedeutendsten und beliebtesten Werke. Neben der Sinfonie «Aus der Neuen Welt» op. 95 (abgeschlossen im Mai in New York) waren dies im Sommer 1893 das heute gespielte op. 96 und das Streichquintett op. 97. Dvořák verbrachte seine Sommerferien im kleinen Spillville (Bundesstaat Iowa im mittleren Westen – die lange Zugsfahrt von 36 Stunden hat den Eisenbahnfan Dvořák natürlich nicht abgeschreckt). Hier auf dem Land fühlte er sich wohl, weit weg vom Rummel der Riesenstadt und erst noch in der Nähe der vielen tschechischen Einwanderer, die ihn dorthin eingeladen hatten. Die Skizze entstand in nur drei Tagen vom 8. bis 10. Juni, die Ausarbeitung in vierzehn vom 12. bis 25. Juni. Das populäre Werk braucht keine Erklärungen, denn der Wohlklang der schönen und eingänglichen Melodien wie auch die Rhythmen sprechen unmittelbar an. Es erheben sich höchstens einige Fragen, was denn das «Amerikanische» an diesem Stück ausmacht. Sind es wirklich Melodien, die der Komponist der Volksmusik abgelauscht hat, die er sich von Schwarzen und Indianern hat vorsingen und vortanzen lassen? Oder sind es eher einzelne melodische Besonderheiten wie die Pentatonik mit Verminderung der 7. Stufe in Moll, die Rhythmik mit ihren Synkopen oder einfach die ländliche Stimmung, bei der Anklänge an Vogelrufe nicht fehlen? Einer stammt vom schwarzflügligen roten Tanagra, den Dvořák gleich nach Ankunft auf dem Land mit Interesse gehört hatte und denn auch zitiert. Auffällig ist der Beginn des Finale, wo der Komponist über dreissig Takte einen ostinaten Rhythmus vorbereitend einsetzt, bevor er das eigentliche Thema durchbrechen lässt. Was die Verwendung von originalen Melodien betrifft, teilte Dvořák 1900 Oskar Nedbal mit: «Aber lassen Sie den Unsinn, dass ich Originalmelodien gebraucht habe, aus. Ich habe nur im Geist dieser Nationalmelodien komponiert.»