Nicht lange nach den sechs Quartetten op. 50 von 1787 liess Haydn diesen eine neue Sechsergruppe folgen; sie wurde allerdings auf zwei Opusnummern aufgeteilt (opp. 54 und 55). Das C-dur Quartett op. 54/2 fällt durch mehrere Eigenheiten und besondere Qualitäten, insbesondere durch den originellen Schlusssatz auf. Welcher Komponist ausser Haydn hätte es damals gewagt, ein Quartett mit einem Adagio zu beenden? Nicht nur dies verleiht dem Werk besondere Bedeutung. Die mit der Bestimmung für den Geiger Johann Tost erklärbare Virtuosität der ersten Violine verbindet sich mit Beschwingtheit, Melodienreichtum, erlesener Feinheit der satztechnischen Arbeit und mit formaler Originalität. Kühne Akzente bestimmen den ersten Satz, der zudem durch neuartige harmonische Gestaltung überrascht. Schon das Hauptthema, welches in der Regel sein C-dur bekräftigen sollte, wechselt gleich nach G-dur, As-dur und a-moll. Das c-moll-Adagio in seiner improvisatorischen Form wird von geradezu meditativem Fortspinnen des musikalischen Gedankens in der ersten Violine bestimmt. Wie in op. 20/2 schliesst das Menuett eher ungewohnt attacca an. Das Trio, wiederum in c-moll, überrascht: Nicht pastorale Heiterkeit oder ein ländlicher Tanz, sondern beklemmende, geradezu schmerzerfüllte Klagen werden laut. Und dann folgt das einmalige Finale. Wer es nicht kennt, glaubt zunächst, eine langsame Einleitung zu hören. Doch dann beginnt die erste Violine ausgiebig eines der schönsten langsamen Themen Haydns zu singen und zu umspielen. Ist das nun der Hauptteil des Satzes? Doch Haydn wäre nicht Haydn, würde er uns nicht weiterhin überraschen. So folgt dann doch noch mit einem federnd leichten Presto der erwartete Finalkehraus – aber auch da täuscht man sich: Der Spass dauert keine Minute, dann kehrt der Gesang des Adagio zurück und lässt das originelle Werk leise ausklingen.