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  • Streichquartett Nr. 3, es-moll, op. 30 (1876)

Pjotr Iljitsch Tschaikowsky 1840-1893

Die drei Streichquartette Tschaikowskys, neben dem Klaviertrio und dem Streichsextett seine kammermusikalischen Hauptwerke, sind 1871, 1874 und 1876 entstanden; sie sind alle klassisch viersätzig. Ist das erste noch weitgehend musikantisch gehalten, treten schon beim zweiten bei aller Spielfreudigkeit tiefer empfundene und expressivere Teile auf. Das dritte nun dringt in ganz andere Sphären vor. Man hat von «seelischen Abgründen» (A. Werner-Jensen) gesprochen. Wie das spätere Klaviertrio von 1881/82, das ein Requiem für Nikolaj Rubinstein werden sollte, ist es ein Werk «in memoriam». In typisch slawischem (auto-)biographischem Bezug gedenkt Tschaikowsky hier eines Freundes, des 1875 verstorbenen Geigers Ferdinand Laub. Dieser war der Primgeiger bei der Uraufführung der beiden ersten Quartette gewesen. Jetzt soll die Vorherrschaft der ersten Geige das ausdrucksvolle Spiel des Freundes heraufbeschwören und gleichzeitig der eigenen Trauer über den Verlust Ausdruck geben. Die seltene Tonart es-moll mit sechs ♭ trägt das Ihre dazu bei. Die Klagen der Andante-Einleitung mit ihrem chromatischen Beginn (B – Ces – C – Es – D) werden nach dem ebenfalls emotional geprägten Allegro bedeutungsvoll wiederholt. Dieses Allegro nimmt die Chromatik auch gleich selber auf. Einzig das Seitenthema in B-dur wirkt lichter. Die Episode des kurzen Scherzos, ebenfalls in B-dur und im ungewohnten 2/4-Takt, wirkt wie ein Spuk oder, wie man auch gesagt hat, wie eine «dämonische Vision». Sie wird im Trio leicht aufgehellt, was aber die gedrückte Stimmung kaum unterbricht. Diese wird im trauermarschähnlichen, in der Grundtonart es-moll stehenden langsamen Satz wieder aufgenommen. Neben verbalen Bezeichnungen wie funebre, doloroso, piangendo oder con dolore weisen die Anklänge an die Totenmesse der russisch-orthodoxen Kirche in den Tonwiederholungen der zweiten Geige auf den Charakter eines Trauergesanges hin. Erst das musikantische, wenn auch konventionelle und eher kurze Rondo bricht mit dieser Stimmung und lässt das Werk im dreifachen Forte in Es-dur ausklingen. Das Quartett wurde am 18. März 1876 im Haus von Nikolaj Rubinstein erstmals aufgeführt.
Andante sostenuto – Allegro moderato
Allegretto vivo e scherzando
Andante funebre e doloroso, ma con moto
Finale: Allegro non troppo e risoluto