Concerts Season 2013-2014

  • 25.2.2014
  • 19.30
  • 88.Season
  • Zyklus A
Stadtcasino Basel, Hans Huber-Saal

Artemis Quartett (Berlin)

„The interpretation of Artemis Quartet is not only technically on a par with the most virtuosic of their competitors – but it offers as well a higher musical intensity than all the others!“

Joachim Kaiser, Süddeutsche Zeitung

Berlin based Artemis Quartet was founded in 1989 at the University of Music Lübeck and is counted among the foremost worldwide quartet formations today. Important mentors have been Walter Levin, Alfred Brendel, the Alban Berg Quartet, the Juilliard Quartet and the Emerson Quartet.

Being awarded the first place in ARD competition in 1996 and six months later at ‚Premio Borciani’, made the quartet internationally successful. Yet the four initially followed an invitation of the Institute for Advanced Study Berlin in order to enhance their studies as an ensemble and to broaden them in an interdisciplinary exchange with renowned academics.

Artemis Quartet gives concerts for all great musical centres and international festivals in Europe, the United States, Asia, South America and Australia. Since 2004 the ensemble creates own cycles at the chamber music hall of Berlin Philharmonie, since 2011 at Wiener Konzerthaus (together with Belcea Quartet) and with the beginning of season 2016/2017 at Prince Regent Theatre Munich.

From the beginning the collaboration with musical colleagues has been a major inspiration for the ensemble. Thus, Artemis Quartet has toured with notable musicians such as Sabine Meyer, Elisabeth Leonskaja, Juliane Banse and Jörg Widmann. Various recordings document the artistic cooperation with several partners, for example the piano quintets by Schuhmann and Brahms with Leif Ove Andsnes, the Schubert quintet with Truls Mørk or Arnold Schönberg’s ’Verklärte Nacht’ with Thomas Kakuska and Valentin Erben from Alban Berg Quartet.

Since 2005 the Artemis Quartet exclusively records for Virgin, today Erato and can by now look back on a large discography. Their recordings have been repeatedly awarded the ’The German Record Critic’s Award’, the ’Gramophone Award’, the ’Diapason d’Or’ as well as the ’ECHO Klassik’. The entire recording of Beethoven’s quartets for strings was honoured with the important french ’Grand Prix de l’Académie Charles Cros’ in 2011.

Most recently released was a recording of creations of Mendelssohn-Bartholdy in 2014 (ECHO Klassik) as well as – dedicated to Friedemann Weigle – the recording of Brahm’s quartets op. 51/1 and op. 67 in fall 2015 (The German Record Critic’s Award).

Not least to increase the awareness for what is new in the field of established music, the examination of contemporary music is always a significant part of the artistic work of the ensemble. Composers such as Mauricio Sotelo (2004), Jörg Widmann (2006), and Thomas Larcher (2008) wrote creations for Artemis Quartet. In 2014 a concert for strings and orchestra by Daniel Schnyder premiered in Frankfurt. The musicians launched their own contest for musical composition in 2015. Eduard Demetz was nominated the awardee in November 2015 and his string quartet Nr. 2 will receive its premiere in Berlin in the first half of 2016.

Besides their practice in concerts, the four musicians teach as professors at University of the Arts Berlin and Chapelle Musicale Reine Elisabeth in Brussels.

After the tragic death of Friedemann Weigle in July 2015 Artemis Quartet restructured itself in the beginning of 2016 with Anthea Kreston at the second violin. Gregor Sigl took the position of the viola.

Commentary available in German ▼
Die Wege zur ersten Sinfonie und zum ersten gültigen Streichquartett waren bei Brahms lang und führten über mehrere Vor- und Zwischenstufen. Der Weg zum Streichquartett war wohl verschlungener – doch endeten beide schliesslich erfolgreich in einem c-moll-Werk. Wie viele Streichquartette Brahms komponiert hat, weiss man nicht. Drei sind bekannt und Kammermusikfreunden wohlvertraut. Vor diesen hat es eine grössere Anzahl weiterer Quartette gegeben. Schumann berichtet in seinem begeisterten Artikel über den jungen Brahms nach dessen Besuch in Düsseldorf 1853, jener habe ihm in «ganz geniale(m) Spiel, das aus dem Klavier ein Orchester ... machte» neben anderem auch «Quartette für Saiteninstrumente – und jedes so abweichend vom andern, dass sie jedes verschiedenen Quellen zu entströmen schienen» vorgespielt. Im selben Jahr wollte Brahms ein Quartett in h-moll als erstes Werk veröffentlichen – schliesslich wurde eine Sonate für sein eigenes Instrument das Opus 1. Und an seinen Jugendfreund und Mitschüler August Alwin Cranz (1834-1923), den Sohn eines Hamburger Musikverlegers, schrieb er, er habe «bereits über 20 Quartette komponiert». Bis zur Fertigstellung und Veröffentlichung der ersten gültigen Quartette sollten aber zwanzig Jahre vergehen. Was vorangegangen war, wurde vernichtet. Zwischenstufen bildeten Klavierquartette, Streichsextette und das Streichquintett mit zwei Celli von 1862, das später zur Sonate für 2 Klaviere und zuletzt zum Klavierquintett wurde. Und als die beiden Quartette des op. 51 1873 endlich zur Geburt reif waren, bedurfte es, wie Brahms scherzhaft anmerkte, für die «Zangengeburt» des Chirurgen. Ihm, dem Freund Theodor Billroth (1829-1894; 1860-67 Professor in Zürich, dann in Wien), sind sie denn auch gewidmet, obwohl für das zweite ursprünglich Joseph Joachim vorgesehen war. Da Skizzen zum op. 51 bis in die Zeit um 1865 zurückgehen, verstehen wir den Scherz von Brahms. Im c-moll-Quartett überraschen ein neuer Klang und Verdichtung, stellenweise geradezu spröde Verschlossenheit, strenger Ernst und eine fast monothematische Substanz. Ludwig Finscher charakterisiert die Sätze mit «dra­matisch zerklüftet» (Kopf­satz), «melancholisch» (Romanze in As-dur), «nachdenklich-ver­sponnen» (Allegretto-Intermezzo in f-moll anstelle eines Scherzos) und «emotionale Hochspannung» (Fi­nale). Trotz letztlich traditionsbewusster Bezugnahme – nicht nur in der Erwartungen weckenden Tonart – auf das Vorbild Beethoven brachte die Uraufführung am 11. Dezember 1873 in Wien durch das Hellmesberger Quartett vorerst nur einen Achtungserfolg ein. Die konsequente und komplexe Kompositionsmethode zeigt sich im Entwickeln des Materials aus wenigen Kernmotiven – was Schönberg später «entwickelnde Variation» nannte, hauptsächlich an den Quartetten op. 51 darlegte und als fortschrittlich bewunderte. So war Brahms sehr wohl ein moderner Komponist und nicht, was das Publikum damals vielleicht lieber gehört hätte, ausschliesslich ein Bewahrer klassischer Vorgaben.

Eine andere (Klang-)Welt zeigt das zwei Jahre später entstandene B-dur-Quartett – als Parallele könnte man den Unterschied zwischen der 1. und 2. Sinfonie heranziehen. Es darf geradezu als klassisch, ja klassizistisch gelten, ist schlichter und weniger von motivischer Arbeit geprägt als die beiden Vorgänger, wirkt heiter und freier. Brahms dürfte aufgrund der erfolgreichen Ausarbeitung der 1. Sinfonie richtig entspannt gewesen sein. Neben der Umarbeitung der 1. Sinfonie arbeitete er am Quartett im Frühlings- und Sommerurlaub 1875 im hübsch gelegenen Ziegelhausen am Neckar östlich von Heidelberg; er vollendete es im folgenden Winter in Wien. Im Mai 1876 spielte das Joachim-Quartett das Werk im privaten Rahmen bei Clara Schumann in Berlin, im Herbst öffentlich ebendort; kurz danach folgte das Hellmesberger-Quartett in Wien. Schon der Beginn mit einer (bewussten?) Anspielung auf die Hornrufe in Mozarts Jagdquartett KV 458 oder vielleicht auch als Selbstzitat aus dem Scherzo des Streichsextetts op. 18, beides Werke in B-dur, gibt den Grundton an. Rhythmisch wird das Spielerische durch die Gegenüberstellung und zeitweise Überlagerung von 6/8- und 2/4-Takt geleistet. Das romanzenhafte Andante in F-dur zeigt dreiteilige Liedform, wobei der Mittelteil, meist in d-moll, freier und dramatischer ist. Besonders angetan war Brahms vom dritten Satz, den er als zärtlich und leidenschaftlich zugleich auffasste. Es handelt sich erneut mehr um ein Intermezzo als um ein echtes Scherzo, das aber Elemente aus dem scherzohaften Hauptthema des Kopfsatzes übernimmt. Auffällig ist die führende Rolle der Bratsche, während Geigen und Cello mit Dämpfer zu spielen haben. Dafür hat sie am Beginn des a-moll-Trios zu schweigen, als ob Brahms auf die Bezeichnung dieses Teils anspielen wollte, doch bald darf sie auch hier ihre Führungsrolle übernehmen. Die Klanglichkeit der Instrumentation gibt dem Satz etwas Notturnohaftes. Das Finale mit Thema und acht Variationen, in denen Brahms seine Meisterschaft in dieser Form beweist, erhält auch umfangmässig das grösste Gewicht im Quartett. Anspielungen fehlen auch hier nicht: Taucht da nicht in der 7. Variation das Jagdthema aus dem Kopfsatz wieder auf? Dass es Brahms’ Lieblingsquartett war, überrascht nicht.

Der Komponist und Kompositionsprofessor Endre Szervánszky (1911-1977) hatte sich als einer der ersten in Ungarn in den fünfziger Jahren mit Webern auseinandergesetzt. 1959 schrieb er mit den «Sechs Orchesterstücken» das erste ungarische Werk in Zwölftontechnik nach dem 2. Weltkrieg. Seine Vorbilder waren früher natürlich auch Bartók und Kodály gewesen. Elf Jahre nach seinem Tod hat György Kurtág mit dem «Officium breve» seiner gedacht. Schon der Titel deutet auf eines der Hauptstilmittel Kurtágs hin, die Kürze – und die hat Kurtág natürlich von Webern, der auch sein Vorbild war, übernommen. Die fünfzehn Sätze dauern knapp 12 Minuten. Der Bezug zu Webern ist im op. 28 (was auch die Opuszahl von Weberns Streichquartett ist) noch viel konkreter als in der Kürze gegeben. Kurtág bezieht sich auf den Doppelkanon aus dem Schlusssatz der 2. Kantate op. 31, Weberns letztem Werk von 1941-1943, der seinerseits ohne die intensive Beschäftigung mit der Vokalpolyphonie des 15. und 16. Jahrhunderts nicht möglich gewesen wäre. Er verwendet ihn in mehreren Sätzen bzw. spielt mit seinen Elementen, so im 5. Satz als Fantasie über dessen Harmonien; im siebten nutzt er die Aussenstimmen, im zehnten transkribiert er ihn direkt einen Ton höher auf die Streicher. Der ganze fünf Takte lange 6. Satz ist seinerseits eine Hommage à Webern in Kanonform. Ein weiteres Zitat gilt dem Komponistenfreund Szervánsky: Nach Anspielungen in den Sätzen 3 und 12 eröffnen die zwölf Anfangstakte in C-dur des Larghetto seiner Streicherserenade von 1947/48 den Schlusssatz dieses – wie Kurtág es nannte – «Mini-Requiem».

Johannes Brahms 1833-1897

Streichquartett Nr. 3, B-dur, op. 67 (1875)
Vivace
Andante
Agitato (Allegretto non troppo) – Trio
Poco Allegretto con Variazioni – Doppio Movimento

György Kurtág 1926-

Officium breve in memoriam Andreae Szervánszky, op. 28, für Streichquartett (1988/89)
Largo (Violoncello)
Più andante
Sostenuto, quasi giusto (Viola und Violoncello)
Grave, molto sostenuto
Fantasie über die Harmonien des Webern-Kanons: Presto
Canon a 4: Molto agitato
Canon à 2, frei nach op. 31/6 von Webern: Sehr fliessend
Lento
Largo
Webern, Konon op. 31/6: Sehr fliessend
Sostenuto
Sostenuto, quasi giusto
Sostenuto, con slancio
Disperato, vivo
Arioso interrotto, di Endre Szervánsky: Larghetto

Johannes Brahms 1833-1897

Streichquartett Nr. 1, c-moll, op. 51, Nr. 1 (1873)
Allegro
Romanze: Poco adagio
Allegretto molto moderato e comodo – Un poco più animato
Finale: Allegro