• Composition details
  • Klaviertrio, a-moll, op. 50 «à la mémoire d’un grand artiste» (1882)

Pjotr Iljitsch Tschaikowsky 1840-1893

Tschaikowskys einziges Klaviertrio ist zwischen 1881 und 1882 unter dem Eindruck des Todes von Tschaikowskys Freund und Mentor Nikolai Rubinstein (1835-1881) entstanden. Der jüngere Bruder des in Westeuropa bekannteren Pianisten und Komponisten Anton Rubinstein (1829-1894) spielte eine herausragende Rolle im russischen Musikleben, hatte Tschaikowsky als Dozent ans neugegründete Moskauer Konservatorium geholt und als exzellenter Dirigent und Pianist etliche seiner Werke uraufgeführt. Die Bestimmung des Trios als Tombeau für Rubinstein verdeutlicht die Widmung «à la mémoire d’un grand artiste». Das Trio umfasst zwei Sätze von symphonischen Ausmassen, einer hoch expressiven Ausdruckshaltung und einer äusserst virtuosen Behandlung der Instrumente, insbesondere des Klaviers, dem teilweise geradezu orchestrale Klangwirkungen aufgegeben sind. Der erste Satz («Pezzo elegiaco») ist ein breit ausgeführter Sonatensatz in a-moll. Das schwermütige erste Thema ist der emotionale wie kompositorische Dreh- und Angelpunkt des ganzen Werks und darf als eine der glücklichsten thematischen Erfindungen Tschaikowskys bezeichnet werden. Wir hören es in unterschiedlichen Beleuchtungen, lyrisch und fliessend in der Exposition, statisch und verhalten in der Reprise, nur angedeutet in der düsteren Coda. Mit der melancholischen Stimmung des Hauptthemas kontrastiert das triumphal einsetzende zweite Thema (E-Dur); ein davon abgeleiteter lyrischer Gedanke, in H-Dur einsetzend, erscheint wie eine friedliche Insel in der bewegten Durchführung und wird in der Reprise wieder aufgenommen. Der zweite Satz bringt elf Variationen über ein volkstümlich-russisch anmutendes Thema in E-Dur, die einigen Quellen zufolge je für eine Episode aus Rubinsteins stehen sollen. Sie präsentieren eine enorme Bandbreite an (Ver-)Wandlungen, von Charaktervariationen im Stil einer Mazurka oder eines Walzers, über eine recht akademisch daherkommende Fuge (eine Anspielung an die Zeit am Konservatorium?) bis hin zu einem mit grösster Meisterschaft gestalteten turbulenten Sonatensatz, der gleichzeitig als «Finale» fungiert (früher wurde hier übrigens gerne die Durchführung herausgekürzt) und in eine apotheotisch wirkende Coda mündet, in welcher das a-moll-Thema des ersten Satzes fortefortissimo von Violine und Violoncello über brausenden 64stel-Wogen des Klaviers erscheint und schliesslich als Trauermarsch im pianissimo possibile ausklingt. Es sollte viele Jahre dauern, bis das Trio einen prominenten Platz im Repertoire behaupten konnte. Vorbehalte wurde bis weit ins zwanzigste Jahrhundert immer wieder geäussert. Schon 1899 hatte der Wiener Musikkritiker Eduard Hanslick, dessen Besprechungen von Tschaikowskys Musik zwischen Bewunderung und vernichtender Kritik schwanken konnten, dem Trio anlässlich seiner Wiener Erstaufführung attestiert, aufgrund seiner schieren Länge zum Typus eines «Selbstmörders unter den Kompositionen» zu zählen. Der zweite Satz mit seinen Variationen wirke zudem eher «[an]gelötet», als dass sich der Eindruck eines organischen Ganzen einstelle. Es ist indessen bezeichnend für die Wandlung, die die Wertschätzung des Komponisten Tschaikowsky in den letzten Jahrzehnten erfahren hat, dass diese Vorbehalte gerade auch bei jüngeren Interpretinnen und Interpreten einer Faszination für die vielfältigen musikalischen Herausforderungen dieses unkonventionellen und einmaligen Werks gewichen sind, was nicht zuletzt zahlreiche und mitunter ganz glänzende Neueinspielungen der letzten Jahre bezeugen.
Pezzo elegiaco: Moderato assai – Allegro giusto
Tema con variazioni: Andante con moto –
Variazione finale e Coda: Allegro risoluto e con fuoco – Andante con moto