Konzerte Saison 2018-2019

  • 12.2.2019
  • 19:30
  • 93.Saison
  • Abo 5
Oekolampad Basel

Quatuor Terpsycordes (Genf) Fabio di Càsola, Klarinette

Mit seinem Namen «Terpsycordes» bezieht sich das Quartett sowohl auf Terpsichore, die griechische Muse des Tanzes und des Chorgesangs, als auch auf die Begriffe «Terre, psy(che), cordes». Das Quartett wurde 1997 am Conservatoire Supérieur de Musique de Genève in der Klasse von Gábor Takács-Nagy gegründet. Später bildete es sich u. a. bei Mitgliedern des Budapest, Hagen, LaSalle Quartett und des Quatuor Mosaïques weiter. Es war Preisträger mehrerer internationaler Wettbewerbe und gewann 2001 den 1. Preis beim 56. Concours de Genève. In der Vielfalt ihrer Besetzung mit der Herkunft der Musiker aus Italien, Bulgarien, den USA und der Schweiz begeistern die Quartettmitglieder immer wieder ihr Publikum in den Konzertsälen, sei es im Concertgebouw Amsterdam, in der Salle Gaveau Paris, der Tonhalle Zürich oder in der Victoria Hall in Genf. Die von der einschlägigen Presse gerühmten Aufnahmen umfassen Werke von Schubert, Beethoven, Schumann, Haydn, Louis Vierne und von Schweizer Komponisten wie Gregorio Zanon, René Gerber und Ernest Bloch oder aus dem Bereich des Tango und des Jazz. Das Quartett engagiert sich auch für das junge Publikum; so nimmt es jedes Jahr an pädagogischen Programmen des Département de l’instruction publique de Genève teil und ist seit 2015 Partner beim Projekt «Orchestre en classe».

Fabio di Càsola wurde 1967 in Lugano geboren. Er gewann 1990 den 1. Preis beim Internationalen Wettbewerb von Genf. Bald war er als Solist gefragt. 1991 bis 2012 war er Soloklarinettist im Musikkollegium Winterthur. 1998 wurde er zum «Schweizer Musiker des Jahres» gewählt. Als Mitglied verschiedener Formationen pflegt er die Kammermusik. Er hat mehrere CDs mit Klarinettenkonzerten (Mozart, Weber) und Kammermusik (Brahms) bei SONY aufgenommen. Di Càsola unterrichtet als Professor für Klarinette und Kammermusik an der Zürcher Hochschule der Künste. 1994 hat er zusammen mit dem Amati Quartett und Bläsern im Schubert-Oktett, 2015 im Zurich Ensemble und 2017 mit Julia Kleiter und Michael Gees in unseren Konzerten mitgewirkt.

Raritäten

Um Arthur Honegger ist es in letzter Zeit eher still geworden. Das gilt weniger für die Oratorien – «Le roi David» wird im März in Basel aufgeführt –, eher für andere Gattungen wie etwa Kammermusik. Honegger wurde als Sohn von Zürcher Eltern in Le Havre geboren, wo sein Vater tätig war. Ab 1909 studierte er in Zürich, später in Paris Komposition bei Charles-Marie Widor. In seinem Oeuvre finden sich fast alle Werkgattungen. Die drei Streichquartette wurden 1917, 1936 und 1937 vollendet. Von ihnen schätzte er zunächst das erste, «parce qu’il traduit exactement la personnalité du jeune homme qui l’écrivit en 1917. Il a des défauts, des longueurs, mais je m’y reconnais comme dans un miroir. Comme type de meilleur travail, je citerai le Troisième, qui marque un progrès dans la concision et dans la facture.» Alle drei Quartette sind dreisätzig. Das dritte ist polyphoner und reicher an thematischer Arbeit als das zweite. Honegger hat im September 1936 zuerst den 3. Satz beendet; im Mai 1937 folgte der Mittelsatz, im Juni der Kopfsatz. Dieser steht im 6/4-Takt und wird von drei Elementen bestimmt. Zwei gehören zum ersten Thema: eine fallende Terz in langen Noten und darauf folgend eine aufsteigende Achtelreihe mit drei anschliessenden chromatischen Tönen. Ein weiteres Element, das auch rhythmisch wirkt, ist aus fünf Vierteln gebildet: vier gleichen Tönen folgt im Halbtonschritt abwärts das fünfte Viertel, beim ersten Erscheinen in Takt 21 h-h-h-h-ais. Dieses Motiv wird auch variiert, etwa in Takt 68: vier Mal c, jeweils eine Oktave absteigend, dann der Halbtonschritt auf h. Der Satzschluss ist aus diesen – nun leicht variierten – drei Elementen gebildet. Die Tonsprache des Satzes ist weitgehend herb. Der 2. Satz beginnt mit vier Takten, dessen lange Töne jeweils von «Girlanden» (sul tasto estinto = am Griffbrett, kaum hörbar) aus Zweiunddreissigsteln verbunden werden. In den folgenden vier Takten wird die Grundlage für eine Variationenfolge in der Art einer Chaconne gelegt, doch wird diese Basis später aufgelöst. Sechs Takte vor dem Ende kehren die vier Anfangstakte mit den «Girlanden» einen halben Ton tiefer zurück, bevor eine zweitaktige Coda den Schluss bildet. Der Schlusssatz beginnt pizzicato mit Vierteln im Cello solo. Allmählich setzen die übrigen Instrumente einige Noten dazu, bis nach 20 Takten alle vier Instrumente unisono das Thema in Achteln fortissimo übernehmen. Mit diesem Motiv endet unisono auch der Satz.

Der Basler Klarinettist Eduard Brunner ist von 1960 bis 1994 zehnmal in unseren Konzerten aufgetreten. Für die Schweizer Erstaufführung des Quintetts von Jean Françaix mit dem Berner Streichquartett am 9. Januar 1979 hat er, der auch Auftraggeber und Widmungsträger war, für die Kammermusik Basel den folgenden Programmtext verfasst.

Jean Françaix, geboren 1912 in Le Mans, gilt als einer der typischen Vertreter französischer Musik. Ausgebildet von Nadia Boulanger, findet er schon sehr jung seine eigene musikalische Sprache und Ausdrucksweise, der er auch bis zuletzt treu geblieben ist. Sie basiert auf einer fundamentalen Kenntnis sowohl der grossen klassischen Vorbilder, sowohl der deutschen als auch vor allem der französischen Musik, sowie des Kontrapunktes und Generalbasses. Die beiden für ihn wichtigsten Komponisten, was die Stilbildung betrifft, sind Ravel und Strawinsky. Seine Musik zeichnet sich durch enorme Klarheit, Witz und Ironie, aber auch zarteste melodische Empfindung aus. Sie will im besten Sinn unterhalten, erfreuen und erheitern.

Das Klarinetten-Quintett ist auf Anregung und im Auftrag von Eduard Brunner geschrieben worden und ihm auch gewidmet. Im grossen kammermusikalischen Schaffen von Jean Françaix nimmt es eine besondere Stellung ein: Es ist das erste Werk für diese Besetzung. Bis anhin waren Bläser- und Streicher-Kammermusik immer scharf getrennt.

Das sehr durchdachte und raffiniert komponierte Werk beginnt mit einer zarten Adagio-Einleitung, in der der Kern des gesamten thematischen Materials vorgestellt wird. Der erste Satz, Allegro, bringt nun den Kopf des Themas sehr ironisch witzig zurechtgebogen, kontrapunktisch reich ausgestattet. Dann folgt ein sehr lyrisches zweites Thema. Der Mittelteil, eine vergleichsweise sehr kurze Episode, bringt immer nur Bruchstücke des Materials und führt in eine stark verkürzte Reprise. Die kurze Coda dient zugleich als Überleitung zum zweiten Satz, einem äusserst brillanten Scherzo, unterbrochen von einem walzerartigen Trio. Der dritte Satz, Grave, beginnt mit einem Viola-Solo – einer Quasi-Einleitung zu einem grossen Wechselgesang zwischen Violine und Klarinette von äusserster Zartheit. Die Form ist eine schlichte dreiteilige Liedform. Dann folgt als vierter Satz ein raffiniert gearbeitetes virtuoses Rondo mit Einfällen aus der französischen Chansonszene und Music-Hall, ohne aber im geringsten trivial zu werden. Kurz vor Schluss hat die Klarinette eine grosse Kadenz, wo nochmals Material aus dem ganzen Quintett in Erinnerung gerufen wird. Sie ist wohl als «Geschenk» an den Auftraggeber gedacht. Mit fünf Pianissimo-Takten schliesst dieses Werk, das eine grosse Bereicherung für die Klarinetten-Literatur darstellt.

Die Klarinette war ein Lieblingsinstrument der Klassik und der (frühen) Romantik. In Deutschland steht neben Spohr der zwei Jahre jüngere Weber im Vordergrund. Er hat zwei Klarinettenkonzerte, ein Concertino, ein Grand Duo sowie Variationen mit Klavier und das Quintett komponiert. Dieses war erst einmal, 1949, in unseren Konzerten zu hören – warum? Liegt es an der oft virtuos brillierenden Klarinette? 1811 hatte Weber den damals bedeutendsten Klarinettisten Heinrich Baermann kennengelernt und seine Klarinettenwerke für ihn komponiert. Doch nutzte Weber nicht nur die virtuose Seite der Klarinette, sondern setzte genauso ihre lyrischen Möglichkeiten und klangliche Vielfalt ein. Natürlich steht sie im Vordergrund und darf auch oft die Leichtigkeit ihrer Läufe und Figurationen zeigen. Weber nutzt das Werk nicht für grosse kontrapunktische Entwicklungen, bringt aber immer wieder interessante Verknüpfungen von Themen und Motiven, so etwa in den Durchführungen. Vier Jahre (1811-15) hat er am Quintett gearbeitet, und dabei ging es ihm, wie er an Hans Georg Nägeli schrieb, darum, dass «in der grössten Mannichfaltigkeit immer die Einheit ... hervorleuchte», und zwar weniger im Motivischen als im Charakter. Es ist nicht nötig, hier die einzelnen Sätze zu beschreiben. Sie wirken aus sich heraus im Zusammenklang von Blasinstrument und Streichern. Am stärksten tritt die Virtuosität der Klarinette im Finale hervor, wo die Streicher häufig auf die Grundierung ihrer Stimme reduziert sind. Dies zeigt sich auffällig in der rhythmischen Form des Galoppierens, die immer wieder aufscheint. In der Coda überlassen die Streicher der Klarinette fast vollständig das Auskosten ihrer virtuosen und klanglichen Möglichkeiten.