Der Basler Klarinettist Eduard Brunner ist von 1960 bis 1994 zehnmal in unseren Konzerten aufgetreten. Für die Schweizer Erstaufführung des Quintetts von Jean Françaix mit dem Berner Streichquartett am 9. Januar 1979 hat er, der auch Auftraggeber und Widmungsträger war, für die Kammermusik Basel den folgenden Programmtext verfasst.
Jean Françaix, geboren 1912 in Le Mans, gilt als einer der typischen Vertreter französischer Musik. Ausgebildet von Nadia Boulanger, findet er schon sehr jung seine eigene musikalische Sprache und Ausdrucksweise, der er auch bis zuletzt treu geblieben ist. Sie basiert auf einer fundamentalen Kenntnis sowohl der grossen klassischen Vorbilder, sowohl der deutschen als auch vor allem der französischen Musik, sowie des Kontrapunktes und Generalbasses. Die beiden für ihn wichtigsten Komponisten, was die Stilbildung betrifft, sind Ravel und Strawinsky. Seine Musik zeichnet sich durch enorme Klarheit, Witz und Ironie, aber auch zarteste melodische Empfindung aus. Sie will im besten Sinn unterhalten, erfreuen und erheitern.
Das Klarinetten-Quintett ist auf Anregung und im Auftrag von Eduard Brunner geschrieben worden und ihm auch gewidmet. Im grossen kammermusikalischen Schaffen von Jean Françaix nimmt es eine besondere Stellung ein: Es ist das erste Werk für diese Besetzung. Bis anhin waren Bläser- und Streicher-Kammermusik immer scharf getrennt.
Das sehr durchdachte und raffiniert komponierte Werk beginnt mit einer zarten Adagio-Einleitung, in der der Kern des gesamten thematischen Materials vorgestellt wird. Der erste Satz, Allegro, bringt nun den Kopf des Themas sehr ironisch witzig zurechtgebogen, kontrapunktisch reich ausgestattet. Dann folgt ein sehr lyrisches zweites Thema. Der Mittelteil, eine vergleichsweise sehr kurze Episode, bringt immer nur Bruchstücke des Materials und führt in eine stark verkürzte Reprise. Die kurze Coda dient zugleich als Überleitung zum zweiten Satz, einem äusserst brillanten Scherzo, unterbrochen von einem walzerartigen Trio. Der dritte Satz, Grave, beginnt mit einem Viola-Solo – einer Quasi-Einleitung zu einem grossen Wechselgesang zwischen Violine und Klarinette von äusserster Zartheit. Die Form ist eine schlichte dreiteilige Liedform. Dann folgt als vierter Satz ein raffiniert gearbeitetes virtuoses Rondo mit Einfällen aus der französischen Chansonszene und Music-Hall, ohne aber im geringsten trivial zu werden. Kurz vor Schluss hat die Klarinette eine grosse Kadenz, wo nochmals Material aus dem ganzen Quintett in Erinnerung gerufen wird. Sie ist wohl als «Geschenk» an den Auftraggeber gedacht. Mit fünf Pianissimo-Takten schliesst dieses Werk, das eine grosse Bereicherung für die Klarinetten-Literatur darstellt.