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  • Streichquartett Nr. 2 «Choralquartett» (2003)

Jörg Widmann 1973-

Der Münchner Jörg Widmann ist als Klarinettist und als Komponist in letzter Zeit sehr bekannt geworden. Eine wichtige Prägung erhielten er und seine Schwester, die Geigerin Carolin Widmann, von ihren Eltern. Sie waren zwar keine Berufsmusiker, spielten aber Streichquartett. Es waren Haydns Streichquartette, welche die jungen Widmanns beeindruckten. Früh wurden sie auch zur modernen Musik, etwa Stockhausens oder Nonos, hingeführt. Sein Klarinettenstudium absolvierte Widmann in München und an der Juilliard School New York. Er tritt mit den berühmtesten Dirigenten und Kammermusikensembles auf und es wurden für ihn zahlreiche Werke geschrieben. Er hat in Freiburg i. Br., wo er lebt, eine Professur für Klarinette an der Musikhochschule inne (Nachfolge Dieter Klöcker). Seit seinem elften Lebensjahr betrieb er auch Kompositionsstudien, u. a. bei Henze und Wolfgang Rihm. Für seine Kompositionen erhielt er namhafte Preise. Sie werden häufig aufgeführt, so diese Saison auch in Basel. Er pflegt ein breites Spektrum an Gattungen, etwa für Kammerbesetzungen und für grosses Orchester. Zentral im kammermusikalischen Schaffen stehen die Streichquartette: 1. Streichquartett (1997), 2003 Choralquartett und Jagdquartett; 2005 ergänzten die Uraufführungen des IV. Streichquartetts und von Versuch über die Fuge (5. Streichquartett mit Sopran) die als ein großer Quartettzyklus gedachte Werkreihe. Über das Choralquartett sagt Widmann: Auf das sehr heterogene erste Streichquartett habe ich mit dem in sich kreisenden zweiten Quartett geantwortet – eine fast autistische, rätselhafte Musik, die nur Fragezeichen an die Wand malt. Es ist ein einziger langsamer Satz. Das Stück bezieht sich an keiner Stelle konkret auf Joseph Haydns «Sieben letzte Worte», wäre aber ohne das Wissen um dieses Werk undenkbar. Die Haydn’sche Satzfolge von ausschließlich (bis auf das abschließende Erdbeben) langsamen Sätzen ist nach wie vor von schockierender Eindringlichkeit. Noch verstörender ist für mich das gelassene zuversichtlich-heitere Annehmen des Todes bei Haydn (das «Lächeln» der A-Dur-Pizzicato-Terzen!). Bei der Beschäftigung mit der Kreuzigungsthematik waren für mich der «Weg», der «letzte Gang» die entscheidenden Begriffe. Mein Stück beginnt am Ende eines Weges. Es sind lauter letzte Klänge, die nirgendwoher kommen und nirgenwohin führen. Das entsetzliche Reiben und Schmirgeln von Haut auf Holz wird zum Thema gemacht und durch Stille verbunden mit tonal Choralhaftem. Mich interessiert daran, wie im Verlauf des Stückes Geräusch nicht mehr für Desolates, und Tonales nicht mehr für Zuversicht steht.