Am 8. Juni dieses Jahres [1994] gedachte man des hundertsten Geburtstages des bis vor kurzem vergessenen und verdrängten Erwin Schulhoff. Als Sohn eines deutsch-jüdischen Kaufmanns wurde er in Prag geboren. Schon in jüngsten Jahren wurde sein Talent von Dvo6rák bestätigt. Später studierte er in Prag, Wien und Leipzig Klavier und Komposition, u.a. bei Reger. Unter dem Eindruck des 1. Weltkriegs, in dem er als österreichischer Soldat diente, wurde Schulhoff zum überzeugten Sozialisten. 1932 vertonte er "Das kommunistische Manifest" als Oratorium, wollte 1933 nach Moskau auswandern, komponierte in den dreissiger Jahren im Stil des Sozialistischen Realismus und wurde im Mai 1941 wunschgemäss sowjetischer Staatsbürger. Zur Auswanderung in die UdSSR kam es nach dem Überfall der Nazis nicht mehr. Im Juni 1941 wurde er zusammen mit seinem Sohn Petr in Prag interniert, später in das Internierungslager Wülzburg in Bayern überführt, wo er, an seiner 8. Sinfonie schreibend, von Unterernährung geschwächt, am 18. 8. 1942 an Tuberkulose starb. Seine originellsten, in den zwanziger Jahren entstandenen Werke zeigen ihn, den musikalischen Experimentator und Revolutionär, als wichtigen Vertreter der Neuen Musik. Er stand dem Dadaismus nahe (Vertonung von Arps "Wolkenpumpe" 1922) und setzte sich mit dem Jazz und anderen damaligen Stilrichtungen auseinander. Seine Musik galt in Nazideutschland als entartet - und Schulhoff wurde vergessen. Seine (sieht man von Jugendkompositionen ab) drei Werke für Streichquartett entstanden 1923-25. Auf die "Fünf Stücke", eine Art Tanzsuite, folgte 1924 das 1. Quartett; die ersten drei Sätze sind ebenfalls tänzerisch, im Stil neofolkloristisch. Der langsame Satz, an den Schluss gerückt, ist "ein melancholisches Notturno, dessen Musik den Raum zur leisen Meditation über die irdische Freude des menschlichen Lebens eröffnet" (J. Bek).