Nora Chastain ist bereits am 31.10.2000 als Bratscherin und Geigerin (Mozart bzw. Chaussons Concert) zusammen mit dem Carmina Quartett in unseren Konzerten aufgetreten; noch vorher, 1995, war sie als Geigerin des Menuhin Festival Piano Quartet bei uns zu Gast. Sie stammt aus San Francisco und ist die Enkelin des Komponisten Roy Harris. Sie studierte an der Juilliard School New York und bei Alberto Lysy, Sándor Vegh und Yehudi Menuhin. 16jährig debütierte sie in Berlin mit dem Konzert von Samuel Barber. Sie war mehrfach Preisträgerin, u.a. beim Internationalen Menuhin-Wettbewerb 1985 in Paris. 1990 wurde sie Nachfolgerin von Aida Piraccini-Stucki an der Musikhochschule Winterthur, wo sie eine Meisterklasse unterrichtet.
19 Jahre nach dem 1. Streichquintett wandte sich Mendelssohn nochmals der Gattung zu. Er schrieb das Werk im Sommer 1845 in Bad Soden am Taunus, wo im Sommer zuvor schon das e-moll-Violinkonzert entstanden war. Warum dieses Quintett nie die Beliebtheit (auch bei den Interpreten) des Konzerts, mancher der Quartette oder des Oktetts erlangt hat, ist unklar. Schon der Beginn mit dem melodiösen konzertmässigen Aufschwung der 1. Violine (Erinnerungen ans Violinkonzert?) nimmt die Stimmung des Oktetts und auch den berühmten mendelssohnschen Schwung auf. Das Scherzando in g-moll ist nicht vom Typ eines Scherzos, eher eine Art Intermezzo wie in früheren Werken und hat etwas Genrehaftes. Ein pizzicato-begleitetes erstes Motiv wird nach vier Takten von einem zweiten handfesteren abgelöst. Fugato-Passagen spielen eine nicht unwesentliche Rolle. Das d-moll-Adagio bildet eine Elegie mit beinahe orchestraler Wirkung (die 2. Bratsche spielt oft in Doppelgriffen) und weist auf das f-moll-Quartett von 1847 voraus. Das Finale, das Mendelssohn gemäss einem Zeugnis seines Freundes Ignaz Moscheles nicht voll befriedigt hat, weist, etwa in der Verbindung von konzertanten und kontrapunktischen Elementen, alles auf, was man von Mendelssohn erwartet – aber vielleicht ist gerade dies nicht mehr genug.
Auch das Finale von Dvoráks 3. Streichquintett (Nr. 1. = op. 1; 2. = op. 77 mit Kontrabass) ist kritisiert worden: wegen seiner schlichten Reihung der Satzabschnitte (A–B–A–C–A–B–A–C–A–Coda) und des orchestralen Satzes. Indes zeigt die Opuszahl 97, dass wir es mit einer Schaffensphase Dvoráks zu tun haben, die zu seinen charakteristischsten und beliebtesten gehört, der „amerikanischen“: op. 95 Sinfonie „Aus der Neuen Welt“, op. 96 das „Amerikanische Streichquartett“. Genau so gut könnte man das Quintett als „Amerikanisches“ bezeichnen, denn auch hier tauchen indianische Anklänge auf. Der Bezug zum Tschechischen bleibt aber gewahrt, schliesslich ist das Werk gleichzeitig mit dem Quartett op. 96 in Spillville, jener tschechischen Auswanderersiedlung, entstanden, wo auch die Begegnung mit Indianern vom Stamm der Kickapoo möglich war. Beide Male finden wir – im Gegensatz zur Sinfonie – keine originalen indianischen Melodien (ebenso wenig wie tschechische), sondern es ist die eigentümliche Mischung zwischen böhmischem Tonfall und fremdartig klingendem Habitus, welches den Reiz dieser Musik ausmacht. Indianisch könnte man den „Trommelrhythmus“ in den beiden ersten Sätzen nennen. Den 3. Satz bilden fünf Variationen über ein von der Bratsche, Dvoráks eigenem Instrument, intoniertes Thema, das sich der Komponist gleich nach seiner Ankunft in Amerika 1892 notiert hatte.
rs